Eilers Haufe Crashkurs: Selbstorganisation in agilen Teams Rezension Dr. Oliver Mack - xm-instituteHeute gehts um ein weiteres Buch Zum Thema Agilität und Selbstorganisation. Das Buch ist Andreas Eilers Erstlingswerk und ist im Haufe-Verlag erschienen. Er ist selbstständiger Berater in diesem Feld.

Das Buch selbst gliedert sich in acht Kapitel, wobei sechs Hauptkapitel in eine einleitende Hinführung und eine abschließende Zusammenfassung eingebettet sind. Insgesamt umfasst das Buch cover-to-cover rund 220 Seiten.

Doch schauen wir uns die einzelnen Teile etwas genauer an:

Im Kapitel 2 gehts nach der kurzen Hinführung zunächst um die Beschreibung des Transformationsprozesses der Stadtsparkasse Bremen, bei der der Autor angestellt war und dort den Transformationsprozess intern begleitet hat, bevor er sich dann selbstständig machte.

Kapitel 3 mit der Überschrift “Entwicklung der evolutionären Zusammenarbeit” startet zunächst in Abschnitt 3.1 mit der Unterscheidung “Traditionell vs. Evolutionär”, indem der Autor die verschiedenen Entwicklungsstufen von Organisationen nach aus dem Buch von Laloux “Reinventing Organizations” beschreibt. In Abschnitt 3.2 liefert er dann eine Übersicht über verschiedene Modelle zur Refiegradmessung des Agilitätsgrads von Organisationen. Hierbei werden konkret die Modelle von Häusling, Andresen und zeb beschrieben. Ich hätte mir hier noch eine kritischere Betrachtung und Reflexion von Reifegradmodellen generell und Agilen Reifegradmodellen im Besonderen gewünscht. Eine kurze Betrachtung zum den Potenzialen evolutionärer Organisation, wieder mit Referenzierung auf Laloux und das Sparkassen-Projekt schließt das Kapitel ab.

Kapitel 4 ist mit “Gründe für die Selbstorganisation” überschrieben. Im Abschnitt 4.1 konstatiert der Autor im Titel “Hierarchie fördert destruktive Verhaltensweisen”. Dieses pauschale Urteil würde ich persönlich so nicht unterschreiben. Beim genaueren Hinsehen schränkt der Autor seine Argumentation dann auch eher auf eine speziell gelebte Art und Weise hierarchischer, Personen- und Positionsorientierter Führung in Hierarchien ein, in der die Machtausübung primär qua hierarchischer Position erfolgt. Eilers baut ein polarisierendes Bild auf, um im Folgenden die Selbstorganisation als Lösung ausführen zu können, was für den Flow des Buches legitim, für die Realität i.d.R. für meinen Geschmack etwas zu holzschnittartig ist. “Sollen Mitarbeitende selbstständig und eigenverantwortlich agieren können oder sollen sie zur Unselbstständigkeit erzogen werden und als Marionetten der Führungskraft tätig sein?” (Eilers, S. 51) Dies ist m.E. weniger eine Frage von Hierarchie ja oder nein, sondern eher eine Frage der Fürhungskutur und Haltung der in der Organisation tätigen Führungskräfte. Mit dem Risiko schlechter Führungskräfte argumentiert dann auch Eilers gegen Ende des Abschnitts und führt verschiedene Studien und Theorien an, die aus seiner Sicht gegen Hierarchie sprechen. Der Autor betont hier die Beziehungsebene, bei der ich voll und ganz zustimmen kann, ignoriert aber die Koordinationsfunktion und Komplexitätsreduktionsfunktion von Hierarchie, wie sie gerade in großen und komplexen Organisationen bedeutend wird. Hilfreich wäre gewesen, hier etwas stärker die Unterschiede und Aspekte der drei Ebenen Individuelle bilaterale Führungsbeziehung, Team und Organisation herauszuarbeiten. Im Abschnitt 4.2 geht es um den “Wertewandel bei Mitarbeitenden”. Hier greift der Autor weitere unterstützende Quellen zum Thema Selbstorganisation auf, sieht die Notwendigkeit hin zu neuen Werten. Kern ist für Eilers das Agile Manifest mit seinen ver Leitsätzen und zwölf Prinzipien, die er in eigenen Worten nochmals zusammenfasst. Ferner listet er als Beispiele verschiedene Unternehmens- und Führungswertkataloge. Im folgenden Abschnitt 4.3 gehts dann um “Komplexität durch Digitalisierung”. Auch hier leider für mich wieder etwas zu Holzschnittartig in einer Polarisierung zwischen klassisch-hierarchisch geführten und evolutionären Organisationen. Eilers sieht erstere nicht oder nur schwer in der Lage kundenfokussiert zu agieren und neue Produkte zu entwickeln, während dies Letzteren in Form agiler Produktentwicklung besser gelingt. Abschnitt 4.4 “Wunsch nach flexibleren Strukturen” thematisiert den Wunsch jüngerer Generationen zu mehr flexibler Lebensführung und überträgt dies auf die aus Sicht des Autors hierzu notwendigen flexible Organisationsstrukturen. Der abschließende Abschnitt “Höhere Wachstumsraten durch Agilität”.

