Arist von Schlippe - Das Karussell der Empörung - Konflikt - Rezension - xm-institute - Dr. Oliver MackDas Buch und der Autor

Heute geht es um ein Buch zum Thema Konflikt. Hierzu wurde schon viel geschrieben. Viele Standardwerke sind vorhanden. Auch der Autor des heutigen Werks, Arist von Schlippe hat sich dem breiteren Feldern dieses Themas schon vielfältig angenommen und kann als Kenner der Materie beschreiben werden. 

Prof. Von Schlippe ist Diplom-Psychologe und Inhaber des Lehrstuhls für Führung und Dynamik von Familienunternehmen” am Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) der Universität Witten/ Herdecke. 

Das Buch ist soeben in Hardcover und als eBook bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen und umfasst rund 250 Seiten. Es ist in 24 Kapitel und 4 Teile unterteilt und wird von einem Geleitwort und einem Vorwort als “Gebrauchsanweisung” sowie einem Literatur- und Stichwortverzeichnis umschlossen.

Doch steigen wir in die Inhalte genauer ein.  

Der Inhalt

Bereits zu Beginn weist von Schlippe darauf hin, dass es sich bei seinem Buch nicht um einen weiteren Ratgeber zur Konfliktmediation und -bearbeitung handelt und zählt weiter hinten zahlreiche aus seiner Sicht gute Ratgeber auf. Vielmehr geht es dem Autor mit seinem Buch darum, die Konfliktdynamiken selbst als Basis für eine Konfliktlösung oder Mediation tiefer zu ergründen und verständlich in ihren Facetten aufzuarbeiten. Er nutzt hierzu die Karussell-Metapher, nach der sich Konflikte mit den Betroffenen als Gästen immer schneller drehen und eskalieren. Nicht mehr die Betroffenen, sondern der Konflikt als “Parasit” übernimmt als eigenständiges soziales System das Ruder und lädt die Konfliktparteien zu immer neuen Eskalationen ein.

Teil 1 “Keine Angst vor Theorie” beschäftigt sich in den ersten fünf Kapiteln mit den Grundlagen von Konflikten. Hierzu erläutert von Schlippe zunächst die Merkmale und Form eines Konflikts und geht auf die Theorie der Erwartungen und Erwartungs-Erwartungen ein. Dann stellt er den Begriff der Empörung als Motor des Konfliktkarussells vor. So beginnen Konflikte immer dann, wenn unterschiedliche Erwartungen aufeinandertreffen, die mit einer “normativen Forderung einhergehen:’Du solltest aber meinem Wunsch folgen!’ [und diese] (…) Erwartungen sich zu Ansprüchen verdichten können, die dann mit entsprechenden Emotionen einhergehen.” (Schlippe, 2022, S. 57)

Empörung entsteht oft dann, wenn etwas dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden entgegen läuft. Ein Kapitel zu Kommunikation und grundlegenden Aspekten zu sozialen Systemen und eines zum Thema Kausalität runden den ersten eher theoretisch geleiteten Teil ab.

Im Teil 2 “Karussellfahren – Los geht’s!” Beschreibt der Autor in x Kapiteln aus einer psychologischen Brille verschiedenste Vorgänge, die in Konflikten ablaufen. Dabei geht es um verschiedene Mechanismen, die der Evolution geschuldet bevorzugt in Individuen ablaufen und dabei auch ungewollt zur Eskalation von Konflikten beitragen. Es geht um Aspekte wie das Denken, Fühlen, Wahrnehmen und Erinnern und beschreibt Phänomene, wie Zirkularität, enttäuschte Erwartungen, eingeschränkte Wahrnehmung und Dämonisierung des Anderen ebenso, wie “Gefährliche Gedanken”, Beschleunigung der Kommunikation bis hin zur Möglichkeit transgenerationalen Weitergabe von Konflikten. Dabei sind nicht nur individuelle Konflikte, sondern auch Konflikte zwischen Gruppen bis hin zu Kriegen immer wieder Thema der Ausführungen. Interessant, dass Arist von Schlippe den Konflikt schließlich als eigenes parasitäres System beschreibt, das wie zwischen den Konfliktparteien entsteht und eine Art Eigenleben führt und die Konfliktparteien auf seine Art und Weise immer wieder zur Eskalation verführt. Aus meinem SySt Hintergrund heraus sehen wir Konflikte zunächst nicht als etwas separates, sondern eher als eine Art Spannung, die von einer Person als unangenehm empfunden wird. Vordergründig scheint hier ein unterschiedliches Verständnis, doch ich kommen hierauf nochmals zurück.

