Winfried Berner - Reorganisation und Restrukturierung - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteDer Autor und das Buch

Der Autor des Buches unserer heutigen Buchbesprechung ist kein Unbekannter. Winfried Berner ist Change Berater und seit 30 Jahren im Geschäft. Er betreibt eine der umfassendsten Websites zum Thema Change im deutschsprachigen Internet und ist Autor zahlreicher Bücher zum Thema Change und angrenzender Disziplinen.

Ähnlich wie ich war er zunächst in einer klassischen Top-Management Beratung tätig, um dann die Wichtigkeit und Bedeutung von Umsetzungsprozessen zu erkennen und seine eigene Beratung zu gründen. Daher verfolge ich Winfried Berner schon länger und war auf sein neues Buch gespannt. 

Das Buch umfasst knapp gut 320 Seiten und ist ein echtes Praxisbuch zum Thema Reorganisation und Restrukturierung.

Die Inhalte

Das Buch gliedert sich neben der Einleitung in einen “Allgemeinen Teil” und einen “Speziellen Teil” und schließt mit einem umfassenden Literaturverzeichnis und Stichwortverzeichnis.

Die Einführung (Kapitel 1) skizziert zunächst das Problem von Reorganisationen aus Sicht on Berner als Risiken und Nebenwirkungen, die in Organisationen entstehen, wenn “reorganisiert” und “rebstrukturiert” wird. Es sind weniger die Widerstände, sondern die “Kulturveränderungen aus Versehen” und das “Verhältnis der Betroffenen zum Top-Management”, die Probleme auslösen. Der Autor umreisst dabei pragmatisch und aus seiner Erfahrung heraus unterschiedlichste Aspekte von Reorganisationen, wie Zweifel am Neuen, zu wenig Kommunikation oder die Einbindung der Betroffenen.

Der “Allgemeine Teil” besteht sodann aus neun Kapiteln, die unterschiedliche generelle Aspekte von Reorganisationen und Restrukturierungen beschreiben:

  • Im Kapitel 2 “Organisation: Weshalb die Struktur nicht aus der Strategie folgt” beschreibt der Autor zunächst seinen Standpunkt, dass eine Organisationsstruktur nicht der Strategie folgt, sondern sich primär aus den Charakteristika des jeweiligen Geschäfts ergibt. Er beschreibt Organisationsstrukturen als Trade-Offs zwischen verschiedenen Zielen und Anforderungen und den klassischen Lebenszyklus von Organisationsformen von Start-Ups über Funktional-Organisation oder Divisional-Organisation hin zur Matrixorganisation oder Projektorganisation. Dabei gehts bei jedem Typ auch um die praktischen Erfahrungen mit deren Vorteilen und Herausforderungen.
  • Das Kapitel 3 “Schnittstellen: Den Preis der Arbeitsteilung möglichst gering halten” beschäftigt sich mit der Frage der idealen Arbeitsteilung sowie der effizienten Gestaltung der hieraus entstehenden Schnittstellen. Berner geht hier auf die Bedeutung von Beziehungsproblemen zwischen handelnden Personen ebenso ein, wie auf unvermeidbare Konfliktbearbeitung und den Umgang mit unvermeidlich unvereinbaren Zielen. 
  • Kapitel 4 “Der wirtschaftlich Wert eingespielter Beziehungen” führt vor Augen, dass Reorganisationen auch immer, gewünscht oder ungewünscht, gut funktionierende Beziehungen zwischen Bereichen und handelnden Personen zerstören und wie dieser “Schmerz” möglichst schnell überwunden werden kann.
  • Im Kapitel 5 “Change Management bei Reorganisationen: Weniger ein Durchsetzungs- als ein Motivationsproblem” beschreibt der Autor seine Erfahrungen im Umgang mit Einwänden und Widerständen bei Reorganisationen. Da Veränderungen in der Regel immer “top-down” angeordnet werden können, sieht Berner das Problem eher in der frühzeitigen Kommunikation mit den betroffenen Führungskräften und Mitarbeitern. Auch zeigt der Autor Erfahrung und Expertise, in dem er beispielsweise in Mode gekommenen Verfahren wie die interne Neubewerbung auf Positionen während einer Organisation eine Absage erteilt.   
  • Der “Besetzung von Führungspositionen” widmet sich dann auch das Kapitel 6. Laut Berner wird diese Aufgabe in Reorganisationen häufig unterschätzt, gerade wenn es dann um die Einführung und Schulung in einer neuen Rolle geht.
  • Im Kapitel 7 gehts um den “Menschlichen Umgang mit Verliererinnen”. Trotz hoher Vorhersehbarkeit kritischer Phasen diesbezüglich in Reorganisationen werden laut Autor diese nicht immer gut gemanagt. Es geht um eine angemessene Kommunikation, nicht nur in rechtlich bindender schriftlicher Art, sondern vor allem auch um das direkte frühzeitige Gespräch mit den Betroffenen.
  • Kapitel 8 widmet sich in sehr konkreter Art und Weise der Mitbestimmung des Betriebsrates. Hierbei geht es vor allem um die Frage, ob es sich bei einer Reorganisation um eine Betriebsänderung handelt und somit der Betriebsrat einzubeziehen ist. Auch das “wie” im Umgang wird behandelt.
  • Im 9. Kapitel “Wechselspiel von Struktur und Kultur” behandelt der Autor die Chance, Reorganisationen zur gezielten Kulturveränderung im Unternehmen zu nutzen. Dabei folgt er einem pragmatischen Bild der Gestaltbarkeit der Kultur sowie der Definition einer gewünschten Sollkultur.
  • Nach der Kultur gehts im abschließenden Kapitel 10 des allgemeinen Teils um die (Prozess-)Optimierung. Berner beschreibt hier die Chance, in Reorganisationen gezielt Prozesse zu verbessern und anzupassen. In diesem für mich gefühlt sehr umfänglichen Kapitel greift er auch prozessbezogene Ansätze, wie Business process Reengineering, Time-Based Competition oder Lean Management auf.