Kapitel fünf ist mit dem Titel “Architektur selbstorganisierter Teams” überschrieben. Nach einer Einleitung beschreibt Eilers in zwölf Abschnitten die Themen Mindset, Struktur, Rollen , Ziele, Prozesse, Arbeitsort, Arbeitszeit, Gehalt, Entscheidungen, Konflikte, Feedback, Regeln. In diesen Abschnitten greift der Autor unterschiedlichste Facetten zum Thema Teams punktuell auf und beschreibt verschiedenste Ideen zu diesen Elementen. Hierzu sind praktische Erfahrungen des Autor mit verschiedenen Modellen und Ideen aus der Literatur zum Thema gemischt. Leider fehlte mir in diesem Kapitel ein wenig Struktur und Integration der verschiedenen Facetten, die in unterschiedlichem Umfang je Abschnitt nebeneinander stehen bleiben. So ist das Kapitel auch eher als Ideenlieferant und Potpourri verschiedenster Ideen zu verstehen, aus denen Teams schöpfen können. Als Beispiel hierzu sei der Abschnitt “Rollen” erwähnt, in dem primär fünf Führungsrollen nach Jatchenko und sechs explizite Teamrollen (ohne Quelle) nebeneinander dargestellt werden. Munter, breit und vielfältig stellt der Autor in diesem Kapitel Konzepte wie OKR, PDCA Zyklus, SCRUM, Designthinking, Remote-Work, Gruppenentscheidungsverfahren oder Aspekte der Gewaltfreien Kommunikation vor.

Das sechste Kapitel ist mit “Selbstorganisation mit Workhacks” überschrieben. Dies sind kleine, minimalinvasive Eingriffe in die Art und Weise der Zusammenarbeit und Organisation von Teams, um Veränderungen zu ermöglichen. Auf über 70 Seiten hat Eilers je 4 Workhacks aus den folgenden Bereichen zusammengetragen:

  • Workhacks für mehr Zwischenmenschlichkeit,
  • Workhacks zur besseren Zusammenarbeit,
  • Workhacks zum Treffen von Entscheidungen,
  • Workhacks zum Geben und Nehmen von Feedback und 
  • Workhacks zum effizienteren Arbeiten.

Für Profis zum Thema Selbstorganisation und Agilität findet sich hier leider nicht viel Neues. Für Neulinge auf diesem Feld finden sich viele hilfreiche Standardtools, wie “Star der Woche”, “Retrospektive”, Systemisches Konsensieren, Kudo-Cards, Daily Standups oder Fokuszeit.

