Das Buch und die Autorinnen

Grubendorfer - The Real Book of Work - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteDas heutige Buch kommt von einer geschätzten Kollegin aus der systemischen Beratung, Christina Grubendorfer, die mit dem LEA Podcast „Organisationen entwickeln“ vielleicht dem einen oder anderen hier bekannt sein dürfte. Sie ist Diplom-Psychologin und leitete von 2013 bis 2022 laut SWF Webseite Grundkurse bei Simon Weber Friends (simon.weber.de), wo auch andere geschätzte Kollegen, wie Fritz Simon, Gunthard Weber oder die Geschäftsführer Torsten Groth oder Timm Richter aktiv sind. Sie arbeitet nach eigenen Angaben seit 20 Jahren als systemische Organisationsberaterin und hat bereits früher Bücher zum Thema Führung und Kultur veröffentlicht. Umso gespannter war ich auf ihr neues Buch, das sie im Podcast bereits angekündigt hatte. Es ist zusammen mit Christina Ackermann entstanden, die als Informations Designerin und Beraterin für die Illustrationen im Buch verantwortlich zeichnet und so einen schönen und wichtigen Beitrag neben dem Text liefern konnte (doch dazu später mehr). Das Buch ist als Paperback mit rund 270 Seiten bei Vahlen erschienen.

Der Titel „The Real Book of Work“ des Buches trägt provokant ergänzend den Sticker „Wie Organisationen wirklich funktionieren“ und den Untertitel „Organisationen in Not – Warum wir umdenken müssen, um sie in die Zukunft zu führen.“. Zum Vorwort hat sich kein geringerer als Fritz B. Simon, der systemische Lehrer“vater“ von Christina Grubendorfer hinreissen lassen. Dabei weist er auf die Bedeutung des Eigenlebens sozialer Systeme und die Unterschiede zwischen Familien und Organisationen hin. Den ersten Teil des Buchs, in dem die Autorinnen aktuelle Management Ansätze kritisch unter die Lupe nehmen, deutet er mit dem Hinweis, dass in diesen Ansätzen vielleicht die Hoffnung liegt, familienartige Strukturen in aufgabenorientierten Sozialsystemen zu etablieren. Und da sind wir bereits voll in seinem Element: Der Systemtheorie. (Auch wenn ich vielleicht in einer späteren Rezension genauer auf Fritz Simons Basiswerk „Formen“  einmal näher eingehen werde, sei an dieser Stelle zumindest auf dieses m.E. nicht zu überschätzende Standardwerk neben dann anderen unzähligen systemtheoretischen Abhandlungen von ihm hingewiesen.) Diese ist dann auch die Basis für Teil 2 des Buches, in der die Autorinnen auf leichtgängig in die Welt der Organisation(-stheorie) eintauchen.

Die Inhalte

Das Buch gliedert sich neben einer kurzen Einführung in fünf Teile, auch wenn es vorrangig zwei Hauptblöcke, Teil 2 und 4 besitzt. Doch der Reihe nach:

