Reza Razavi - Die Magie der Transformation - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteDer Autor und das Buch

Das heutige Buch ist kürzlich bei Haufe erschienen. Autor ist der gebürtige Iraner Reza Razavi, der mit 14 ohne Eltern nach Deutschland kam, nach seinem BWL, Wirtschaftsinformatik und Daten-/ Informationsmanagement Studium in Hannover und Hamburg beim MZSG als Seniorberater arbeitete und dann bei der BMW Group in unterschiedlichster Weise mit dem Thema Kultur und Transformation befasst war. Heute ist er selbstständiger Redner und Berater. Sein Buch “Die Magie der Transformation” trägt den Untertitel “Wie wir Zukunft in Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam gestalten”. Das Buch umfasst rund 290 Seiten, beinhaltet ein umfassendes Literaturverzeichnis, allerdings kein Stichwortverzeichnis. Mit diesem Buch hat der Autor sich zum Ziel gesetzt, den Leser auf eine Reise mitzunehmen, ein vertieftes Verständnis von Transformation zu ermöglichen, “die wiederkehrenden Muster der Transformation besser zu verstehen und auf dieser Grundlage aktiv mitzugestalten.” (Razavi, 2022, 21)

Die Inhalte

Neben einer Einleitung und einem Nachwort ist das Buch in 10 Hauptkapitel unterteilt, die sich wiederum in drei bis acht Unterkapitel aufteilen. Jedes Kapitel ist durch einige Zitate eingeleitet die zum Kapitel passen und zum Nachdenken anregen:

