Buchbesprechung: Julia Duwe, Beidhändige Führung

Duwe, Beidhändige Führung - Buchrezension - xm-institute - Dr. Oliver MackAmbidexterity, oder auf Deutsch eben “Beidhändige Führung” ist kein neues Konzept in der Managementforschung. Seit den 70er Jahren beschäftigt sich die Wissenschaft und wohl seit Anbeginn der Industrialisierung mit der Frage, wie der Widerspruch zwischen betriebswirtschaftlichen Erfordernissen der Effizienten Ausbeutung von Potenzialen (Exploit) und der EInsatz von Ressourcen zur Schaffung von Neuem (Explore) unter einen Hut zu bringen ist.

Breitere Bekanntheit gewann das Konzept durch das Buch “Lead & Disrupt” von Charles A. O’Reilly und Michael Tushman. Das im Folgenden besprochene Buch von Julia Duwe reiht sich in diese Historie ein und verspricht praktische Lösungsansätze für Führungskräfte in großen Organisationen, um Innovationssprünge zu ermöglichen.

Dei Einleitung beschreibt zunächst die aktuelle Situation, in der sich Unternehmen befinden: Dem Dilemma, der Disruption vieler Märkte ausgesetzt zu sein und damit veränderungs- und innovationsfreudig bleiben zu müssen, andererseits aber auch durch den Einfluß aktueller Entwicklungen, wie sie in vielen Publikationen derzeit als Basis Verwendung finden, immer mehr unter Kosten-, Wirtschaftlichkeits- und Wachstumsdruck bei den bestehenden Produkten und Dienstleistungen zu geraten. Der Lösungsansatz des Buches “heißt Beidhändigkeit durch Kommunikation” und will die Frage beantworten, wie Ambidextrie im Berufsalltag von Führungskräften umgesetzt werden kann. Dabei greift die Autorin auf eigene Erfahrungen und Aussagen von Führungskräften aus deutschen Industrieunternehmen zurück. Eine weitere Basis des Buchs bildet die Forschungsarbeit der Autorin, “Ambidextrie, Führung und Kommunikation.” von 2016.

Nach der Einleitung erfolgt dann im ersten Teil des Buches die theoriegeleitete Einführung des Begriffs der Ambidextrie und deren Konsequenzen in der Organisation. Die vertretene Kernthese lautet, dass Ambidextrie vorrangig durch die Art und Weise der Kommunikation der Führungskräfte in die Organisation getragen werden kann.

Im zweiten Teil des Buches werden auf dieser Basis praktische Handlungsempfehlungen im Führungsalltag aufgezeigt. In drei Kapiteln wird zunächst Kommunikation als “Explore”, dann als “Exploit” und schließlich als “Balance” von beidem dargestellt. Die Autorin hat hierbei das Ziel “dem Leser konkretes Werkzeug an die Hand zu geben, das im Organisationsumfeld schnell und einfach einzusetzen ist.”

Alles in allem stellt das Buch eine lesenswerte Lektüre für Führungskräfte und Studenten gleichermaßen dar, die sich mit der Materie der Ambidextrie etwas näher beschäftigen wollen. Einführende Elemente der Innovation in Zeiten der Digitalisierung sind etwas kurz und stark vereinfachend dargestellt, was nicht zuletzt dem beschränkten Platz und anderen Fokus des Buchs gezollt ist. Gut und praxisorientiert beschreibt das Buch dann in Folge die Konzeption der Ambidextrie mit ihrem Charakter und ihren Formen, sowie als Führungsaufgabe und hinterlegt dies mit Theorieelementen. Im Folgenden erfolgt die Übertragung auf verschiedene Formen und Funktionen der Kommunikation unter Referenz auf die eigene Forschungsarbeit.

Im Hauptteil, der sich in den drei Unterkapiteln mit der Kommunikation in den beiden Modi und deren Integration beschäftigt, liefert die Autorin Modelle, anhand derer Kommunikation jeweils erfolgen sollte. Leider wird dabei versucht, viele aktuell diskutierte Konzepte, wie Design Thinking, Platforms, Business Modelling, Agiles Projektmanagement, etc. mit einzubauen, was leider dem Vorhaben, konkrete und praktische Führungs- und Kommunikationshinweise zu geben, nicht immer hilft. Die Autorin kommt zum Schluss, dass es nicht zwei Formen der Kommunikation von Führungskräften braucht, sondern drei. Die jeweilige Explore und Exploit-Kommunikation reicht insofern nicht aus, sondern braucht eine dritte, balancierende Kommunikation von “Beides”. Für mich ganz persönlich bleibt genau dort das Buch dann auch ein wenig zu vage, wie abschließend im Alltag die Verbindung, das “Beides” in der Kommunikation und im Führungsalltag gelingen kann. Das vorgestellte Modell mit “vier Kernaktivitäten beidhändiger Kommunikation”, schafft zwar ein Raster, das eine gute und pragmatische Orientierung ermöglicht, wobei es m.E. allerdings nicht gelingt, die Ambivalenz und Spannung, die der Ambidextrie im Sinne eines Paradoxons zu Grunde liegt, zu verarbeiten. In Summe liefert das Buch aber eine Fülle an Anregungen und Denkanstößen, die Ideen, Ordnungs- und Orientierungsraster über das Themenfeld bereitstellen.

Duwe, J. (2017), Beidhändige Führung, Springer Gabler:Wiesbaden, 2017

 

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.