Die letzten zwölf Seiten sind als Kapitel 7 mit der Überschrift “Integration selbstorganisierter Teams” überschrieben und diskutiert in den Abschnitten Organisation, Team, Individuum die Basis zur Implementierung. Den primären Fokus setzt der Autor hierbei auf praktische Listen von Fragen auf den einzelnen Ebenen, die sich die Organisationsverantwortlichen oder Betroffenen hier stellen können.

Fazit: Alles in allem haben ich in diesem Buch leider nicht viel Neues zu diesem Thema gefunden. Ein Großteil beruht auf bereits andernorts beschriebener Aspekte, Tools und Konzepte. Zwar gut lesbar verpackt, aber doch wie bereits erwähnt für mich persönlich leider etwas zu wenig kritisch reflektiert und dargestellt. Auch geht es nicht wirklich nur um das Thema Selbstorganisation, sondern auch um Aspekte anderer Fürhugnskultur und New Work. Um eine Leseempfehlung abzugeben, stellt sich mir bei diesem wie bei allen anderen Büchern immer die Frage nach der Zielgruppe. Diese bleibt bei Andreas Eilers leider soweit ich das überblicken kann explizit unbeantwortet. Da ein Vorwort zum Buch fehlt und auch der Klappentext keine Hilfe bietet, würde ich versuchen, verschiedenen mögliche Zielgruppen durchzugehen: Für erfahrene Berater und Profis im Bereich “Selbstorganisation” ist das Buch aus meiner Sicht nicht tief genug. Auch baut das Buch komplett auf weithin bekannten Standardansätzen und Ideen auf, sodass der Inspirationslevel für Profis hier eher gering bleibt. Auch interessierte Führungskräfte und Experten aus Großkonzernen werden eher weniger fündig. Für sie, so denke ich, ist der holzschnittartige Split zwischen “klassisch-hierarchisch” und “evolutionär” zu polarisierend. Hier bietet das Buch wenig versöhnende Praxishinweise zu einer Verbindung beider Seiten. Auch für großflächig angelegte Transformationsvorhaben in Richtung Selbstorganisation liefert das Buch aus meiner Sicht zu wenig, um OE oder HR Experten gute Dienste leisten zu können. Hier gibt es Besseres bereits auf dem Markt. 

Doch für folgende Zielgruppen denke ich, dass das Buch eine gute Nische bedienen kann:

  • Es liefert eine gute erste Zusammenfassung verschiedenster Tools, Methoden und Ideen für einzelne Teams, die sich gemeinsam mit ihrer Führungskraft entschieden haben, mehr in Richtung Selbstorganisation zu gehen. Die holzschnittartige Polarisierung liefert hier eine Motivation und eine gute Unterscheidung, um das neue Ziel zu beschreiben. Die beschriebenen Reifegradmodelle helfen dem Team die eigene Position auf dem Weg zu tracken. Und die vielen praktischen Tools und Workhacks helfen dem Team, aus einem bewährten und gut nutzbaren Fundus zu schöpfen. Hier sehe ich einen großen Nutzen des Buchs.
  • Auch für kleinere überschaubarere Organisationen im kleinen bis mittleren Mittelstand oder im Servicegewerbe oder Handwerk würde ich das Buch als Lektüre empfehlen. Durch das Beispiel der Sparkasse Bremen zu Beginn wird deutlich, dass auch in traditionell geführten Organisationen ein Wandel hin zu mehr Selbstorganisation möglich ist und macht so Mut, den Start zu wagen. Auch helfen die vielen Workhacks die eine oder andere Idee zu finden, gut starten zu können.

So fällt mein Urteil zu diesem Buch gespalten aus, obwohl ich denke, dass es seine Zielgruppe am umfassenden Markt zu diesem Thema finden wird. Dem Titel “Crashkurs Selbstorganisation in agilen Teams” wird es jedenfalls allemal gerecht.

Eilers, Andreas (2021). Crashkurs Selbstorganisation in agilen Teams. Haufe: Freiburg.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.