Das Buch und der Autor

Eckhard Jann - Fehler Eins - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteAls Berater und Manager waren vor der COVID Krise vier Flüge oder sogar noch mehr pro Woche keine Seltenheit. Während sich Gelegenheitsflieger wie Urlauber oder Menschen mit Flugangst extreme Gedanken darüber machen können, ob sie denn heil ans Ziel kommen, scheint es für Vielflieger selbstverständlich. Doch dies ist nicht automatisch gegeben – die Luftfahrtindustrie arbeitet seit Anbeginn hart daran, mögliche Fehler zu vermeiden oder zumindest auf ein Minimum zu reduzieren.

Der Autor unseres heutigen Buchs, Eckhard Jann, ist Flugkapitän, Berater und Trainer und langjähriger gefragter Sicherheitsexperte in der Luftfahrt.

Sein soeben bei Vahlen erschienenes Buch “Fehler Eins” ist mit der Unterüberschrift “Alles beginnt aus einem Grund” überschrieben. Es untersucht das Phänomen, dass in einer komplexen Welt Fehler gravierende Auswirkungen haben können, welche meist auf einer ganzen Fehlerkette beruhen. Dabei möchte das Buch laut Umschlagstext Aspekte des Sicherheitsmanagements, der Psychologie, der Fehlertheorie und Untersuchungsmethoden in einer einfachen und verständlichen Weise beschreiben, um so den “Fehler Eins” der Fehlerverkettung zu finden, um Unfälle, Katastrophen oder Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Mir lag die Hardcover-Ausgabe mit Schutzumschlag vor, die rund 225 Seiten umfasst. Das Buch beinhaltet zahlreiche vollfarbige Abbildungen und Fotos. Es verzichtet auf ein Vorwort ebenso wie auf ein Literatur- und Stichwortverzeichnis und endet mit einer kurzen persönlichen Danksagung. Doch nun zum Inhalt.

Der Inhalt

Das Buch gliedert sich in drei Teile, die mit den Fragen “Wie Unfälle entstehen”, “Warum wir Fehler machen” und “Umgang mit Fehlern”  überschrieben. Teil 1 umfasst 3, Teil 2 und 3 jeweils 4 der insgesamt 11 Kapitel, die wiederum in zahlreiche Unterabschnitte unterteilt sind, so dass das Inhaltsverzeichnis bereits einen guten Überblick bietet:

