Mit zunehmendem Mainstream zur Digitalen Transformation erscheinen nun auch fast täglich Bücher zu diesem Thema. Verschiedenste Gruppierungen veröffentlichen Empfehlungen, wie sie die Digitale Transformation erfolgreich bewältigen würden (Berater), bewältigt haben (Pioniere), leben (Start-Ups) oder verabscheuen (Ignoranten und Digitalisierungsgegner). Alle haben verschiedene Blickrichtungen auf ein Thema das uns alle betrifft und daher war ich umso gespannter, welchen Blickwinkel das nun vorgestellte Buch einnehmen wird.

Das Autor Ömer Atiker ist Redner und Berater im Bereich digitales Marketing und wie er im Klappentext sagt,  “seit Steinzeiten” online. Im Vorwort, hier marketing-like “Beipackzettel” genannt, begründet der Autor, wofür es ein Überlebenshandbuch braucht, wie folgt: Im Digitalisierung-Dschungel braucht es Ideen, wie mach Feuer macht und Wasser findet und das Buch liefert konkrete Anweisungen “Wie machen sie etwas, worauf müssen sie achten, und was ist die Richtige Reihenfolge.” Gut, dass Atiker am Ende der Einführung realistisch und bescheiden konstatiert, dass auch er den heiligen Gral der Digitalisierung nicht gefunden hat.

Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile:

  • Aufbruch in Digitale Zeiten
  • Die Digitale Organisation
  • Die Innovationstoolbox

Vor den drei Hauptteilen geht es zunächst um die Frage, was die Digitale Transformation überhaupt ist und wie es den Leser betrifft. In einer Kombination aus guter Grundlagenerklärung und VWL Grundkurs greift Atiker gut Themen und Begriffe wie Industrie 4.0 und Digitalisierung auf und nutzt den Dreisprung “Verbessern, Erweitern, Entdecken” den er als den als “Digital Circle” bezeichnet, um zu beschreiben, wo bei der Digitalisierung angesetzt werden kann.

Teil 1 soll dann zunächst Orientierung geben und widmet sich der Frage, wie man eine Digitalstrategie entwickelt und alle auf diesem Weg mitnimmt. In einem ersten Schritt geht es um das Verständnis von Strategie und Geschäftsmodell generell. Hier wird sehr einfach eingestiegen und der Ansatz ist auch von Pragmatikern mit wenig Theorie-Ausbildung gut nachvollziehbar. Einfache “Rezepte” wie ein “Digital Strategy Map” Canvas oder Dreisprünge, wie “gesucht, Gekauft, Genutzt” oder “Wer wollen sie sein?”, “Was wollen sie sein?” Helfen dem Praktiker eine gute Struktur für strategische Fragen zu finden. Irritierend mutet die wiederholte Verwendung der gleichen Basis-Grafiken im Buch an und man stellt sich kurzzeitig die Frage, ob man sich nicht verblättert hat oder einen Fehldruck in den Händen hält. Hier hätte m.E. ein Verweis auf die erste Grafik genügt. Das zweite Kapitel widmet sich gezielt dem Thema Strategie-Klausur bzw. Digital-Klausur und gibt hier ein paar grundlegende Hinweise, wie diese im Sinne einer guten Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung gestaltet werden kann. Jedes Kapitel ist mit einem “Wissen to go” Kasten abgeschlossen, der mir persönlich teilweise etwas zu inhaltsleer ist und ein wenig mehr Zuneigung verdient hätte. Aussagen wie “Ein Geschäftsmodell ist gut, weil es Input und Output verbindet. Das sollte man immer vor Augen haben.” klingen für mich als eingefleischten Kaufmann eher merkwürdig. Ob ich am Ende des ersten Kapitels konkrete Klarheit habe, wie ich eine Digitalstrategie entwickeln kann, weiss ich nicht. Positiv ist es, dass hier mehr Fragen gestellt, als Antworten gegeben werden, was m.E. für das Thema Digitalisierung richtig ist und auch so im Vorwort angekündigt wurde. Dass die bereitgestellten “Skelette” genügend halt geben, eigenständig “Feuer zu machen”, glaube ich nicht.

