Change Inszenierung – (Das Change Management 3×3 – Teil 5)

Change InszenierungKernthema 1 – Die Gestaltung des Change Prozesses

In den kommenden drei Teilen der Serie werden die aus meiner Sicht wichtigsten Kernthemen eines erfolgreichen Changemanagements vorgestellt. Dies sind die Bereiche: Gesamtinszenierung des Change, Change Kommunikation und Problem-/Krisenmanagement.

Das erste aus meiner Sicht wichtige Thema bei einem Changevorhaben ist das Gesamtkonzept, die Gesamtinszenierung des Change. Man beginnt wohl mit den Zielen, die einen Rahmen abstecken sollen, wann das Changevorhaben erfolgreich abgeschlossen ist. Dann geht es darum, die einen richtigen Weg zu finden, der es ermöglicht, das Changevorhaben in die Tat umzusetzen. Zunächst werden die Ziele in die zu ändernden Strukturen, Prozesse, Verhaltensweisen, Kommunikationsroutinen und Systeme übersetzt, die dann im Rahmen einer systematisch geplanten Implementierungsphase in der Breite im Unternehmen umgesetzt werden.

Nichts Neues?

Die bisher dargestellten Aspekte der Change-Inszenierung scheinen bekannt und nichts Neues. Bereits seit dem Erfolgswerk “Leading Change” von Kotter (1996) wissen wir anhand seiner acht Schritte genauer, wie erfolgreiches Changemanagement ablaufen sollte:

  1. Establishing a Sense of Urgency
  2. Creating the Guiding Coalition
  3. Developing a Vision and Strategy
  4. Communicating the Change Vision
  5. Empowering Broad-Based Action
  6. Generating Short-Term Wins
  7. Consolidating Gains and Producing More Change
  8. Anchoring New Approaches in the Culture

Bekannt, gelernt, erprobt und richtig, aber dennoch scheitern viele Change Projekte – trotz oder gerade wegen einer guten Voraus-Planung.

Doch Neues!

Der Unterschied liegt im folgenden nicht an der Vorgehensweise an sich, sondern vielmehr die “Brille”, um auf den Veränderungsprozess zu schauen, und damit die Inszenierung anders, wirksamer, gestalten zu können. Bemüht man den aufgezeigten Blickwinkel der bisherigen Teile 1–3- dieser Serie, so ergibt sich doch die eine oder andere Besonderheit, die sich im Denken und Vorgehen von anderen Konzepten unterscheidet:

