Im letzten Teil der Serie habe ich Change Management als Aufgabe unter VUCA Bedingungen beschrieben. Heute möchte ich eine andere Perspektive einnehmen, die Change Prozesse als unternehmensinterne Innovationsprozesse versteht.

Change as Innovation

Traditionelle Modelle des Change

Viele Changemodelle, die sich in den letzten Jahren bei Beratern, wie Organisations- und Personalentwickler eingeprägt haben, sind zwar bekannt, in Ausbildungen weit verbreitet und auf den ersten Blick für das Verständnis von Change Prozessen einleuchtend. Dennoch haben sie mir im Alltag bei Veränderungsprogrammen meist wenig geholfen. Stellvertretend sollen zwei Standardmodelle im Change Management herausgegriffen werden:

  • Das Kurt-Lewin-Modell von Change (“Unfreeze-Move-Freeze”): Hierbei wird der Change Prozess als Vorgehen modelliert, bei dem zunächst ein Zustand der Organisation verflüssigt, dann verändert und schließlich neu konfiguriert wieder verfestigt werden muss, um diesen neuen Zustand wieder zu bewahren. Diese Metapher macht vor dem naturwissenschaftlichen Hintergrund Sinn, Organisationen wie eine Art “Stahlgerüst” zu verstehen, das erhitzt, geschmiedet und wieder abgekühlt wird. Dies ist aus meiner Erfahrung heraus zwar aus einer strategischen Brille, nicht aber im konkreten Umsetzungsprozess hilfreich, da sich hier verschiedene Ebenen der Veränderung immer überlagern und teils entsprechend oft phasenverschoben bedient werden müssen. Auch vom Individuum und Gruppeneffekten wird hierbei abstrahiert und undifferenziert auf den Gesamtprozess fokussiert.
  • Das Kübler-Ross-Modell von Trauer (“5 Phasen Modell des Sterbens”): Dieses Modell geht auf Forschungen zurück, in welchen das Verhalten von totkranken Menschen untersucht wurde, die über ihren unabwendbaren und zeitlich absehbaren Tod unterrichtet wurden. Abgesehen davon, dass die Übertragung dieses Bildes auf Organisationsveränderungen m.E. auch hypno-systemisch eher kritisch zu bewerten wäre, werden verschiedene Phasen identifiziert, die vom Einzelnen durchlaufen werden, um die Nachricht zu verarbeiten. Auf die erste Phase der Leugnung folgt zunächst Ärger. Dann in einem weiteren Schritt Verhandlung und die Depression über die Unabwendbarkeit, bevor der Betroffene sich mit seinem Schicksal abfindet, seinen Frieden damit macht und nicht allzu selten eher zurückzieht. Dieses Modell gibt mit den Phasen eine Art externe Determiniertheit und Auswegslosigkeit in ihrem Ablauf und Ausgang vor, der so bei Veränderungsprozessen meiner Erfahrung nach nicht gegeben ist. Mitarbeiter können passiv oder aktiv sowohl am Prozess, als auch am Ergebnis des Veränderungsprozesses teilnehmen und darauf einwirken.

So haben beide Modelle ihre Schwächen: Während das erste Modell sehr undifferenziert vom Individuum im Veränderungsprozess abstrahiert, geht das zweite Modell nur auf die Individualebene ein, ohne die in Organisationalen Changeprozessen so wichtigen Gruppenprozesse zu konzeptualisieren. Im Ergebnis lassen sich damit zwar auf ihren Ebenen einfache schlüssige Erklärungen zum Thema Change ableiten. Ich persönlich habe mich aber immer schwer getan, hieraus konkret anwendbare Handlungsempfehlungen abzuleiten. Auch waren für mich die beiden Modelle immer zu linear und abstrahieren von gruppendynamischen Elementen und würdigen daher die Verlaufsdynamik des Changeprozesses nur unzureichend.
Daher würde ich eine andere Idee vorschlagen, die die Übertragung von Innovationsprozessen auf das Change Management darstellt. Diesen Kerngedanken wendet auch Gunter Dueck in seinem Buch Das Neue und seine Feinde auf Innovationen und Wandel jeder Art an.

Crossing the chasm in Change – Innovationsvermarktung bis zum Tipping Point

Basis ist der Innovationslebenszyklus von Geoffrey Moore und sein Buch Crossing the Chasm. In diesem Buch wird das Funktionieren und die Hindernisse der Markteinführung von Innovationen im Technologiebereich näher beschrieben. Dieses kann als Grundlage dienen, aich Change Prozesse im Allgemeinen besser zu verstehen. Es handelt sich ja schließlich auch bei Change um die Einführung einer Innovation, allerdings auf dem “internen Markt”, der oft noch härter umkämpft ist, als der externe.
Moore unterscheidet fünf Kundengruppen, die so auch auf Change Prozesse übertragen werden können: Innovators, Early Adopters, Early Majority, Late Majority und Laggards. Während Innovatoren unverzüglich und begeistert umgehend die Veränderung umseten und treiben, opponieren Laggards in der Regel äußerst lange als vehemente Kritiker und nehmen erst dann am Veränderungsprozess teil und setzen diesen um, wenn es keinerlei Ausweg mehr gibt. Erly Adopters beobachten in der Regel erst einmal die Meinung der Innovatoren, sind aber grundsätzlich positiv und auf Wandel gestimmt. Early und Late Majority haben in unterschiedlicher Stärke Bedenken an der Veränderung, da sie eher Negativeffekte sehen, die sie geklärt haben wollen, bevor es ans Verändern geht. Denkt man Change in dieser Form, ergeben sich zwei entscheidende Handlungsfelder, mit denen sich das Change Management konfrontiert sieht und in denen es Interventionen setzen kann:

  • Identifikation der Gruppen: Die genannten Gruppen ergeben sich in der Regel nur zum Teil aus der hierarchischen Struktur im Unternehmen. Während Innovatoren für Wandel in der Regel als Initiatoren des Veränderrungsvorhabens vor allem im CEx und Executive Bereich zu finden sind, sind die übrigen Gruppen breit und über alle Ebenen verteilt sein. Hier nutzen wir Verfahren der Sozialen Netzwerkanalyse oder der RepGrid-Methode, um die Gruppen besser über den Changeverlauf erkennen und deren innere Bilder besser verstehen zu können.
  • Entwicklung von Strategien im Umgang mit den Gruppen und Tipping Point: Anstatt eines klassischen ‘Top-Down’-Vorgehens im Change ergeben sich durch die Identifikation der Gruppen völlig neue Interventionsmöglichkeiten hinsichtlich Inhalten, Form und zeitlicher Taktung von Massnahmen im Veränderungsprozess. Auch ist es leichter den sogenannten Tipping Point zu erreichen, den Punkt, an dem das System “kippt” und die Veränderungsziele als der neue anzustrebende Gleichgewichtszustand angesehen wird. Dieser ist je nach Unternehmenskultur, Gruppenstrukturen und Thema unterschiedlich.

Dieser Blickwinkel schafft unserer Erfahrung nach gute Ansaptzpunkte gezielter Intervention mit deutlich höherer Wirksamkeit und deutlich geringeren Kosten, als bei traditionellen Change Vorgehen.

Quellen:

Gunter Dueck, Das Neue und seine Feinde, Campus: Frankfurt/ New York 2013
Malcom Gladwell, The Tipping Point, New York 2001
Groffrey A. Moore, Crossing the Chasm, New York 1991
http://de.wikipedia.org/wiki/3-Phasen-Modell_von_Lewin, abgerufen am 5.12.2013
http://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Kübler-Ross, abgerufen am 5.12.2013