Teil 2 soll Perspektive aufzeigen, welche Form der Organisation für die Digitalisierung geeignet schein. Zunächst wird auf das Thema Unternehmenskultur eingegangen. Hierzu wird die Culture Map von Osterwalder/ Gray als “trügerisch einfacher Ansatz” zitiert. Leider bleibt in diesem Kapitel offen, ob der Autor diesen Ansatz nun als trügerisch einstuft oder aber als sinnvoll und nützlich, um an der Kultur des Unternehmens wirklich zu arbeiten. Weiter geht es auf der Reise durch den Dschungel mit Themen wie Vertrauen, Silo-Denken oder Fehlerkultur. Alles wichtige Themen, die auch unabhängig vom Thema Digitalisierung für das erfolgreiche Überleben von Unternehmen wichtig sind. Auch dieses Kapitel ist sehr “hands-on” geschrieben und simplifiziert stark. Dies führt auch hier zu sehr pauschalen Aussagen, wie “Normalerweise sollten Sie eine bestehende Struktur nicht von einem Tag auf den anderen komplett umkrempeln.” oder “Wenn die aktuelle Organisationsform gut funktioniert (man hat sich ja etwas dabei gedacht) und auch in absehbarer Zukunft gut passen wird, dann muss an der Stelle gar nicht so viel verändert werden.” Weiter geht es mit Themen wie der Bildung einer Digital Unit (DU), die neue Rolle der Führung und der Umgang mit Veränderung und der Job des Chief Digital Officer (CDO) sowie das Thema Kommunikation. Ein letztes Kapitel beschäftigt sich mit Aspekten zum Thema Mitarbeitern. Auch beim Lesen dieses Kapitels sehe ich als Zielgruppe des Buches vor allem kleine pragmatische Mittelständler.

Teil 3 soll dann die Werkzeuge für die Umsetzung liefern. Hier finden sich verschiedene einfache Checklisten und Bewertungsverfahren zum Assessment der Organisation, Spider-Diagramme als Tool zur Gap Analyse oder der Innovationsprozess als Alpha, Beta, Gamma Schritte. Beratertools wie eine “Fieberkurve” gesellen sich zu Checklisten und weiteren Inhalten. Hier hätte ich mir eine bessere Strukturierung und Ordnung im Buch gewünscht.

Alles in allem ist das Buch eine gut und zügig zu lesende Abhandlung zu aktuellen Managementfragen. Es richtet sich m.E. vor allem an kleinere Mittelständler, die sich diesem Thema nähern wollen. Es ist unterhaltsam und mit Charme geschrieben und mit dem einen oder anderen Beispiel ergänzt. Negativ aus meiner Sicht ist ein wenig die fehlende Konsistenz für der gewünschten Zielgruppe: Professionell geführte, größere Mittelständler, die sich z.B. eine Digital Unit oder einen Chief DIgital Officer leisten können, werden m.E. im Buch zu wenig fündig, da die Themen sehr oberflächlich und pauschal bearbeitet werden. Kleinere Mittelständler, denen die sehr vereinfachende Schreibweise des Buchs entgegenkommt, würden sich wohl das eine oder andere Thema etwas konkreter wünschen und dafür auf den einen oder anderen Themenkomplex verzichten. Mir persönlich erscheint das Buch stark als ein Sammelsurium guter und interessanter Aspekte, die derzeit allesamt im Zusammenhang mit Digitalisierung diskutiert werden. Was mir fehlt, ist ein ausgeprägterer spezieller Erkenntnismehrwert durch dieses Werk. Viele der Aspekte stellen “Gutes Management” dar, zielen mir aber viel zu wenig auf die Frage der Digitalisierung ab, so dass der Titel des Buchs hier für mich nicht ganz zum Inhalt passt. Als pragmatischen Denkanstoß zum Thema für Pragmatiker ist das Buch jedoch gut zu empfehlen.

Atiker, Das Survival Handbuch Digitale Transformation, Frankfurt/ New York: Campus 2018


Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.