Herkunft und Grundidee von unFIX

Im 2. Teil unserer Serie zum agilen Skalieren schauen wir etwas genauer auf das unFIX Toolset, das eine flexible Werkzeugkiste darstellt, um ganze Organisationen agil zu gestalten. UnFIX wurde rund um Jurgen Appelo entwickelt, der besonders mit seinen Büchern rund um Management 3.0 bekannt wurde.

Das unFIX Modell ist im Vergleich zu anderen Skalierungsansätzen noch noch recht jung und existiert seit Januar 2022.Jurgen Appelo sieht unFIX nicht als weiteres Skalierungsframework an: “unFIX is organizational design for continuous innovation & better human experience.

It’s not another scaling framework! It’s like LEGO – you can design your own (agile) methods & frameworks using the unFIX pattern library.” (Appelo, unFIX Introduction, 2023).

Das unFIX Modell bietet „Patterns“, um eine flexible Organisation zu beschreiben und unterstützt dabei die Visualisierung von Wertströmen.

So ist das unFIX-Modell ist ein innovativer Ansatz für Organisationsdesign, der sich auf Anpassungsfähigkeit und kontinuierliche Innovation konzentriert. Im Gegensatz zu vielen traditionellen agilen Skalierungsframeworks schreibt unFIX keine starre Struktur oder spezifische Rollen und Prozesse vor. Stattdessen bietet es ein flexibleres und anpassungsfähigeres Modell, das die Bedeutung von menschlicher Expertise und kontinuierlichem Wandel in komplexen Geschäftsumgebungen betont.

Wichtige Schlüsselaspekte von unFIX

unFIX besteht aus verschiedenen Schlüssel-Elementen, die sich wie in einer Art Baukasten zusammensetzen lassen Hierzu existiert eine Art “Pattern”-Bibliothek, die eine Vielzahl verschiedener Typen von Schlüssel-Elementen und Prozess-Muster beschreibt.

unfix Pattern Library - unfix.com Präsentation

Quelle: unFIX.com Präsentation (Nutzung mit freundlicher Genehmigung von unfix.com)

Eine unFIX Organisation besteht aus unterschiedlichsten Bausteinen:

  • Crew-basierte Struktur: Das unFIX-Modell basiert auf selbstorganisierenden Einheiten, den sogenannten “Crews”. Jede Crew funktioniert unabhängig und konzentriert sich auf spezifische Aspekte der Produktentwicklung oder organisatorische Bedürfnisse und schöpft damit Wert für interne oder externe Kunden/ Stakeholder. Das Konzept der Crews ersetzt traditionelle Rollen und Managementstrukturen und fördert direktere Kommunikations- und Entscheidungsprozesse. Crews sind flexibler als z.B. stabile LeSS Teams und können ggf. temporär einem bestimmten Zweck folgen. Sie lassen sich am ehesten mit Cabin- und Cockpit-Crews bei Airlines vergleichen, die auf einem oder mehreren Flügen zusammen arbeiten. Dabei kann es nützlich sein, die Crews über die Zeit stabil zu halten, es kann aber auch aus übergreifenden Gründen Sinn machen, diese zu anderen Zwecken neu zusammenzusetzen. Crews sind zwischen 3 und 7 Personen groß, idealerweise 5. Die Crews werden von einem Captain geführt, der je nach Selbstorganisationsgrad der Crew mehr oder weniger Entscheidungsmacht besitzt.
    unFIX unterscheidet sieben verschiedene Crew-Typen, wie bspw.:
    • Value Stream Crews: Diese “Wertstrom” Crews sind auf eine spezifische Wertstromaktivitäten ausgerichtet und tragen möglichst eigenständig die End-to-End Verantwortung für einen Wertstrom. Sie sind in anderen Konzepten mit Developer-Teams vergleichbar.
    • Capability Crews: Diese stellen spezifisches Expertenwissen bereit, um die Value Stream Crews zu entlasten.
    • Facilitation Crews: Diese unterstützen andere Crews bei der Behebung von Problemen und Hindernissen im Wertstrom. Dabei sollen die Value Stream Crews nicht dauerhafte von den Facilitation Crews abhängig werden. Vielmehr sollen letztere diese unterstützen unabhängiger zu werden und besser arbeiten zu können. In anderen Modellen ist dies die Rolle der Scrum-Master und Agile Coaches.
    • Platform Crews: Diese stellen der Base (s.u.) dauerhafte gemeinsame Plattformen bzw. Services zur Verfügung, die die anderen Crews einfach nutzen können. Dies hilft den Value Stream Crews  die Breite ihrer Aufgaben zu reduzieren und sich stärker zu fokussieren.
    • Experience Crews: Diese Crews stellen eine herausragende Customer-Experience sicher, indem sie für das direkte Feedback von Kunden und Nutzern zu den Value Stream Crews sorgen. In anderen Modellen ist dies häufig die Rolle des Product Owners.
    • Partnership Teams: Diese kümmern sich um den Kontakt zu Partnern, wie externen Dienstleistern, Freiberuflern oder externen Anbietern. Diese unterstützen entweder bei der Wertschöpfung oder im Vertriebskanal.
    • Governance Crew: Die Führungsmannschaft in einer unFIXED Organisation ist in der Governance Crew organisiert. Sie setzt den Rahmen und enabled die anderen Crews für ihre Arbeit, setzt Grenzen und Möglichkeiten für die Selbstorganisation und behält die strategische, operative wie soziale Dimension der Leistungserbringung im Blick.     
  • Bases: Basen sind vergleichbar mit Geschäftseinheiten oder Tribes im Spotify Modell und bestehen aus mehreren Crews. Sie sind eine Art “Homebase” für die Crews. Sie definieren den übergeordneten Zweck (Purpose) der Crews und umfassen alle notwendigen Fähigkeiten für die Produktentwicklung und den Geschäftsbetrieb. Basen können je nach Integrationsgrad und Unabhängigkeit der verschiedenen Produkte oder Dienstleistungen unterschiedlich strukturiert sein. Die Größe sollte dabei zwischen 10 und 150 Personen betragen (Dunbar’s Number. Krotoski, 2014), um soziale Verbundenheit und Austausch zu ermöglichen.
    unFIX unterscheidet verschiedene Base Typen:

