Thiel - Linnepe - Systemische Führungskräfte-Entwicklung - Rezension - xm-institute - Dr. Oliver MackHeute geht es um ein neues Buch aus der “Blauen Reihe” des Schäffer-Poeschel Verlags. Sie steht für Bücher zum Thema “Systemisches Management” und so passt auch das Buch von Mark Thiel und Heike Linnepe in diese Kategorie. Es geht um das Thema “Systemische Führungskräfte-Entwicklung” und trägt den Untertitel “Die summative Kraft der Führung leben”.

Die beiden Autor*innen sind systemische Berater im Bereich Führung und Organisation und nennen ihren im Buch beschriebenen Ansatz zur Führungskräfteentwicklung den “Sieben Stufen Prozess”.  Doch das gleich mehr. Das Buch umfasst etwas über 200 Seiten und 15 Kapitel.

Der Inhalt

Nach einem ersten Einleitungskapitel, geht es im Kapitel 2 um die Grundlagen der wie sie es nennen “Systemischen und Soziokybernetischen Führungskräfte-Entwicklung”. Dabei betonen sie einerseits den Beziehungsaspekt der Führung, andererseits die Komplexität des sozialen Systems Organisation und der Führungsarbeit selbst. Auch wenn ich die beiden Aspekte in ihrem Grundsatz unterstütze, so reicht mir die knappe Argumentation des Einstiegskapitels als fundierte Basis für das Sieben-Stufen-Vorgehen nicht aus und ich hätte mir hier ein wenig mehr “Basisfundament” gewünscht, auf das man dann später im Buch Bezug nehmen könnte. Hinter dem “Sieben Stufen Prozess” verbirgt sich ein Vorgehen zur Führungskräfteentwicklung das, wie die Autor*innen schreiben, dazu dient, die Kommunikations- und Beziehungskultur zu analysieren und sichtbare und unsichtbare Konflikte aufzuspüren und zu lösen. 

Dies erfolgt in sieben Stufen, die in den Folgekapiteln beschrieben werden:

Im Kapitel 3 geht es klassisch unter dem Titel “Auftakt” knapp und bündig um das Thema Auftragsklärung.  

Kapitel 4,5 und 6 beschreiben die ersten drei Stufen des Prozesses, wobei in unterschiedlichster Art und Weise die verschiedenen Hierarchieebenen der Organisation zunächst separat mit den Coaches zusammenkommen. Die Kapitel beschreiben jeweils unterschiedliche bekannte Tools, die auf den jeweiligen Ebenen angewendet werden, wie z.B. die Themenzentrierte Interaktion (TZI), die 4 Ohren und das innere Team von Schultz von Thun, die Teamuhr, einfache Skalenaufstellungen und weitere klassische Tools. Diese werden beschrieben und die Kapitel mit jeweils entsprechenden Beispielen aus der Praxis abgerundet.

In Kapitel 7, 8, 9 geht um die nächsten drei Stufen. Hier treffen sich dann die Geschäftsführung mit den Bereichsleitungen und den Coaches, die Bereichsleitungen mit den Abteilungsleitungen und Coaches und schließlich die Geschäftsführung mit Bereichsleitungen, Abteilungsleitungen und Coaches. Auch hier werden wieder viele Klassiker der systemischen Arbeit vorgestellt und mit Beispielen hinterlegt, wie das Reflecting Team, Fishbowl oder die Maslow’sche Bedürfnispyramide.

Kapitel 10 beschreibt Stufe VII des Prozesses, der mit “Alle treffen alle und noch mehr…” überschrieben ist. Hier dürfen sich dann alle Ebenen treffen und entsprechend den bisherigen Prozess reflektieren, gemeinsam arbeiten und den Transfers sicherstellen. Die Autor*innen nennen das Arbeiten auf dieser Stufe “Schwarmintelligenz”.