Im “Speziellen Teil” behandelt der Autor dann die aus seiner Sicht “vier wichtigsten Typen von Reorganisationen und ihre Besonderheiten”:

  • Kapitel 11 fokussiert dabei auf Reorganisationen, die durch das Wachstum eines Unternehmens ausgelöst werden. Es geht um den Übergang von einer Start-Up Kultur hin zu einem mehr formalisierten Unternehmen mit zusätzlichen Führungsebenen. Insbesondere der Abschied vom Start-Up Gefühl und die damit verbundene notwendige Kulturentwicklung sowie die Erweiterung der Hierarchie und die damit verbundene Besetzung der neuen Führungspositionen wird hierbei besonders hervorgehoben.
  • Im 12. Kapitel geht es um den Übergang von einer funktionalen zu einer divisionalen Organisation und im Kapitel 13 um den Übergang von der Divisions- zur Matrix-Organisation. 
  • Kapitel 14 schließlich widmet sich dann der Restrukturierung und Sanierung von Organisationen.

Das als Abschluss des Buches verfasste 15. Kapitel trägt die Überschrift “Personalabbau anständig realisieren” und betrachtet Restrukturierungen, die zur Überlebenssicherung der Organisation mit einem massiven Personalabbau verbunden sind. 

Sehr nützlich finde ich, dass jedem Kapitel ein 1-2 seitiges Management Summary “Das wichtigste in Kürze” vorangestellt ist. Es hilft der Orientierung und führt die wichtigsten Aussagen der Kapitel knapp zusammen.

Das Fazit

Als Zielgruppe sei das Buch vor allem Führungskräften in mittelständischen Betrieben, die bisher wenig oder nie mit Restrukturierungen und Reorganisationen zu tun hatten und ganz allgemein jungen Führungskräften empfohlen, die in oder vor einer Reorganisation oder Restrukturierung stehen. Auch Hochschulabsolventen und Wissenschaftlern, die einmal die Praxisseite von Reorganisation beschnuppern wollen, sei es empfohlen. Es liefert hier wertvolle Praktikeranstöße, die Vergessenes in Erinnerung rufen und vielleicht noch nicht Erlebtes erlebbar und noch nicht Gewusstes verständlich machen. Wer als Neuling Praxis sucht, wird fündig, wer als erfahrener Restrukturierungs- und Reorganisations-Hase Neues sucht, wird es in diesem Buch nicht wirklich finden.  In dieser Form einer leicht lesbaren und mehr auf Praxis, als auf theoretischer Literatur basierenden Abhandlung, ist es aus meiner Sicht ein sehr schönes Buch geworden. Es braucht dabei nicht die modernen Buzzwords des Agile oder New Work, sondern bleibt bodenständig und konkret (schön, wenn bspw. dann keine “Sticky-Notes Wall”, sondern einfach “Klebezettel auf einer Tafel” zur Visualisierung von Prozessen Verwendung finden und wenn im gleichen Satz wie selbstverständlich miro und mural als digitale Varianten genannt werden). Besonders gefallen haben mir neben anderen Kapiteln und Stellen bspw. die sehr umfangreichen Kapitel zur Kündigung von Mitarbeitern und der Mitbestimmung des Betriebsrates.

Das Lesen des Buchs fühlt sich an, als ob der Autor dem Leser als ein erfahrener Mentor zur Seite steht. Mit jahrzehntelanger Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Unternehmern und Führungskräften bringt er so in 15 Kapiteln dem Leser immer wieder gezielt praktisch relevante Fragestellungen der Reorganisation nahe. Durch und durch ein angenehm zu lesendes Buch, auch wenn oder gerade weil es vor allem auf klassische und zeitlosen Probleme und Themen der Reorganisation fokussiert und nicht im Agilen Reorganisationsfieber daherkommt.

Berner, W. (2022). Reorganisation und Restrukturierung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.