Gunter Dueck - Keine Sinnfragen, bitte! - Rezension - xm-institute - Dr. Oliver MackDas Buch und der Autor

Ich bin schon lange ein Fan unseres heutigen Autors. Das muss ich wohl vorausschicken. Und nicht nur ich – Gunter Dueck ist wohl vielen inzwischen ein Begriff. Mathematik-Professor und bis 2011 CTO bei IBM Deutschland. Und seit seinem Weggang von IBM treibt Dueck nun sein (Un-)Wesen im (Un-)Ruhestand unter anderem als Blogger, Keynote Speaker und Autor. Mit scharfsinniger Beobachtungsgabe, visionärem Weitblick und spitzer Zunge zeigt er nun seit Jahren Missstände der Digitalisierung in Deutschland und dysfunktionale Dynamiken in Großorganisationen auf. Eine Vielzahl von Büchern hat er hierzu schon geschrieben und seine Keynotes sind legendär. Bevor wir in sein aktuelles Buch einsteigen wollen wir denjenigen, die ihn noch nicht kennen sollten, eine kleine Auswahl seiner Werke und Taten nicht vorenthalten.


Quelle: Youtube – re:publica 2019 – Gunter Dueck: Identifikation von Bullshit und Wert


Quelle: Youtube – Großartiger Vortrag von Prof. Gunter Dueck über die “McDonaldisierung” der Wirtschaft bei #SHIFT19

Das neueste Buch von Gunter Dueck ist wieder bei Campus erschienen und ich habe mich wieder einmal sehr darauf gefreut etwas von ihm zu lesen. Es liegt als Paperback vor und umfasst rund 220 Seiten. Also steigen wir gleich ein…

Der Inhalt

Die Grundidee des Buches ist einfach: Unsinn in Unternehmen “hat viele Farben”. So auch die Überschrift der Einleitung des Buchs. Die Frage ist nur, wie Organisationen damit umgehen. Und hierzu unterscheidet Dueck nach der guten alten Notenskala nach “Ausreichend-Unternehmen” und “Exzellente Unternehmen”. Was beide unterscheidet, ist die Art und Weise, wie mit Fehlern und Prozessen umgegangen wird. Während in “Ausreichend-Unternehmen” laut Dueck nur “Ausreichend-Manager” arbeiten, lautet die Antwort auf das Hinterfragen von Prozessen und Themen häufig: “Keine Sinnfragen bitte, einfach machen! – Ich weiß auch nicht wofür, also weiter…” und daher rührt auch der Titel des Buches. Es geht somit weniger um die Purpose Welle, die heute durch die Berater und Unternehmenswelt schwappt, sondern vielmehr um die einfach Frage, womit man sich in Organisationen beschäftigt und wie sich dies auf die Exzellenz der Leistungen der Organisationen auswirkt. Hierzu hat er nach der Einleitung 31 heitere Episoden bereitgelegt, die das Phänomen unsinniger Arbeit plastisch beschreiben. Jede Episode umfasst 5-10 Seiten und kann gut auch mal zwischendurch gelesen werden. Es geht um Themen wie der Loser-Talk, Sauce-Béarnaise-Syndrom,, Boreout in Meetings oder Manager, die nach oben in der Hierarchie zum widerspruchslosen “Wackel-Dackel” werden und bei einer Kritik gegen ihre Person oder ihre Entscheidungen durch Mitarbeitende zum Wolf und somit zu “Dackel-Wölfen”. Wortkreationen wie diese durchziehen das Buch. Seien es “Chief Wasweißich Officers”, “Systemic Underdelegation”, “Performance-Shaming”, “Neurotic Leadership Programming” oder Organisationen, die das organisieren verhindern. Für Unterhaltung ist in den 31 Episoden sicherlich gesorgt.