Kapitel 11 beschreibt Beispiele von Teamentwicklungen, Kapitel 12 ist mit “Die finale Stufe: Erarbeitung der Unternehmens-Sinn-Vision und der Führungsgrundsätze” überschrieben. In Kapitel 13 gehts um die “Evaluierung im Anschluss” um die Frage, wie man eine Bewertung dieses Prozesses durchführen kann. Kapitel 14 und 15 ist ein Schlusswort und ein Ausblick. Ferner gibt es einen Anhang mit weiteren Materialien und Quellen sowie und ein Stichwortverzeichnis.

Mein Fazit

Eine eindeutige Bewertung dieses Buches fällt mir in mehrfacher Hinsicht nicht leicht. Ich selbst arbeite als systemischer Berater in der Entwicklung und Transformation von Organisationen, Teams und Führungskräften und jeder Berater hat hier seinen eigenen individuellen Ansatz und seine Vorgehensweisen, die für ihn erfolgversprechend und wirksam sind. Auch die Haltung und Schule, in der man sich bewegt, ist hier ausschlaggebend. So würde ich ganz persönlich mit meinem lösungsfokussierten, hypnosystemischen und komplexitätstheoretischen Hintergrund und SySt(r) zwar Einiges anders machen, doch kenne ich auch andere sehr erfolgreiche Kolleg*innen, die ähnliche Tools und Ansätze wie im Buch beschrieben in ihren Programmen nutzen. Einige der Tools und Ansätze sind “altbewährt” und gehören somit zum “Standardrepertoire” eines systemischen Beraters. So ist auch das Buch gut für diejenigen Leser geeignet, die sich neu mit der Materie beschäftigen und “klassische” systemische Tools auch anhand von guten Beispielen erklärt haben möchten. Dies ist meines Erachtens sehr gut gelungen. Auch die hierzu bereitgestellte Liste aller besprochenen Tools zu Beginn eines jeden Kapitels hilft hierbei.

Ein zweiter Aspekt neben den einzelnen Tools ist der “theoretische Unterbau” oder der Begriff der “Soziokybernetischen Führungskräfteentwicklung”. Hier hätte ich mir noch umfangreichere Ausführungen zu Beginn mit entsprechender Quellenvielfalt und dann im Text eine noch stärkere Bezugnahme auf dieses Fundament in den einzelnen Praxisbereichen gewünscht, wenn eine Theorieverortung mit diesem Begriff geschieht.

Ein dritter Aspekt ist der beschriebene Siebenstufen-Prozess. Die sehr aufwändige Arbeit mit diesen vielen Schritten und unterschiedlichsten Gruppen- und Hierarchieebenen-Konstellationen finde ich interessant, hat ihren Charme und würde ich auch aus meiner Sicht von der Grundidee der unterschiedlichen Vernetzung unterschiedlicher Hierarchie-Ebenen in der einen oder anderen Form unterstützen. Allerdings könnte ich ihn bei vielen meiner Klienten aufgrund des notwendigen Zeitrahmens und Aufwands gar nicht oder nur sehr eingeschränkt verkaufen. Hier erwarten immer mehr meiner Klienten kompaktere und doch wirksame Formate, die die Vernetzung und Arbeit über alle Führungsebenen hinweg mit geringerem Aufwand möglich machen. Als umfassendes Gedankenexperiment finde ich es allerdings durchaus reizvoll, auch wenn mir die Abgrenzung der einzelnen Inhalte in den Stufen mit den damit verbundenen Tools für mich nicht immer ganz einsichtig war.

Alles in Allem also in meiner persönlichen Einschätzung ein gemischtes Urteil. Für systemische Berater, gerade Neueinsteiger ein lesenswertes Werk, um klassische systemische Führungskräfte-Entwicklung in einer umfassenden und umfangreichen Form kennenzulernen. Für alte systemische Hasen interessant zum Vergleich und Abgleich mit den eigenen Ansätzen. Und somit einen Blick wert.

Thiel, M./ Linnepe, H. (2021). Systemische Führungskräfte-Entwicklung. Schäffer-Poeschel: Stuttgart.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.