Digitalisierung in Deutschland?

Studie aus Sicht der Erwerbstätigen

Gerade vor der COVID-19 Zeit wurde viel über den Stand der Digitalisierung und die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland gesprochen und geschrieben. Auch wenn nun durch den Lockdown das Thema sicherlich hinsichtlich der Digitalisierung der Zusammenarbeit und Büroarbeit einen Euro-Boost erhalten hat, bleibt die Frage, ob und wie es um die Digitalisierung der Unternehmen generell bestellt ist, sicherlich seine Aktualität.

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung ging dieser Frage einmal nicht aus Sicht der Unternehmer nach, sondern befragte Arbeitnehmer nach ihrer Einschätzung. Dies liefert spannende Erkenntnisse einmal aus einer anderen Sichtweise und es lohnt schon daher einmal, hier etwas genauer hinzuschauen.

  • Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass Erwerbstätige der Digitalisierung und der damit verbundenen Veränderungen deutlich offener eingestellt sind, als dies oft in Studien ausgeführt wird, bei der Führungskräfte befragt werden. Es könnte durchaus sein, dass Veränderungsinitiativen in Richtung Digitalisierung gerade aber nicht nur bei jüngeren Mitarbeitern sehr willkommen sind. Dies entspricht auch meinem Alltags-Erleben in Veränderungs- und Digitalisierungsprojekten, bei denen Betroffene oft weniger über geplante Digitalisierungsveränderungen schimpfen, als über die schlechte aktuelle IT-Ausstattung / den IT-Investituionsstau. Sie sind häufig im Privaten mit leistungsfähigeren Geräten und Software ausgestattet, als im Arbeitsumfeld.
  • So verwundert ein weiteres Ergebnis der Studie dann nicht, dass sich Erwerbstätige als aufgeschlossen gegenüber digitalen Technologien und Arbeitsweisen sehen. Nur 47% der Erwerbstätigen geben an, dass räumlich und zeitlich flexible Arbeit in ihrem Unternehmen möglich ist. Wird vorrangig mit Menschen gearbeitet, sinkt dieser Wert gar auf 35%. Gerade hier dürfte sich durch erzwungene Home-Office-Aufenthalte deutlich etwas getan haben. Die theoretische Diskussionen über die möglichen sozialen und betriebswirtschaftlichen Auswirkung flexiblerer Arbeitsformen ist der primären Diskussion und technische Machbarkeit und der Frage nach der richtigen Führung “auf Distanz” gewichen (siehe hierzu auch meine Beiträge zum Thema “mediales Führen”). In der aktuellen Situation sehen ich viele Anzeichen, ass wir nicht mehr zum alten Status zurückkehren werden. Vielmehr wird es ein “New Normal” geben, das Mitarbeitern und Unternehmen die Vorteile, die die COVID-Zeit vor Augen geführt hat, nicht wieder nehmen wird, sondern vielmehr nutzbringend auch in den Alltag nach COVID überführen wird.
  • Aufholbedarf scheint laut der Studie gerade bei der Partizipation oder besser des aktiven Vorantreibens der Veränderung in Richtung Digitalisierung gegeben. So wird der Grad der Digitalisierung mit zunehmender Unternehmensgröße zwar ebenfalls als steigend wahrgenommen. Die Möglichkeit zur Initiierung von Änderungen oder dem Grad der Mitwirkung nimmt jedoch mit zunehmender Größe ab. Auch Digitalisierung und New Work scheinen hier eher von Fachabteilungen und Hierarchie verordnet, als tatsächlich durch die Erwerbstätigen selbst getrieben. Auch dieses Ergebnis deckt sich mit meinen Erfahrungen aus Digitalisierungsinitiativen, bei denen die Projekte eher aus den Fachabteilungen HR und IT getrieben werden, als aus dem Business heraus. Dies betrifft vor allem digitale Innovationen.
  • Auch scheint es nach der Studie wichtig, gerade den Blick auf Berufsgruppen und Unternehmen zu werfen, die in ihrer Haupttätigkeit stark mit Menschen zu tun haben oder in ihrem Arbeitsergebnis stark mit sozialer Interaktion. Gerade hier schätzen die Erwerbstätigen ihr Unternehmen kurz zu 36% bzw. 26% als “äußerst” oder “sehr” digital ein. Doch gerade hier kann aus meiner Erfahrung mit Klienten heraus Digitalisierung entscheidende Vorteile bringen. Sei es zur Verbesserung der Produktivität und Effizienz oder zur Verbesserung des Kundenservice. Gerade in der Verknüpfung mit dem höheren Wunsch nach Digitalisierung bei der jüngeren Generation sind viele Dienstleistungen und ergänzende Zusatzservices denkbar, die heute (noch) nicht angeboten werden. Das einfachste Beispiel ist die Frage nach der automatisierten Terminplanung beim Arzt oder Friseur. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt und der Raum für neue Startups ist m.E. weiterhin gegeben.

Quellen:

Bertelsmann Stiftung, Wie digital sind die Unternehmen in Deutschland?, Gütersloh 2020.