  • Kapitel 1 – Verkettung von Fehlern: Den Einstieg liefert die Challenger Katastrophe und weitere Katastrophen, die deutlich machen sollen, dass es in der Regel Verkettungen von kleineren Ereignissen und Fehlern sind, die letztlich zu schweren Katastrophen führen. Das Käsescheiben-Modell wird eingeführt und so die Bedeutung von Fehler Eins zu Beginn einer Fehlerkette verdeutlicht. 
  • Kapitel 2 – Akzeptanz und Risiken: Das nächste Kapitel beschreibt den Unterschied zwischen Gefahr vs. Risiko und differenziert zwischen selbst- und fremdbestimmten Risiken. Auch das Thema Risikomanagement findet seinen Platz.
  • Kapitel 3 – Fehlerarten: In diesem Kapitel geht es, wie der Name schon verrät dann um die unterschiedlichen Arten von Fehlern. Es geht um die Frage beabsichtigter oder unbeabsichtigter Handlungen sowie Fehlerhäufigkeiten. Alles untermauert mit Beispielen aus der Luftfahrt. Abschließend geht es um menschliche Wahrnehmung und Wahrnehmungs”fehler” und die Frage wie diese entstehen. 
  • Kapitel 4 – Denkfehler: Im vierten Kapitel beschäftigt sich Jann mit der Fehleranfälligkeit von Denkprozessen und wie nicht nur Gefühle diese Prozesse beeinflussen. 
  • Kapitel 5 – Entscheidungen: Viele Fehler entstehen aus Schwächen und Irrartionalitäten in Entscheidungsprozessen. Diese sind Inhalt des 5. Kapitels. 
  • Kapitel 6 – Fehler in Belastungssituationen: Aber auch Belastungssituationen können zu Fehlern führen. Als Beispiele dienen hier u.a. Tschernobyl oder das erst 2016 passierte Zugunglück in Bad Aibling auf der Strecke München – Salzburg.  
  • Kapitel 7 – Regeln einhalten: Regeln sind nützlich und doch werden sie gebrochen. In diesem Kapitel gehts einerseits um den Dienst nach Vorschrift, andererseits aber auch um den practical drift, einer schleichenden Abweichung von den vorgegebenen Prozessen in der Praxis. 
  • Kapitel 8 – Schuld und Buße: Heißt gute Fehlerkultur immer tolerant gegenüber Fehlern zu sein? So könnte man in manchen Unternehmen mit nicht lebensbedrohlichen Prozessen zu meinen. Doch weit gefehlt: Hier gehts unter anderem um die Frage, warum “Beim nächsten Mal besser hinschauen!” (S. 163) wenig hilft.   
  • Kapitel 9 – Fehler bewerten: Und so geht es auch darum, Fehler in einer besonderen Art und Weise zu untersuchen und zu bewerten, um dem Fehler Eins, den ursprünglichen Fehler, der zu Katastrophen führen kann, zu identifizieren.
  • Kapitel 10 – Fehlerkultur: Im Kapitel 10 geht es um eine gute Fehlerkultur und warum einerseits die Frage “Wer war das?” Wenig zielführend ist, neutrale Vertrauenspersonen zum melden von Fehlern und zur Analyse von Fehlerketten aber umso mehr. 
  • Kapitel 11 – Erfolgreiches Fehlermanagement: Abschließend geht es um ein erfolgreiches Fehlermanagementsystem und was hierzu notwendig ist. 

Jedes Kapitel startet mit einem Zitat und einer kurzen Übersicht, was den Leser erwartet. Abschließend wird jedes Kapitel durch eine Zusammenfassung der wichtigsten Kernaussagen beendet.

Dazwischen gibt es eine Mischung aus Theorie, Tools und Fallbeispielen, nicht nur aus der Fliegerei.

Das Fazit

Alles in allem ein schönes Buch, das die Kompetenz des Autors auf seinem Gebiet einerseits, seinen anwendungsorientierten Pragmatismus andererseits gut erkennen lässt. Das Buch ist flüssig zu lesen und gibt mit seiner Mischung einen guten Überblick über das Thema Fehler, Krisen und Gefahren. Es macht deutlich, dass es bei weiten NICHT mit einem abstrakten Risikomanagement getan sein sollte. Nicht nur im Luftfahrtbereich, sondern auch in anderen Branchen, die Weick seinerzeit als “highly reliable organizations” bezeichnet hat (z.B. Krankenhäuser, Flugzeugträger, Atomkraftwerke, Chemieanlagen), ist aufgrund der Menschenleben, die ein Fehler kosten kann eine gute Fehlerkultur und ein gutes Fehlermanagementsystem unumgänglich. Aber auch Führungskräfte, Berater und angehende HSE Experten aus anderen Branchen und Bereichen können aus diesem Buch viel mitnehmen. Es sei somit wärmstens empfohlen. Ein kleiner Wermutstropfen, den ich auf der Negativseite zu verbuchen hätte, ist das fehlende Stichwortverzeichnis, das dem Leser ein schnelles Wiederfinden verschiedener Beispiele oder Tools erleichtert hätte. Und zu guter letzt (und nicht ganz so ernst zu nehmen :-) ), hätte man aus dem Dominostein—Schlüssel-Motiv des Buches, das sich auf allen Seiten in der oberen Ecke wiederfindet, doch ein Daumenkino machen können. Ich war ein wenig enttäuscht, als es sich beim ersten Probedurchgang als “Standbild” entpuppte. ;-)  

Jann, Eckhard (2022). Fehler Eins. Vahlen: München.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.