Anlässlich unseres geplanten “Beta”-Workshops zum Change Management geht es heute um ein paar Ideen Zu Change-Interventionen, an denen ich bereits seit längerem arbeite und die ein ganzheitlicheres Bild von Veränderungsaktivitäten schaffen können.

Mit Kotter’s “Dualer Organisation” ist inzwischen auch bei eher traditionelleren Change-Pionieren die Idee gereift, dass das rein formale Denken von  Change im Sinne eines gesteuerten “Unfreeze-Move-Freeze” wichtige Veränderungshebel nicht berücksichtigt und daher zu kurz springt, während die klassische OE Veränderung und Reorganisation schon immer mehr als Linienführungsaufgabe in der direkten Interaktion zwischen Führung und Mitarbeitern im Tagesgeschäft verstanden hat. Die Projektmanagementzunft wiederum sah in Change-Vorhaben einen Spezialfall im Sinne eines bestimmten Projekttypus.

Ich denke in der Kombination wird ein Schuh draus… Alle drei beschriebenen Aspekte haben ihren Nutzen und ihre Daseinsberechtigung in Change Projekten und im Zusammenspiel entfalten sie erst ihre vollständige Wirkung.

Entstanden ist diese “Work in Progress” Bild bereits vor 4 Jahren, als ich bei einem Klienten dieses Zusammenspiel näher erläutern musste. Erst jetzt habe ich es wieder entdeckt und finde es aktueller denn je.

In der zeitlichen Betrachtung entsteht Change-Bedarf meist aus einer Wahrnehmung eines Problems oder Mangels in der Gegenwart, auf die sich die Aufmerksamkeit der Organisation bzw. deren handlungsmächtigen Mitglieder richtet. Um ein Changevorhaben gut voranzubringen bedarf es dann eines klaren Zukunftsbildes, das den gewünschten Zielzustand positiv von der Gegenwart abhebt und deutlich macht. Andererseits hat jede Organisation eine Vergangenheit, die sich aus verschiedensten Geschichten zusammensetzt. Solche, die vielleicht der gewünschten Zukunft nahekommen, andere die eher den aktuellen Mangel betonen.

Auf beiden Seiten, Vergangenheit und Zukunft, lässt sich weiterarbeiten (Details zum Thema Zeit im Change gibts immer wieder u.a. beim 3. Modul von osb internationals “Change3”, bei dem ich seit Jahren als Gastreferent zu diesem Thema eingeladen werde).

Zukunftsbilder

Aus dem wünschenswerten Zukunftsbild lässt sich ein Set an nicht-verhandelbarem Verhalten ableiten, an dem sich das Erreichen des Zukunftsbilds erkennen lässt. Im Change-Vorhaben geht es nun darum, dieses Verhalten zu schärfen, dieses Verhalten zu leben, zu belohnen und abweichendes Verhalten sichtbar zu machen, bis hin zur Sanktionieren.

Geschichten der Vergangenheit

Die Vergangenheit gilt es im Change-Prozess nach Geschichten zu durchforsten und diese gezielt für die Kommunikation auszuwählen. Dabei können Geschichten, die sich als Vorboten oder Ausnahmen zeigen, die zukünftig gewünschtes Verhalten vorwegnehmen, zur Verstärkung der gewünschten Transformation aktiv ins Gespräch gebracht und erzählt werden. Dies wirkt ressourcenstärkend auf alle Beteiligten im Change. Andererseits können Geschichten über Verhaltensweisen, die eher unerwünschtes Verhalten zeigen, als unerwünscht betont und damit “verdammt” werden. Auch ein Reframing vergangenen Verhaltens über entsprechendes Storytelling als dritte Option ist denkbar.

Drei Dimensionen

Die Geschichten der Vergangenheit und das gewünschte Set an nicht-verhandelbaren Verhaltensweisen der Zukunft stellen den Rahmen dar, mit dem im Change-Vorhaben gearbeitet werden kann. Hierfür bieten sich die bereits oben genannten drei organisationalen Dimensionen an: Linienorganisation, Projekt und informelle Kommunikations- und Handlungs-Netzwerke.

  1. Change Projekt/ Programm: Das Change Projekt stellt den Rahmen dar, in dem in einem von der vom Tagesgeschäft geprägten Organisationen andersartiges Probehandeln stattfinden kann und Experimente erlaubt sind. An anderer Stelle habe ich bereits mehrfach auf die Wichtigkeit von Selbstähnlichkeit des Projektes mit dem gewünschten Zielbild hingewiesen. Im Projekt kann quasi im Heute bereits die Zukunft lebendig und sichtbar werden und so Mut für die Veränderung in die gewünschte Richtung machen. Das Projekt stellt damit quasi eine Art “role model” für das Set an nicht-verhandelbaren Verhaltensweisen bereit und kann auch als Beobachter der gesamten Organisation hierzu fungieren.
  2. Hierarchie/ Linienorganisation: Im Rahmen der Linienorganisation bestehen während des Change-Prozesses andere Schwerpunkte. Sie kann wirksam genutzt werden, um Kommunikation und Training wirksam zu verankern. So hilft die direkte Kommunikation der Führungskräfte zu den Verhaltensweisen des Zukunftsbildes wie auch zu den Geschichten der Vergangenheit, den Change-Prozess voranzutreiben. Die Formalorganisation legitimiert quasi durch die offizielle Kommunikation das zukünftige Verhalten und bewertet die Vergangenheit durch die Kommunikation von Geschichten hierzu vor dem Hintergrund der Zukunft neu. Auch wird hier durch Trainings Raum für das Einüben neuer Verhaltensweisen geschaffen und den Betroffenen die Möglichkeit zur Integration in den Alltag gegeben.
  3. Informelle Netzwerke: Auf der Ebene der Informellen Netzwerke entsteht eher ungeplant und iterativ neues Verhalten durch die Kommunikation und Handlung der jeweils in den Netzwerken miteinander verbundenen Akteure. Es geht somit darum, ungeachtet der formalen Hierarchie die informellen Netzwerke gezielt nach Knoten zu durchsuchen, die sich besonders positiv oder besonders hinderlich hinsichtlich des zukünftig gewünschten nicht-verhandelbaren Verhaltens zeigen. Werden an diesen Knotenpunkten konkrete Handlungen der Unterstützung oder Distanzierung von bestimmten Handlungen oder Kommunikationen gesetzt, kann diese Dimension als stärker Hebel genutzt werden. Gelingt es weiterhin in dieser Dimension entsprechende Geschichten zu identifizieren, die bereits im Informellen das zukünftig formell gewünschte Verhalten zeigen, so kann dies über “Storytelling” zurück in die Kommunikation der Linienorganisation fließen. Informell bisher vielleicht als heimlicher Regelverstoß geächtetes oder zumindest verheimlichtes Verhalten, wird so legitimiert und verstärkt. Dies hat ebenso den Nebeneffekt, auch in Zukunft dieses formal nicht konforme Verhalten weiter anzuregen und somit “Keimzellen des Ungehorsams” zu schaffen, die dann wieder zur zukünftigen Weiterentwicklung der Organisation beitragen können.

Das Modell stellt noch ein “WIP” dar und Erfahrungen und Ideen hierzu sind wie immer herzlich willkommen.