  • Intro in das „Real Book of Work“: Hier bezeichnet die Autorin ihr Buch gleich zu Beginn als Aufklärungsbuch, das Führungskräften die Augen öffnen soll, wie Organisationen wirklich funktionieren. Eine steile Ansage besonders gegenüber Führungskräften, die mit viel Erfahrung und theoriefundiert ihre Organisationen tagtäglich erfolgreich voranbringen. In ihrer Art, die man auch aus den Podcasts kennt, entkräftet sie dann gleich diese Aussage mit dem Hinweis auf eine eher mit „Augenzwinkern“ gemeinte kleine Provokation. Und so soll das gesamte Buch theoretisch fundiert aber auch mit Humor den einen oder anderen Organisationsaspekt näher beleuchten. Auch erklärt die Autorin, was es mit dem Begriff des „Real Books“ auf sich hat.
  • Teil 1 – Organisationen in Not: In diesem Teil führt Grubendorfer kurz in das Wesen von Organisationen ein und macht deutlich, dass es sich eher um ein Lebewesen und Back Box, denn um eine lenkbare Maschine handelt.
  • Teil 2 – Mythen, ihre Inszenierungen und der Blick hinter die Kulissen kann mit seinen gut 200 Seiten als erster Hauptteil des Buches verstanden werden. Hier diskutiert die Autorin provokant 9 Mythen, die sie jeweils in einem Dreiklang näher behandelt: Zunächst wird beschrieben, wie dieser Mythos aus Sicht der Autorin jeweils in der Arbeitswelt inszeniert wird. Im 2. Teil wird dann aufgeklärt, wie die Autorin dies deuten würde und einem 3. Teil gibts dann Tipps für Führungskräfte im Umgang mit dem jeweiligen Mythos. Folgende Mythen, die in ihrer Aktualität der Agilen New Work Bewegung nicht unbedeutend sind, werden vertieft:
    • Mythos #1: Sie brauchen New Work! Wir brauchen New Work! Ihr braucht New Work!
    • Mythos #2: Wir brauchen eine agile Organisation!
    • Mythos #3: Trainiert das richtige Mindset!
    • Mythos #4: Löst die Silos auf!
    • Mythos #5: Mehr Eigenverantwortung bitte!
    • Mythos #6: Wir brauchen den ganzen Menschen bei der Arbeit!
    • Mythos #7: Schafft die Hierarchie ab!
    • Mythos #8: Der schreiende Chef muss weg!
    • Mythos #9: Ein Kulturprojekt muss her!
  • Teil 3 – Was nach der Entmystifizierung bleibt, betont die Notwendigkeit der Unterscheidung als Plädoyer für einen anderen Blick auf Organisationen. Bei geht es nach Ansicht der Autorin darum, z.B. sich von Perfektion zu verabschieden, typische Narrative zu entlarven, den Widerstand der Organisation selbst im Blick zu haben, Auf Wertschöpfung und Strukturen zu achten oder Menschen in Organisationen als Personen zu betrachten. Somit geht es auch darum, Unterscheidungen zwischen Organisationen und anderen Lebensbereichen wie Politik, Familie etc. zu treffen und so die Besonderheiten der Organisation wieder besser zu würdigen. 
  • Teil 4 – Short Dives – In der Welt der Organisationen gehts dann darum, verschiedene Tauchgänge in die Organisation zu bieten, die mit einer systemischen Brille den einen oder anderen Aspekt von Organisation und Führung in einem anderen Licht erscheinen lassen können und so auf eine spielerische Art Facetten von Organisationstheorie vermittelt werden sollen. Grubendorfer geht dabei auf 8 Tauchgänge:
    • Short Dive #1: Wirklichkeitskonstruktionen: zwei mal drei macht vier: Hierbei betont sie unter Rückgriff auf Luhmann, von Glaserfeld und Korzybski nochmals den konstruktivistischen Blick, den wir in der Welt im Allgemeinen und auf Organisationen im Besonderen einnehmen sollten und dass es an uns liegt, nützliche Unterscheidungen zu treffen.
    • Short Dive #2: Komplexität und Selbstorganisation verändern alles beschreibt die Besonderheiten von Komplexität und der autopoietischen Organisation.
    • Short Dive #3: Wie geht es weiter? Mit der Kommunikation?! behandelt, wie der Name schon sagt, die Kommunikation m Luhmann’schen Sinne, welcher sich signifikant vom Alltagsverständnis des Kommunikationsbegriffs abhebt.
    • Short Dive #4: Der Kontext, die Rahmung; Wer sind wir wo? hebt nochmals die Kontextorientierung hervor.
    • Short Dive #5: Prinzipielle Unterscheidbarkeit oder was richtig ist, ist falsch greift die Aussage von Heinz von Foerster auf, dass nur Unentscheidbares entscheiden werden kann und Organisationen und Führung daher die Kompetenz zum Umgang mit Paradoxien braucht.
    • Im Short Dive #6: Spielregeln, Muster und dann? beschreibt die Autorin Organisationen als Spiele und die beobachtbaren Handlungen als Muster.
    • Short Dive #7: Organisationen als Lernarchitekturen geht auf verschiedene Entscheidungsprämissen in der Organisation ein und wie diese für die Organisationsentwicklung genutzt werden können.
    • Im Short Dive #8: Wie hängen Menschen und Organisation zusammen referenziert Grubendorfer auf die strukturelle Kopplung von Menschen und Organisation und thematisiert die Frage, wie Einflussnahme von Menschen auf Organisationen hieraus gedacht werden kann.
  • Teil 5 – Führung als Arbeit am Unternehmen beschreibt abschließend etwas genauer, was Führung als Aufgabe bedeuten kann und wie Führung nun im Sinne einer Gestaltung von Organisationen wirken kann. Der Autorin geht es dabei um die Sicherstellung der Überlebensfähigkeit der Organisation und sie stellt hierzu zunächst einige Denkwerkzeuge vor, das eigene Unternehmen besser zu verstehen. Diese ergeben sich aus den vorgestellten Short Dives. Dann geht es mit einer Fragensammlung an die Vorbereitung der Arbeit in der Organisation. Hierbei kann ein organisationales Prototyping helfen, das sie im Folgenden genauer ausführt. Abschließend bietet Grubendorfer 10 Prinzipien an, die wie in Form des agilen Manifests als „x vor y“ dargestellt sind und die sie für die Arbeit an Organisationen als nützlich empfindet.

Das Fazit

Insgesamt finde ich das Buch eine sehr gelungene und unterhaltende Lektüre, die zwar für systemische Berater nicht viel Neues bietet, für Führungskräfte, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben, einen sehr gelungenen unterschwelligen und praxisorientierten Einstieg in den systemischen Blick auf Organisationen ermöglicht. Und so kann ich das Buch auch vor allem auch dieser Zielgruppe empfehlen. Der Schreibstil ist easy. Wer den Podcast mag, mag auch Grubendorfers Buch. Die Zeichnungen von Christina Ackermann sind eine Bereicherung und regen auch zum ersten Durchblättern an. Ich persönlich hätte mir hier den einen oder anderen intensiveren Bezug zwischen Bildern und Text gewünscht, auch wenn viele der Bilder selbsterklärend sehr gut bestehen können.

Wer also gerne über provokante Thesen zur Organisation und aktuellen Organisationstrends in das Thema einsteigen möchte und wer Freude an einer Sammlung verschiedenster Tauchgänge in die Organisation hat, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. 

Grubendorfer, Christina/ Ackermann, Christina (2023). The Real Book of Work. Vahlen: München.

 

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Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.