Heute geht es um das im April bei Haufe erschienenes Buch “Agile Strategieumsetzung” mit dem Untertitel “Wirkungsvoll führen durch aktives Selbstmanagement”. Da ich selbst beim Klassiker der Strategieumsetzung, der Buchreihe der Balanced Scorecard von Kaplan/Norton bei der Übersetzung aus dem Englischen beteiligt war, war ich neugierig, das Thema wieder einmal aus der Agilen Perspektive betrachten zu können.
Das Buch mit seinen gut 180 Seiten ist bei Haufe erschienen und gliedert sich klassisch in 3 Hauptkapitel, die von einer Einleitung, einem “Check-In”, einem “check-out” und einem Nachwort eingerahmt werden.
Die Einleitung behandelt zunächst die Frage nach der Agilität und einer Differenzierung von Unternehmen in ein “Work System” und “Social System”. Der Autor betont dabei seine persönliche Entwicklung, die zunächst als Ingenieur stark auf das Work System ausgerichtet war, das Buch sich nun jedoch stark auf den Einbezug der zwischenmenschlichen Seite bezieht. Ebenso wird ein kurzer Überblick über den Aufbau des Buchs gegeben.
Bevor es mit dem ersten Hauptkapitel los geht, wird zunächst ein “Fallbeispiel Agilität: Prinzipien und Werte” eingeschoben. Hier werden Erfahrungen aus einer Agilen Transformation beschrieben und Ideen zu Erfolgsfaktoren gesammelt. Dann gehts in den “Check-In”. Ein Kapitel, das den Leser zu einer kleinen Reflexion einladen will, warum/ wofür man sich gerade jetzt mit Agiler Strategieimplementierung und diesem Buch auseinandersetzen möchte. Eine schöne Idee, die auch als Leitfaden für einen Teamworkshop verwendet werden kann.
Das erste Hauptkapitel trägt die Überschrift “Der Rahmen strategischen Handelns” und beschäftigt sich zunächst mit der Frage, was Strategie ist, woher sie kommt und wie sie einer Organisation nützt. Hier gehts zunächst um die Klassiker a la Clausewitz, Sun Tsu bis Mintzberg – Strategievorlesung kompakt. Dann gehts um den Strategiebegriff, der hier als Weg in eine erfolgreiche Zukunft verstanden wird – Strategie als Entscheidungsrahmen. Zum Abschluss wird die “Alte Welt” der “Neuen Welt” gegenübergestellt und konstatiert, dass die klassische langfristige Planung ausgedient hat und die Agile Herangehensweise die Antwort auf diese Veränderung darstellt. Dies führt zu einer eher iterativen und inkrementellen Umsetzung von Strategien in Form von Lernschleifen. Soweit nichts Neues: Diese Idee gibts bereits auch in der systemischen Strategieentwicklung und -implementierung, wie sie mein ehemaliger, leider bereits verstorbener Kollege Reinhart Nagel in seinen Büchern empfiehlt und er wie auch wir gemeinsam erfolgreich bei zahlreichen Kunden umgesetzt haben. (Buch 1, Buch 2) Dann gehts um die Frage, was Strategieumsetzung heute konkret bedeuten kann und wie eine agilere Umsetzung von Strategien aussehen kann. Hierzu übersetzt der Autor die Idee des SCRUM-Sprints in einen agilen Strategieentwicklungs-/ -umsetzungsprozess.
Im darauffolgenden Haupt-Kapitel “Selbstmanagement: Dreh- und Angelpunkt der strategischen Strategieumsetzung”. Zunächst beschäftigt sich das Kapitel mit den praktischen Herausforderungen von Strategieumsetzung, bezogen auf die individuelle Führungskraft. Hierzu entwirft der Autor verschiedene Personas, sei es Konzernführungskräfte, Top-Managerin, Mittelstandsgeschäftsführer oder Projektleiter und stellt sich die Frage, wie diese Personen Dilemmata in ihrem Alltag erleben, die sie zu lösen versuchen. Im zweiten Unterkapitel wird dann das “Mindset” als Schlüssel zur Umsetzung von Strategien adressiert. Der Rest des Kapitels beschäftigt sich dann mit den Fragen Kultur, Komplexität und Missverständnissen sowie Motivation, Empathie, Emotionen und Widerstand sowie einem nutzbringenden Umgang mit selbigen. Dies erfolgt durch eine Reise, vorbei an verschiedensten Modellen und Ideen. Sei es die Einordnung von Projekten nach Unsicherheit und Planbarkeit, Grundprinzipien des aktiven Zuhörers, die Stakeholder Analyse bis hin zu Empathy Maps, Wertschätzung und der unwillkürlichen Wirkung von Emotionen, Gefühlen, Stimmungen und Affekten. Auch die Frage nach intrinsischer und extrinischer Motivation oder die Idee unterschiedlicher Lösungsmuster bei Spannungen auf Basis des SySt(r)-Wertequadrats oder die Managerial Style Triangle nach Henry Mintzberg dürfen nicht fehlen. Dann wird “Widerstand” thematisiert und hierzu Kübler-Ross oder auch die Widerstandsmatrix zitiert.
