Der Begriff der “ambidexterity” oder zu deutsch “Ambidextrie” wurde vor allem durch das Buch “Lead and Disrupt” von Charles A. O’Reilly III and Michael L. Tushman aus dem Jahre 2016 geprägt. Laut eigener Aussage von Tuchman fasst dies seine 30 Jahre Forschungserfahrung zu diesem Thema in einem Werk zusammen. Aktuell ist das Thema zunehmend auch in der Praxis in aller Munde. Und auch wenn das Thema gerade “en vogue” scheint, gibt es nur vereinzelt deutschsprachige Literatur zu Ambidextrie. (Siehe auch meine Buchbesprechung zu Julia Duwe, Beidhändige Führung).

Doch warum ist das Thema so spannend und was verbirgt sich dahinter? Hier ein paar der wichtigsten Aspekte:

  • Hinter Ambidextrie steht der Grundgedanke, dass ein Unternehmen, um zu überleben und erfolgreich zu sein, zwei schwer vereinbare Aspekte dennoch miteinander vereinbaren muss:
    • Auf der einen Seite steht die Exploitation, die Fähigkeit der Organisation, sich effizient an den heutigen Geschäftsbedürfnissen auszurichten. Hierzu zählt die effiziente Prozessgestaltung der Produktion ebenso wie die wirksame Ausschöpfung aktuell vorhandener Ressourcen, um das kurzfristige Überleben des Unternehmens zu sichern.
    • Auf der anderen Seite steht die Exploration, bei der es darum geht, sich über die Gegenwart hinaus, fit für die Zukunft zu halten und für zukünftige Veränderungen im Umfeld gut gerüstet zu sein. Es geht darum zu lernen, sich zu erneuern und neue Märkte und Technologien zu erproben.
  • Diese Diskussion ist in der Theorie nicht neu. Bereits 1991 hat March zwei unterschiedliche Arten von Lernen in Organisationen identifiziert, exploration learning und exploitation learning. Während die eine Lernform eher darauf fokussiert, das Bestehende zu verbessern (z.B. Continuous Improvement), geht es bei der anderen um die Fähigkeit, zu lernen stetig Neues zu gestalten.  
  • Forschungsuntersuchungen haben gezeigt, dass Organisationen, die Ambidextrie beherrschen, erfolgreicher sind, als Organisationen, denen diese Fähigkeit fehlt. (z.B. Raisch/ Birkinshaw, 2008) 
  • Eine gute Zusammenfassung und einleitende Übersicht stellt Tushmans Video dar, das man hier findet:

YouTube

By loading the video, you agree to YouTube's privacy policy.
Learn more

Load video

Source: https://youtu.be/c7MwPQWPw6Q

Formen der Ambidextrie

Generell lassen sich drei Formen von Ambidextrie unterscheiden: 

  • Structural Ambidexterity: Unter diesem Begriff wird die strukturelle organisatorische Trennung von Explore- und Exploit-Aktivitäten in einer Organisation verstanden. Während der eine Teil der Organisation auf Exploit fokussiert, kümmert sich der andere Teil der Organisation um Explore Aktivitäten. Dies ermöglicht es, das Dilemma des Paradoxons und Widerspruchs auf das Führungssystem des Unternehmens zu reduzieren.
  • Contextual Ambidexterity: Hierunter wird verstanden, dass das Dilemma nicht nur vom Führungssystem, sondern vom ganzen Unternehmen mit jedem einzelnen Mitarbeiter prozessiert wird. Dies gelingt nur unter einem  bestimmten Umfeld, in dem die Mitarbeiter arbeiten und einer hierauf ausgerichteten Unternehmenskultur, wobei auch hier Führungskräfte eine wesentliche Rolle spielen.
  • Sequential Ambidexterity: Hierunter versteht man ein Vorgehen, in dem eine Organisation den Explore- und Exploit-Modus in zeitlicher Hinsicht trennt. Dabei wird eine gewisse Zeitperiode die Effizienz, die andere Zeitperiode die Innovation betont und gefördert. 

In der Praxis tauchen diese Formen eher gemischt auf, wobei aktuell wohl die strukturelle und sequenzielle Ambidextrie aus Gesamtunternehmenssicht wohl eine größere Anwendung erfährt. Die konzeptuelle Ambidextrie ist häufig nur auf den oberen Ebenen der Hierarchie ausgeprägt, wohingegen auf der operativen Ebene über Rollen, Ziele und Abteilungen klare Zuordnungen zu einem der beiden Pole Explore oder Exploit vorherrschen.

Unser besonderer Fokus im xm-institute gilt derzeit der Contextual Ambidexterity. Nicht zuletzt deshalb, weil es scheint, dass diese stärker auf die Performance wirkt, als dies die strukturelle Ambiedextrie es vermag. (Gibson/ Birkinshaw, 2004)

Haben Sie Erfahrungen und Ideen zum Thema Ambidextrie? Über Rückmeldungen und Anregungen würde ich mich freuen. Weitere Ideen zu diesem Thema folgen in Kürze… 

Quellen

  • Duwe, J. (2017). Beidhändige Führung: Wie Sie als Führungskraft in großen Organisationen Innovationssprünge ermöglichen. Springer-Verlag.
  • Gibson, C. B., & Birkinshaw, J. (2004). The antecedents, consequences, and mediating role of organizational ambidexterity. Academy of management Journal, 47(2), 209-226.March, J. G. (1991). Exploration and exploitation in organizational learning. Organization Science, 2, 71–87. doi:10.1287/orsc.2.1.71
  • Maier, J. (2015). The Ambidextrous Organization: Exploring the New While Exploiting the Now. Springer.
  • O’Reilly, Charles A., and Michael Tushman. Lead and Disrupt: How to Solve the Innovator’s Dilemma. Stanford, CA: Stanford Business Books, 2016.
  • Raisch, S., & Birkinshaw, J. (2008). Organizational ambidexterity: Antecedents, outcomes, and moderators. Journal of management, 34(3), 375-409.

Weitere Blogposts

Research Bites: Ambidexterity und Unternehmensperformance, https://xm-institute.com/xm-blog/research-bites-ambidexterity-und-unternehmensperformance/ 

Leadership Development for stronger organisational adaptability, https://xm-institute.com/xm-blog/leadership-development-for-stronger-organisational-adaptability/

Buchbesprechung: Julia Duwe, Beidhändige Führung, https://xm-institute.com/xm-blog/buchbesprechung-julia-duwe-beidhandige-fuhrung/