  • Einleitung: Hier reißt Razavi zunächst den Rahmen an, in dem wir heute leben, arbeiten und wirtschaften. Eine dynamische Welt voller Dynamik, Veränderung und Umbrüche bis hin zu Krisen. Er stellt die Frage, wo wir mit einer Transformation beginnen sollten, sind und waren wir doch alle Nutznießer der aktuellen Situation. Er appelliert an eine Mitgestaltung der Transformation unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft hin zu einem “besseren”. Auch beschreibt er abschließend den Aufbau des Buchs.
  • Kapitel 1: Überschrieben mit “Das Imago-Prinzip” startet das Kapitel mit Elisabeth Kübler-Ross und der besonderen Bedeutung von Schmetterlingsbildern von inhaftierten Kindern, die diese Frau bei ihren Recherchen in den KZ’s nach Ende des zweiten Weltkriegs fand. Über die Bedeutung von Schmetterlingen in verschiedenen Lebensbereichen gelangt der Autor zu dessen besonderer Verwandlung, dessen Metamorphose. Sogenannte “Imago-Zellen” stellen die Verwandlung von Raupe in Schmetterling sicher. Es geht um ein systematisches Ausbalancieren zwischen Zerstörung und Aufbau, die die Metamorphose beschreibt. Und dieses Bild des Schmetterlings nutzt der Autor auch, um besondere Eigenschaften von Transformationen näher zu beschreiben.
  • Kapitel 2 – “Nachhaltiger Wandel”: Das Kapitel startet mit dem Blick auf das Zeitalter der noch nicht so lange andauernden Moderne, wenn man die gesamte Weltgeschichte betrachtet. Vor diesem Hintergrund werden zunächst die wesentlichen Eigenschaften moderner Gesellschaften betrachtet, die von Freiheit und Gestaltbarkeit in zunehmende Komplexität und Wachstumsdynamik geprägt sind. Dann geht Razavi zum Begriff des Wandels über, den er zunächst mit der linearen Planungs- und Wasserfalllogik umreißt. Er geht auf Voraussetzungen erfolgreicher Veränderung ebenso ein, wie die Frage, warum uns Veränderung doch so schwer fällt. In einer abschließenden Abgrenzung zwischen Change und Transformation betont Razavi die Bedeutung von Paradigmenwechsel und anderen Eigenschaften, wenn es um echte Transformation geht, die sich von anderen Veränderungsarten wie Change abgrenzt. Auch geht es um Pessimisten, Optimisten und Possibilisten, die in Übergängen sichtbar werden und unterschiedlich agieren. Das Kapitel schließt mit einigen Gedanken zu Wandel in Organisation und in der Gesellschaft.
  • Kapitel 3 – Vorbild Renaissance: In diesem Kapitel nutzt der Autor den Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit für einige weitere Gedanken zum Thema Transformation. Das Mittelalter sieht er als eher starr an und beschreibt die aufkommenden Keimzellen der Kunst und Wissenschaft der Renaissance als Aspekte für eine Epoche wirksamer Transformation. Menschen wurden mehr zum Gestalter der Welt als sich als Diener Gottes und der Religion zu verstehen. An insgesamt 12 Punkten macht verdeutlicht Razavi, was für ihn diesen transformationalen Charakter ausmacht. Den Transformationsbegriff anhand einer wichtigen Zeitepoche festzumachen ist interessant. Ob diese allerdings ohne weiteres auf Organisationen zu übertragen sind, bleibt offen. Doch bietet der Blick sicherlich ohne Zweifel interessante Anregungen für die Beobachtung auf gesellschaftlicher Ebene. Technologie, Industrie und Unternehmen finden sich sogleich im nächsten Kapitel. 
  • Kapitel 4 – “Von Bell zu Jobs”: Razavi steigt mit der Erfindung der Telegraphie und der Industrialisierung in dieses Thema ein. Aspekte wie die Autonomie des Denkens, Rationalismus und systematisiertes Erfindertum werden ebenso adressiert, wie der Übergang von der Agrar- zur bürgerlichen Industriegesellschaft. Dann beschreibt der Autor die technologische Entwicklung der Telefonie, das Scheitern früher Pioniere mobilen Telefonieren ebenso wie die Referenz auf Ed Catmulls Buch Ceartivity Inc., mit seinen Analogien der Ugly Babies und Hungry Beasts oder das Dilemma von heutigen zeitaufwändigen Powerpoint Schlachten oder die vermeintliche Weisheit der Wenigen. Im Anschluss gehts dann um die 7 V’s zur Verhinderung von Wandel in Anlehnung an Rainer Peraus.
  • Kapitel 5 – “Unser gemeinsames Anliegen”: Dieses Kapitel startet mit der ernüchternden Botschaft mangelnder Motivation in Organisationen und Gesellschaft und doch gleichzeitig mit der Hoffnung, über “Imagos” – sie erinnern sich – die “Imago-Zellen” aus Kapitel 1, Transformationen anzustoßen und auszubreiten. Dabei stellt der Autor sodann die Frage, was diese Imagos denn besonders motiviert und rezitiert dann die bekannte Motivationsforschung von Deci/Ryan, Daniel Pink und Mihály Csíkszentmihály und Viktor Frankl. Im Anschluss gehts dann um Orientierungsbilder, die von den Imagos kreiert werden und diese in der Veränderung antreiben und unscharf genug sind, um Raum für Kreativität zu lassen, aber auch scharf genug, um eine Orientierung zu geben. Dann folgt der Hartmut Rosa’s Resonanzbegriff als Aspekt des “Sich-Gegenseitig-Einschwingens der Imagos. 