Das letzte Hauptkapitel “Umsetzungsmanagement: Hindernisse, Fortschritte, Wirkung” will verschiedene Stolpersteine der Strategieumsetzung beleuchten und Ideen liefern, wie die Umsetzung wirksam erfolgen kann. Schön finde ich zunächst das Aufgreifen der Wirkkategorien “Input, Activities, Outputs, Outcomes, Impacts”, die ich im Studium von meinem geschätzten Professor Peter Eichhorn in Mannheim gelernt habe, und seit Jahren im Rahmen von Workshops immer wieder verwende. In der Literatur habe ich sie so selten wieder beschrieben gesehen und die Quelle aus dem Studium ist mir verloren gegangen. Leider fehlt sie auch hier im Buch von W. Zornek. Sodann wird kurz auf Stolpersteine der Strategieumsetzung eingegangen, die aus einer Befragung der Zeitschrift ZOE aus dem Jahre 2009 stammen. Das Kapitel schließt mit einem Blick auf OKR als Möglichkeit zum Umsetzungsmonitoring.
Das Buch schließt mit einem Check-Out und einem COVID-19 bezogenen Nachwort. Ebenso ist ein Stichwortverzeichnis und ein umfangreiches Literaturverzeichnis enthalten. Leider hat der Autor darauf verzichtet, im Text immer die jeweiligen Literaturquellen direkt anzugeben, Wass die Zuordnung und Vertiefung der einzelnen Themen teils erschwert.
Alle Kapitel sind immer wieder mit Übungen und Skalen-Fragebogen unterbrochen, die zur persönlichen Reflexion einladen und so den Leser aktivieren. Dies hat mich sehr angesprochen und ist sehr praxisorientiert. Leider war allerdings für mich der Haupttitel etwas irreführend. Zusammen mit dem Untertitel trifft es allerdings das Thema des Buches sehr gut. Mir persönlich war das Buch etwas zu sehr auf das Individuum Führungskraft und die soziale Dimension fokussiert. Die Zusammenstellung der vorgestellten Tools fand ich sehr nützlich, wenn auch etwas zu breit, da dies auf Kosten der Tiefe gehen muss und m.E. viele Aspekte nicht immer klar auf die reine Strategieimplementierung fokussieren.
Alles in allem jedoch ein Buch das ich sehr gerne gelesen habe. Viel Bekanntes ist in neuer Form kombiniert und verpackt. Mit seinen Reflexions-Abschnitten und Übungen ist das Buch gut für Praktiker wie Berater geeignet, um sich für das Thema agile Umsetzung inspirieren zu lassen. Für mich betont das Buch etwas zu viel generelle Ideen zum Agile Mindset und beinhaltet eine zu breites Set an Tools, welche daher nur oberflächlich behandelt werden können. Dies setzt entweder breites Vorwissen voraus oder zwingt zum Griff von Spezialliteratur. Es ist damit gut geeignet, sich einen Überblick zu verschaffen, für eine vollständige Erschließung reicht es meines Erachtens nicht. Auch kommt der Fokus Strategie in den beiden hinteren Kapiteln etwas zu kurz. So sind alle drei Kapitel schlüssig in sich aber stehen m.E. stark nebeneinander. Eine noch stärkere Verzahnung der Kapitel hätte aus meiner Sicht noch einen weiteren ”Turbo” für das Buch dargestellt. Doch summa summarum ein schönes gut lesbares Werk, das auch, und dies sei abschließend erwähnt, auch durch schöne Übersichten und Grafiken neben den praktischen Übungen durchaus punktet.
Zornek, Walter (2021). Agile Strategieumsetzung. Haufe: Freiburg
Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.
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