Viel war in der Presse von diesem Experiment in Bielefeld die Rede: Ein 5-Stundentag in einer Digitalagentur. Bevor ich das Buch zu lesen begonnen habe, hatte ich schon 2-3 Artikel über Lasse Rheingans gesehen, detailliert gelesen wäre zu viel gesagt. Umso mehr freute ich mich auf sein Buch, um mehr über das Experiment zu erfahren. Das Buch ist weniger Sachbuch, als ein Erfahrungsbericht und Geschichte aus Sicht von Lasse Rheingans – über seinen Werdegang, seine Ideale und sein Experiment. Lasse Rheingans entschied in seiner Digitalagentur die Arbeitszeit für alle von 8 auf 5 Stunden, bei vollem Lohnausgleich, aber auch bei voller Verpflichtung der Mitarbeiter zur gleichen Arbeitsleistung, zu reduzieren. Wie kann das gehen, fragt man sich. Nun ja, das Buch gibt wertvolle Hinweise.

Der Beginn des Buchs beschreibt zunächst das sogenannte TINA Prinzip: “There is no alternative”. Es beschreibt umfassend und gut verständlich den aktuell vorherrschenden Mindset zum Thema Arbeit, Arbeitszeiten und die Entlohnung von Arbeit nach der Zeit. Letzerer ist nicht so alt wie gedacht und wurde erst mit der Industrialisierung flächendeckend umgesetzt. Heute ist die Gleichsetzung von (Anwesenheits-)zeit und Leistung weitestgehend Standard. Auch wird die aktuelle Entwicklung mit den Themen Automatisierung, Digitalisierung und Generation Y umfassend aufgegriffen. Daneben geht es dem Autor immer wieder um seine Sehnsucht, nicht “alternativlos” die Idee eines 12-15 Stundentags im Agenturgeschäft hinzunehmen, sondern auch Zeit für sich, andere Interessen und Familie zu haben.

Nachfolgend beschreibt Lasse Rheingans dann seinen Werdegang und seine Erlebnisse aus dem Unternehmensalltag, die er bei seinen ersten Arbeitgebern hatte. Er musste noch einige Jahre warten, bis sich ihm die Chance bot, ein Unternehmen zu übernehmen und so als Eigentümer die Freiheit zu haben, seine Ideen eine kürzeren Arbeitszeit und damit einer besseren Work-Life-Balance auszuprobieren.

So war es dann der 15. September 2017, als er den Kaufvertrag für seine eigene Agentur unterschrieb. Er übernahm ein Unternehmen mit allen Mitarbeitern in vollem Betrieb und war zunächst damit beschäftigt, die Belegschaft für sich zu gewinnen, die Akquise zu stärken und sich im neuen Umfeld als Agenturchef zurechtzufinden. Und so schlich sich, wie Lasse berichtet, mit einem 12-15 Stunden Tag und Wochenendarbeit TINA wieder ein. Dennoch startete er dann nach einiger Zeit sein Experiment und verkündete seinen staunenden Mitarbeitern, dass alle von nun an nur noch 5 Stunden am Tag konzentriert arbeiten sollen, und dies bei gleichem Gehalt. Im Rest des Buchs beschreibt er seine Erfahrungen und Eindrücke, gibt Tipps und Hinweise und reflektiert über gemachte Fehler und die Learnings daraus. Er verherrlicht nichts, zeigt auch Probleme und Herausforderungen klar auf und so wird das Buch nicht nur zu einem Beschreibung seines Experiments, sondern auch zum Leitfaden für ähnliche Experimente. Die Idee, Bezahlung wieder von der Arbeitszeit zu entkoppeln und wieder stärker nur an die Leistung zu binden und die Zeiteinteilung jedes Einzelnen stärker zu flexibilisieren, hat Charme und verdient in Zeiten der Digitalisierung und zunehmenden Automatisierung breiterer Beachtung.

Realistisch berichtet Lasse am Ende des Buches dann auch von ähnlichen Experimenten, die teils erfolgreich, teils nicht erfolgreich waren. Ich hoffe sein Buch macht Mut, ähnliches auszuprobieren und die Erfolgschance mit seinen Hinweisen zu erhöhen.

Alles in allem ein angenehm zu lesendes Buch, weniger Sachbuch als individueller Erfahrungsbericht. Zügig lesbar und motivierend für ein “Andersdenken” und weniger TINA.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.

Lasse Rheingans. Die 5 Stunden Revolution. Campus 2019.