  • Kapitel 6 – “Der Wert der Haltung”: Das nächste Kapitel startet mit C.G. Jungs inneren Bildern und innerer Haltung, die laut Razavi für Transformationen als Kompass wichtig ist. Es folgt ein Abriss von Menschenbildern über die Zeitgeschichte hinweg, bis hin zu “homo oeconomicus”, “social man”, “self actualizing man”, “complex man” oder “brain-directed-man”. Razavi stellt so dem “economic man” den “Sinn-Sucher” gegenüber und stellt die auch in anderen Werken immer wieder auftauchende Frage, welches das nützlichere Menschenbild für Organisation und Transformation scheint. Dann thematisiert der Autor unsere Leistungsgesellschaft und unser Fortschrittsbild. Beides ist seiner Meinung nach zu hinterfragen. Auch das Strategie, Kunden und Organisationsbild werden thematisiert. Schließlich adressiert er das Führungsbild, liefert Gedanken zur postheroischen Führung und reflektiert abschließend unser Weltbild als Ganzes.
  • Kapitel 7 – “Die Zukunft erinnern”: In dieses Kapitel starten wir mit Peter Sloterdijk und Harald Welzer und der Frage nach dem Denken und Handeln in Gegenwart und dem Zukünftigen. Dann dreht sich alles um die Frage nach der Erarbeitung der Zukunft – um Visionen und Utopien, Dystopie, Retropien, Praesentopien oder Heteropien als Geschichten der Zukunft. Razavi appelliert an den Optimismus und eine aktive Entscheidung zur Zukunftsgestaltung, da nur so Transformation möglich ist.   
  • Kapitel 8 – Metanoia: Dieses Kapitel trägt die Unterschrift „Das Denken neu denken“. Der Begriff Metanoia bedeutet „Neu denken“ oder „Umdenken“ und dabei das aufrichtige um Wahrheit bemühte Streben nach dem Motto – „Was interessiert mich meine Aussage von gestern, wenn es nur nützlicher oder neuen Erkenntnissen entspricht“.(Razavi, 2022, 176). Laut Razavi geht es um eine geistige Metamorphose, wenn man echte Transformation möchte. Als Voraussetzung sieht er das Verständnis unsere geistigen Fundamente und macht so einen Ausflug zu den Denkern der Renaissance. Hieraus leitet er 8 Aussagen ab, die so in unserem Alltag immer wieder getroffen werden und die es sich lohnt zu hinterfragen und appelliert an mehr Verständnis für Komplexität, mehr Bereitschaft zur Instabilität, einen produktiven Umgang mit Dilemmata uns Spannungen, sowie ein neues Denken. 
  • Kapitel 9 – “Kultur”: Über einen Ausflug zu den Begriffen der Kultur und Unternehmenskultur liefert der Autor in diesem Kapitel ausgewählte Ideen zur Kulturveränderung: Reflexion der bestehenden Kultur, Veränderung formaler Strukturen, Das Schaffen von Erfahrungsräumen und das Hinterfragen von Systemlogiken ebenso wie die Verbesserung der Dialog- und Feedbackkultur. 
  • Kapitel 10 – “Die Imago-Bewegung”: Dieses letzte Kapitel trägt den Untertitel “Transformation als Gemeinschaftsprojekt”. Hierin greift Razavi zunächst unterschiedliche gesellschaftliche Logiken auf, die seiner Ansicht nach eine Relevanz für Transformation haben und zeigt deren Folgen auf. Sodann betont er erneut die Bedeutung von “Imagos” in diesem Kontext und beschreibt deren Rollen als Hofnarr, Imagineur, Narrateur, Archäologe und Galerist. Auch macht er abschließend deutlich, wie wichtig die gemeinsame Gestaltung aller für wirksame Transformation ist. Das Kapitel schließt mit persönlichen Erfahrungen aus seiner Zeit bei BMW. 

Das Fazit

Das Buch ist gut zu lesen und mit vielen bunten und sehr kunstvollen Bildern geschmückt. Es war unterhaltsam und kurzweilig und es hat Spass gemacht zu lesen. Doch inhaltlich bietet das Buch dem Experten nicht viel Neues. Die Idee der “Imago Zellen” als Aufhänger für Transformation ist zwar als solche neu, Raupe und Schmetterling als übergreifendes Bild jedoch weniger. Auch findet sich dann in den einzelnen Kapiteln konzeptionell wenig Neues. So werden vorrangig die Klassiker der Motivationsforschung, Philosophie, Kultur und Komplexität referenziert und beschrieben. So richtet sich das Buch meines Erachtens mehr allgemein an Führungskräfte, die sich mit der Materie Transformation auf eine gute Art und Weise auseinander setzen wollen und weniger an Change- und Transformationsexperten. Für diese bietet es allerdings schön und modern verpackt eine reichhaltige Auswahl an Grundlagen und Gedanken für Veränderungen und Transformation.

Razavi, Reza (2022). Die Magie der Transformation. Haufe: Freiburg/ München, 2022.

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Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.