Nach einer etwas längeren Pause setze ich meine Serie zur “Selbst-Organisierten(SO)…Agilen” Organisation fort. Dabei möchte ich etwas genauer auf die Frage nach dem Konzept und der Umsetzung Selbstorganisation eingehen und einige Erfahrungen aus der Praxis ergänzen. In diesem Beitrag gehts dabei um den Begriff der Selbstorganisation als solchen: Was bedeutet eigentlich Selbstorganisation?

Selbstorganisation – zunehmend “selbstorganisierter”

In der Wissenschaft wird häufig konstatiert, dass alle lebendigen Systeme selbstorganisiert sind, da sie in irgendeiner Form Muster aufbauen, die sie selbst erhalten und stabilisieren. Dies mag generell der Fall sein, hilft uns aber bei der Frage nach der Selbstorganisation in Unternehmen und anderen Organisationen wenig weiter. Hierbei geht es vielmehr um die Frage, wie in Organisationen kommuniziert und entschieden wird. Selbstorganisation bedeutet dabei, dass der Mitarbeitende oder auch das Team weitreichende Möglichkeiten der Entscheidung hat. Dem Gegenüber steht häufig die “Fremdorganisation”, bei der Entscheidungen nicht vom Individuum und dem Team, sondern den hierarchisch übergeordneten Führungsebenen getroffen werden. Für das Team sind die Entscheidungen damit Fremdentscheidungen. Man könnte somit die beiden Formen als Pole auffassen, die miteinander unvereinbar sind: Entweder selbstorganisiert oder fremdorganisiert – das Eine, oder das Andere.

Doch geht es in Organisationen nicht um die eine Entscheidung, sondern um einen fortwährenden Strom von aneinander anknüpfenden Entscheidungen. Und so wird aus dem “entweder Selbstorganisation oder Fremdorganisation” eher ein “sowohl Selbstorganisation, als auch Fremdorganisation”, wobei bestimmte Typen von Entscheidungen oder bestimmte Einzelentscheidungen im Team selbst, andere von Außen für das Team getroffen werden. Dies ist nichts Neues. Bereits in den 70er Jahren konnten teilautonome Teams in der Automobilproduktion etwas über ihre Urlaubsplanung oder Schichteinteilung selbst verfügen. Was heute unter dem Begriff “Selbstorganisation” in der Theorie wie in der Praxis diskutiert wird, sind deutlich weitreichendere Entscheidungen, die Teams in Selbstorganisation treffen sollen.

Die Gründe für die Ausdehnung sind vielfältig: Neben den bereits in den teilautonomen Teams angeführten positiven Motivationseffekten wird heute immer wieder das komplexe und dynamische Umfeld von Organisationen genannt. In diesen Umfeldern hat die dezentrale Entscheidung vor Ort Vorteile gegenüber hierarchisch-zentralisierten Entscheidungen, da schneller, mit mehr Kontextwissen und ohne Informationsverlust entschieden werden kann. Wichtige Voraussetzung hierfür ist auf der anderen Seite, dass die Teams über die Gesamtausrichtung der Organisation ausreichend informiert sind und in guter direkter Kommunikation mit anderen Einheiten stehen, da diese Aufgabe der klassischen hierarchischen Führung hier weitestgehend fehlt.

Anstelle einer Polarität zwischen Selbst- und Fremdführung können wir ein Kontinuum zeichnen, das eine Selbstorganisationsgrad angibt – für die gesamte Organisation im Schnitt, wie auch für jedes einzelne Team. Und so können unterschiedliche Teams in einer selbstorganisierten Organisation auch unterschiedliche Selbstorganisationsgrade aufweisen. Einige Teams können weitestgehend selbstorganisiert agieren, während andere wiederum noch stark fremdorganisiert handeln und entscheiden.

Skala Selbstorganisation - xm-institute - Dr. Oliver Mack

So können wir uns leichter ein gemeinsames Bild machen, wie wir als Führungskräfte oder Mitarbeitende den aktuellen Grand an Selbstorganisation einschätzen – im Team, in einem Bereich oder in der gesamten Organisation. Und so gelingt auch leichter die Frage, wie es gelingen könnte, einen guten Schritt in Richtung mehr Selbstorganisation zu gehen.

Tools zum Selbstorganisationsgrad

Als Tools zur Abstufung des Selbstorganisationsgrads sollen hier zwei erwähnt werden:

Die Autoritätsmatrix nach Richard Hackman

Manager-geführte Teams Sich selbst führende Teams Sich selbst gestaltende Teams Autonome Teams
generelle Ausrichtung und Ziele vorgeben Manager Manager Manager Team
Team- und Organisationskontexte festlegen Manager Manager Team Team
Arbeitsprozesse gestalten und Fortschritte überwachen Manager Team Team Team
Aufgaben erledigen Team Team Team Team

Hackman ist Professor an der Harvard Business School und hat in seinem Modell entlang der Horizontalen vier Arten von Teams beschrieben. Entlang der Vertikalen sind unterschiedliche Regelungs-/ Gestaltungskomplexe abgebildet, die dem Team entsprechende Handlungs- und Entscheidungsfreiräume bieten. Diese unterscheiden sich ja nachdem, ob diese in der Verantwortung des Managers, der das Team führt oder in der Verantwortung des Teams selbst liegen. Mit Hilfe dieser Matrix kann sehr gut der generelle Grad der Selbstorganisation einzelner Teams und einer Organisation als Ganzes erhoben werden. Sie kann auch dazu dienen, in eine strukturierte Diskussion über einen erwünschten Zustand und Selbstorganisationsgrad einer Organisation bzw. eines Teams einzusteigen.

Delegation Poker von Jurgen Appelo

Jurgen Appelo hat mit seinem Delegation Poker einen Ansatz entwickelt, mit dessen Hilfe verschiedene konkrete Entscheidungen oder Entscheidungskomplexe auf dem Spektrum zwischen “Führungskraft entscheidet” oder “Team entscheidet” verortet werden können.

Delegation Poker - Jurgen Appelo

Mit Hilfe von sieben Delegationsstufen haben entweder Führungskräfte einen Rahmen, mit dem sie die Grenzen der Entscheidungsfreiheit des Teams festlegen können oder aber Führungskraft und Team miteinander in Kommunikation und Verhandlung über den Delegationsgrad treten können.

Die Grenzziehung zwischen Führungskraft und Team werden wir uns im nächsten Blogpost etwas genauer ansehen.

Bisherige Beiträge der Serie:

Die “SO…Agile” Organisation (1): Die aktuellen Herausforderungen

Die “SO…Agile” Organisation (2): Ein erster Überblick über Begriffe und Ansätze

Die “SO…Agile” Organisation (3): Das xm-i Agile PRISMA

Die “SO…Agile” Organisation (4): Hin zu … mehr Selbstorganisation?

Die “SO…Agile” Organisation (5): Tool – Team-Relations-Maturity-Matrix (TeReMaMa)

Die “SO…Agile” Organisation (6): Warren Bennis’ vier Kompetenzen für “New Leadership”