    • Fully Integrated Base: Diese bestehen aus mehreren Wertströmen die komplette Produkte oder Services erzeugen, wie dies in SAFe oder LeSS der Fall ist.   
    • Strongly Aligned Base: Hier unterstützen mehrere Wertströme die Erstellung mehrerer Produkte/ Services die gemeinsam dem Kunden angeboten werden mit unabhängigen Wertketten. Das Spotify Modell wurde ursprünglich für diesen Zweck entwickelt.
    • Loosely Aligned Base: In dieser Form werden Produkte/ Services dem Kunden weitestgehend unabhängig voneinander angeboten.
    • Fully Separated Base: Produkte/ Services werden in dieser Form völlig unabhängig voneinander angeboten.

Neben diesen strukturellen Basiselementen bietet der unFIX Baukasten zahlreiche weitere Elemente:

  • Foren: Diese erlauben es Spezialisten über Standards, Best Practices und neue Ideen zu diskutieren. Sie sind vergleichbar mit Chapters im Spotify-Modell und fördern die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch innerhalb den Basen. Über mehrere Bases hinweg können Super-Foren gegründet werden, die mit Guilden aus dem Spotify Modell vergleichbar sind.
  • Chiefs, andere Rollen  und Super-Basen: Das unFIX-Modell umfasst Rollen für Chiefs, die Basen leiten und typische Geschäftsfunktionen wie Produkt, Technologie und Marketing handhaben. Ebenso existieren weitere Rollen, wie Creator, Facilitator oder Guru, von denen Personen in der Organisation eine oder mehrere wahrnehmen können. Super-Basen sind größere divisionale Strukturen, ähnlich der Solution Train-Ebene im SAFe, und koordinieren mehrere Basen.
  • Prozess- und Growth-Patterns: Dies sind Prozesse und Modelle  innerhalb von unFIX, das Ansätze wie Design Thinking und Lean Startup in die Organisation integrieren. Sie  konzentrieren sich auf kontinuierliche Verbesserung und Innovation mit Phasen wie Kontextualisieren, Empathisieren, Synthetisieren und Vieles mehr.

unfix Model - www.unfix.com - xm-institute - Dr. Oliver Mack

Quelle: unfix.com, https://unfix.com/what-is-unfix (Nutzung mit freundlicher Genehmigung von unfix.com)

Kompatibilität von unFIX mit anderen Ansätzen

Betrachtet man den unFIX Ansatz genauer, so stellt man fest, dass er eher ein Metaansatz als ein Skalierungsmodell ist. Und so lassen sich auch andere Ansätze zur Skalierung mit unFIX abbilden und gut visualisieren. Auf der Website von unFIX.com sind zahlreiche Beiträge vorhanden, die andere gängige Modelle, wie SaFe, LeSS, Spotify, Team Typologien, Holacracy oder McKinseys Helix Organisation in Form der unFIX Nomenklatur darstellen. (https://unfix.com/models-and-frameworks)

unFIX steht in vielfältigen Formen zur Verfügung

Wenn man nun neugierig geworden ist, stellt sich die Frage, wo es weitere Infos zu unFIX gibt und wie man loslegen kann. Umfassend fündig wird man auf der Website unfix.com. Hier finden sich neben zahlreichen Beschreibungen auch alles, was man benötigt, um seinen ersten eigenen unFIX Workshop durchzuführen:

  • Physische Kartensets zum Bestellen
  • Digitale Kartensets zum kostenlosen Download (bereits teils in verschiedenen Sprachen).
  • Und sogar ein ein Kartenset und einen “Plotter” als Apps für Miro, um auch virtuell zu arbeiten.

Mein Fazit

Wie alle Tools und Ansätze im Orbit von Jurgen Apello ist auch unFIX sehr praxisorientiert und hands-on gestaltet. Es bietet eine schöne Möglichkeit der Visualisierung neuer moderner agilerer Team- und Organisationsstrukturen, geht aber weit darüber hinaus. Druch die zahlreichen Typen unterschiedlicher Elemente und Prozesse hilft unFIX auch, neue Ideen zu kreieren und in eine gute Strukturdiskussion mit KollegInnen oder KlientInnen einsteigen zu können.

Literatur/ Quellen