Im 3. Teil “Wege im Konflikt – Der mögliche Ausstieg” diskutiert der Autor dann doch Ansätze Konflikte zu lösen, wobei er gerade hier betont, dass es ihm weniger um einen Praxisleitfaden oder Werkzeugkoffer mit den verschiedensten Interventionsmethoden geht, sondern eher um Denkwerkzeuge, wie mit einem Blick auf einen Konflikt wie in Teil 1 und 2 skizziert wohlwollend und konstruktiv umgegangen werden kann. Er spricht hier von “Denkwerkzeugen”, was es sehr gut trifft. (Schlippe, 2022, S. 17) In sechs Kapiteln gehts von einer Klarstellung, dass Empörung per se nicht immer zu verteufeln ist zur Frage, wie eine Art des Consciousness Raising”, Entautomatisierung und Selbstarbeit aussehen kann. Und hier schließt sich auch der Kreis für mich persönlich wieder zu meiner SySt Definition, die vorrangig die Basis für die Arbeit an sich selbst und nicht am Anderen legt. Von Schlippe gibt wertvolle Tipps, wie man sich den in Teil 2 genannten Dynamiken und Automatismen widersetzen kann. Er betont die Bedeutung von Pausen, von Sprache oder der Macht der Frage des “Wofür?”, um nut einige zu nennen. Auch die Bedeutung des Wechsels der Betrachterposition und die Einführung eines hilfreichen “Dritten” wird beleuchtet.

Im lediglich drei Seiten umfassenden vierten Teil stellt der Autor “Zehn Empfehlungen für den Umgang mit Konflikten” dar, eine Liste, die er seinerzeit einmal, wie er sagt, zusammen mit Thorsten Groth entwickelt hat. (Von Schlippe, 2022, S. 227). Sie dient als schöner Abschluss und lose Zusammenfassung.      

Das Fazit

Alles in allem ein schön und leicht zu lesendes Buch zum Thema Konflikt, das trotz fehlendem Rezeptcharakters viel Ansatzpunkte liefert Konflikte umfassender zu verstehen und auf sie einzuwirken. So ist das Buch auch all denjenigen empfohlen, die sich häufiger mit dem Schlichten von Konflikten beschäftigen (müssen?), wie Mediatoren, Beratern, etc., aber auch all denjenigen, die sich gerade in nicht auflösbaren Konflikten befinden. Alleine der umfassende schonungslose und nicht urteilende Blick auf die Dynamiken von Konflikten erleichtert es den Parteien, dies vielleicht zu deeskalieren.

Das Buch kommt ohne viele Bilder aus, obwohl einige Karikaturen und Zeichnungen von Björn von Schlippe dasselbe immer wieder schön auflockern. Auch die Idee des Randsymbols “Konflikt-Notizbuch”, das auf den Minimalumfang notierenswerter Gedanken hinweist, ist eine schöne Idee, auch wenn ich mir letztendlich deutlich mehr stellen in mein Notizbuch notiert habe.

Schlippe, Arist v. (2022). Das Karussell der Empörung: Konflikteskalation verstehen und begrenzen. Vandenhoeck&Ruprecht: Göttingen.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.