Das Fazit

Für alle diejenigen, die Gunter Dueck noch nicht kennen oder noch wenig von ihm gelesen haben, sei das Buch wärmstens empfohlen. Wieder ein echter Dueck. Auch diejenigen, die Schmunzeln und gleichzeitig Reflektieren und Lernen wollen, kommen auf ihre Kosten. Die kurzen Episoden laden dazu ein, zwischendurch konsumiert zu werden und mit einer gehörigen Portion Humor zum Nachdenken angeregt zu werden. Diejenigen, die wie ich, Gunter Dueck bereits intensiv “kennen”, finden leider nicht allzu viel Neues. Auch wenn die “Ausreichend”-Idee in ihrer neuen Form einfach, prägnant und bestechend ist, sind die Beispiele doch ähnlicher Natur, wie Duecks Beobachtungen und Kritik in seinen anderen Büchern. Die Schwerpunkte sind in diesem Buch ein wenig anders gesetzt, weniger auf Innovation und Digitalisierung und mehr auf Management. Die Beispiele sind ein wenig anders, als in den bisherigen Büchern, doch ähnlich in ihrer Natur und im Kern geht es wieder um die Unzulänglichkeiten großer Konzerne und eines mittelmäßigen Managements. Doch auch als Dueck Kenner genießt man immer wieder gerne den Wiedererkennungseffekt aus den eigenen Arbeits-Erfahrungen, schmunzelt, schüttelt den Kopf und bleibt oft ratlos.

Doch gräbt man mit einer systemischen Beraterbrille etwas tiefer, so komme ich zu folgenden Gedanken, die das Problem zusammenfassend beschreiben:

1. Organisationen sind störrische Luder und führen häufig ein Eigenleben, das sich durch Individuen oder Teams nicht so leicht durchbrechen lässt, auch wenn man sich noch so abmüht. So sind soziale Systeme eigenständige Konstrukte, die es getrennt von der Individual- und Teamebene zu betrachten gilt.

2. Würden Führungskräfte und Mitarbeitende immer nur mit einem gesundem und sachlichen Menschenverstand an Themen herangehen wäre alles gut und die Großkonzernwelt vielleicht etwas besser. Doch müssen wir damit leben, dass Menschen neben den Organisationszielen auch immer wieder eigene Ziele und Ziele ihres (kleineren direkten) Verantwortungsbereichs verfolgen. Und so können wir nur mit einer Haltung an dieses Thema herangehen, in der wir, wie Albert Camus schon sagte, Sisyphus uns als einen glücklichen Menschen vorstellen müssen. Es ist und wird nirgends “perfekt”, doch bedeutet dies nicht, aufzugeben und diese Perfektion nicht anzustreben.

3. Und so folge ich auch Dueck mit seiner These, dass wenn mehr Organisationen, wie der Autor es nennt, nach “Exzellenz” statt “Ausreichend” streben würden, es weniger Unsinniges in der Unternehmenswelt gäbe. Und hier schließt sich wieder der Kreis zum “Lean Management”: Asiatisch betrieben ist sich jeder Mitarbeitende bewusst, dass eine “Zero Defect” Strategie in der Realität völlig unrealistisch ist, aber in der Praxis die Exzellenz, die hinter der Art und Weise einer Arbeit steckt, diese Null-Fehler anzustreben, im Alltag eine gute Richtschnur für das Handeln bieten kann.

Um nochmal auf das eigentliche Thema, nämlich Gunter Dueck Buch zurückzukommen: Also alles in allem ein Buch, dass man getrost jeder Großkonzern-Führungskraft und -Mitarbeitenden unter den Weihnachtsbaum legen kann. Es hält Vielen und Vielem charmant den Spiegel vor und lädt vielleicht so dazu ein, in der eigenen Organisation etwas mehr über spezifische Lösungen nachzudenken. Vielleicht liefert Dueck gerade deshalb auch so wenige Patentlösungen, die es für komplexe Probleme eh nie geben kann.

Dueck, Gunter (2022). Keine Sinnfragen, bitten! Wir arbeiten leidenschaftlich für die Tonne. Campus: Frankfurt/ New York.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.