Agile OrganisationIn einem meiner letzten Beiträge habe ich das sogenannte Organizational Agility Oszillation Field vorgestellt. Dieses nutzen wir systematisch, wenn es um die Analyse und Weiterentwicklung von Organisationen in Richtung höherer Agilität geht. Unter Agilität soll hier (von einigen wird dies auch als Vitalität bezeichnet), die Lebens- und Veränderungsfähigkeit von Organisationen verstanden werden (siehe auch meinen einführenden Blogbeitrag zu Agiler Organisation). Im Folgenden möchte ich das Thema Sinn in Organisationen etwas näher beleuchten.

Schlechte Arbeitsmotivation und Singorientierung für den Einzelnen bei der Arbeit

Ein wesentliches Element, das ich hier nenne ist die “Sinn-Orientierung” von Organisationen. Die Bedeutung dieses Themas gewinnt umso mehr an Bedeutung, wenn man einmal auf das Thema Arbeitsmotivation und Identifikation mit dem Arbeitgeber schaut: Laut Gallup Engagement Index 2015 empfinden 84% aller Arbeitnehmer nur eine geringe oder gar keine Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Und dies hat sich seit der Wirtschaftskrise wo dies vielleicht noch erklärbar wäre, kaum verändert. Anders herum: Mit 32% der Befragten empfinden in den USA doppelt so viele Menschen wir in Deutschland (16%) eine hohe Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Da ist es auch ein schwacher Trost, wenn andere große Industrienationen, wie Frankreich (7%), Japan (6%) oder Italien (3%) noch weiter abgeschlagen zurückliegen.

Laut einer Stepstone Studie von 2013 ist auf der Liste der wichtigsten Faktoren, die Arbeitsglück ausmachen hinter dem “respektvollen Umgang miteinander” (93,2%) direkt auf Rang 2 “eine interessante Tätigkeit” (92,2%). Dass Arbeitsengagement und Sinn-Orientierung zusammenhängen, konnte in einer weiteren Studie der Universität Innsbruck nachgewiesen werden.

Betrachtet man die Generation Y als besonders wichtige Zielgruppe, die nun ins Berufsleben drängt, so kann man auch hier eine starke Singorientierung erkennen. In der Enactus Studie 2014  wurde deutlich, dass die Generation Y nicht rein geldorientiert arbeitet: Knapp die Hälfte der Befragten würde bei einem Lottogewinn die Arbeitsleistung nicht oder um max. 30% reduzieren, was auf eine nicht rein geld-orientierte und eher sinn-orientierte Denkweise hindeutet. Wichtig ist dieser Gruppe vor allem, aber auch der anderen Hälfte im Job Folgendes: “gesellschaftliches Engagement”, “Partizipation”, “eigene Herausforderungen”, “Lernen” sowie “Unter Seinesgleichen Sein”. Dies heißt allerdings nicht, dass die Bezahlung nicht stimmen darf. Laut dem Deloitte Studentenmonitor steht Bezahlung mit 62% noch vor interessanter Arbeit (44%) und interessantes Arbeitsklima (43%). Diese Ergebnisse würde ich in zweierlei Richtung interpretieren: Einerseits wird in zunehmend unsicheren Zeiten und dem Wunsch nach Familie selbstverständlich die Bezahlung wichtig, um die Existenzgrundlage wie auch die eigenen Ansprüche, die bei den Wohlstandsgenerationen der Eltern erlebt wurden, selbst aufrechtzuerhalten. Dies reicht jedoch gerade bei hochqualifizierten Talenten bei weitem nicht aus. So sind diese i.d.R. hoch wechselfreudig und orientieren sich, wenn das Gehalt stimmt, i.d.R. an der Art der Tätigkeit.

Als Beispiel lässt sich das Silicon Valley mit der dortigen Startup-Bewegdung nennen, wo das Gehalt zwar stimmen muss, um sich noch eine Wohnung und ein gutes Leben im Valley und San Francisco leisten zu können. Dies reicht i.d.R. jedoch nicht aus, um Menschen hier an eine Organisation zu binden. Neben Bequemlichkeits-Umfeldfaktoren, wie Wäscheservice, freier Verpflegung und anderen Annehmlichkeiten, wird auch die Sinn-Orientierung wichtig. Fragen wie: “Kann ich an den wahren Problemen der Menschheit arbeiten?” werden gerade für die Bildungs-, Technologie- und Innovations-Elite immer mehr zum entscheidenden Faktor.

Sinn-Orientierung als wichtige Organisationsvariable in VUCA Zeiten

Auf der Organisationsebene scheint die Gestaltung von Sinn ebenso eine wichtige Gestaltungsvariable zu sein. Dass Sinngebung zum Unternehmenserfolg beiträgt ist wohl nicht erst seit Sinek’s TED-Vortrag zum “Golden Circle” in dem er für weniger Beschäftigung mit dem “Was?” und “Wie?” der Unternehmenstätigkeit und mehr Beschäftigung mit dem “Why?”, dem “Warum tun wir etwas?”, also dem tieferen Sinn plädiert.

Gerade in Zeiten, in denen sich viele Situationen als VUCA Umfelder zeigen (Details in diesem Blogartikel und Buch), wird Sinn-Orientierung wichtig. Je ungewisser das Umfeld von Organisationen, desto wichtiger sind stabile Anker im Inneren der Organisation, an denen sich alle Mitarbeiter gemeinsam orientieren können. Auch die zunehmend steigende Veränderungsgeschwindigkeit von Organisationen selbst, tragen dazu bei, dass Singorientierung immer wichtiger wird: In der Vergangenheit gab die interne Organisationsstruktur, Abteilungen, Vorgesetzte, Prozesse die nötige Sicherheit und Stabilität über Jahre hinweg. Je mehr diese nun, durch ständige Reorganisation und Anpassungsnotwendigkeit an sich verändernde Umfelder, wegfällt, je wichtiger ist ein Ersatz. Sinn, als “virtuelle” Variable des Organisationsdesigns ist hierzu prädestiniert, da sie stabil bleiben kann, auch wenn sich Organisationsstrukturen ändern. Ein interessantes Beispiel hierzu stellen “Exponential Organizations” (Salim Ismail) dar. Dies ist eine Organisationsform, die besonders schnell wächst, wie viele der global tätigen Technologiekonzerne (Google, AirBnB, Facebook, …). Ismail sieht bei diesen das Thema “Sinnbildung” als ein wesentliches Merkmal an.

In einem weiteren Beitrag werde ich ein wenig näher auf Sinn-Gestaltung und die Unterschiede zum klassischen Thema “Vision”/”Mission” oder Leitbild eingehen.