  • Deutliche Wegrichtung und attraktives gemeinsames Zukunftsbild – Klare Ziele und Offenheit für Improvisation: Die Inszenierung muss einerseits klare Ziele vorgeben. Sehen die Betroffenen in der Organisation kein klares Bild des Neuen vor Augen, so werden die das Gewohnte nicht verlassen. Das Neue muss entsprechend attraktiv und sicher genug sein, dass es sich lohnt, Bekanntes aufzugeben. Die Change-Ziele sind hierfür nicht als “weg von” Ziele zu definieren (Was soll am Ende nicht mehr oder weniger sein?), sondern vielmehr als “hin zu” Ziele (Was soll anstatt sein?). In vielen Change-Projekten findet dies zu wenig Berücksichtigung. Kombiniert mit Interessenpluralismus auf Führungsebene sowie dem “Weichspülen” des Vorhabens führt dies oft zu wenig konkreten Zielbildern, die eine gute Inszenierung möglich machen. Andererseits dürfen die Ziele auch nicht zu eng definiert sein, da häufig Anpassungen auf dem Weg nötig sein können und so das Festhalten an einem zu klaren Zielbild zum Scheitern führen kann. Es geht also weniger darum, das Bisherige als “schlecht” oder “mangelhaft” zu verdeutlichen sondern einen “wünschenswerten Zustand” in der Zukunft zu beschreiben, der es lohnt erreicht zu werden und der “das Gute” am bisherigen Tun explizit mit einschließt. Hierfür ist ausreichend Zeit im Rahmen der Planung vorzusehen, was oft aufgrund von “eh klar”-Argumenten oder aufgrund zu optimistischer Vorstellungen über realistische Zeitfenster für Abstimmungsprozesse nicht zufriedenstellend geschieht.
  • Ausreichend Halt und ausreichend Verunsicherung: Zur erfolgreichen Inszenierung bedarf es einen klaren Rahmen, der über die Zeit der Veränderung beständig bleibt. In Zeiten, in denen die inhaltliche Veränderung groß ist und damit Instabilität erzeugt, kann ein beständiger formeller Rahmen, wie eine klare Projekt- oder Programmstruktur, etc. die nötige Kontinuität und Stabilität bringen, die für die Betroffenen und Beteiligten nötig ist, um sich “wohl zu fühlen” und den Prozess der Veränderung mitzugehen. Ein iteratives Vorgehen hilft, das Zielbild schrittweise im Prozess immer weiter zu klären und so den Changeprozess als Lernprozess aufzusetzen, der die gesamte Organisation mitnimmt und sinnvolle Adptionen zulässt, ohne den stabilisierenden Rahmen und das definierte Zielbild generell in Frage zu stellen. Es geht also alles in allem darum, nicht top-down das gesamte Vorhaben von Anfang an “im Detail im Griff zu haben und zu behalten”, sondern durch die Führung einen klaren und stabilen Kontext zu schaffen und sich auf einen gemeinsamen Lernweg zu begeben.
  • Bühne und Publikum – Strukturiertes Voranschreiten im Gesamtbild durch Beobachtung und Intervention – Ansprache aller und Fokus auf Schlüsselspieler: Der Inszenierungsmetapher folgend, können Change-Prozesse auch als Schauspielaufführung gesehen werden. So spricht eine gute Change-Inszenierung ein breites Publikum im Unternehmen an und schafft über das Projektteam eine gelungene “Aufführung”, die für viele Zuschauergruppen ausreichend attraktiv ist und auch in den Pausen oder noch am nächsten Tag bei anderen Personen nachwirkt. Das Change-Team(Projektteam und Auftraggeber) “spielt” dabei das inszenierte Bühnenstück, das (neben dem anspruchsvollen und richtigen Inhalten, was sich von selbst versteht) auf die ausreichende Publikumswirkung ausgerichtet ist. Dabei werden neben der breiten Masse auch Schlüsselspieler im Publikum angesprochen, die besonders wichtig erscheinen. Diese “Kunstkritiker”, “Meinungsbildner”, “Journalisten” in der Inszenierungsmetapher sind im Unternehmen wichtige “Graue Emminenzen” im sozialen Netzwerk die speziell “angesprochen” oder “zum Mitmachen” aufgefordert werden. Um diese zu identifizieren kann in großen Organisationen die soziale Netzwerkanalyse nützlich sein. Sie hilft, in Change Projekten die versteckten Schlüsselspieler gezielt zu identifizieren und die Wirkung der Inszenierung im Zeitverlauf auf ihre Wirkung hin über die gesamte Mitarbeiterpopulation hinweg zu verfolgen. Es geht also insgesamt nicht darum, möglichst alle Mitarbeiter gleichzeitig von außen zu “verändern”, sondern vielmehr gezielt den Raum zu schaffen, in dem die Veränderung jedes Einzelnen gut geschehen kann.

Diese Auswahl von drei Aspekten deutet an, wie nützlich ein anderer Blickwinkel auf den Gesamtprozess eines Changevorhabens sein kann, wie wichtig eine durchdachte Planung und Vorbereitung für den Erfolg von Changevohaben sein kann.

In den folgenden Beiträgen werden wir näher auf den Bereich Change Kommunikation und Problem-/Krisenmanagement eingehen.

Über Meinungen, Erfahrungen, Diskussion und Ideen zu diesem Thema bin ich wie immer jederzeit sehr dankbar.

Literatur

Kotter, J. (1996): Leading Change, Harvard Business School Press 1996