RACI? No! - xm-institute - Dr. Oliver Mack - (c) 2024 - All rights reserved!In vielen Organisationen sind RACI-Matrizen (Responsible, Accountable, Consulted, Informed) oft der Kern zur Klärung der Verantwortlichkeiten für Entscheidungsprozesse jeglicher Art. Auch im Projektmanagement wird sie häufig eingesetzt. Doch ist die Methode wirklich so nützlich, wie wir alle glauben? Leider lautet die Antwort häufig NEIN. RACI führt oft zu mehr Meetings, weniger Klarheit, langsameren Entscheidungen und größerer Dysfunktion. In diesem Beitrag erläutern wir, warum Führungskräfte von der Nutzung des RACI-Modells Abstand nehmen sollten und was möglicherweise nützlicher wäre. Eine besondere Anregung erfuhr der Artikel aus Sather (2022) aus dem wesentliche Aspekte aufgegriffen wurden und um Tools erweitert wurden.

Die RACI-Methode

Das RACI-Modell (Responsible, Accountable, Consulted, Informed) ist ein Werkzeug des Projektmanagements zur Zuordnung von Verantwortlichkeiten in Projekten und Prozessen. Es definiert vier Rollen: “Responsible” bezeichnet die Person, die die Aufgabe ausführt; “Accountable” ist die Person, die die endgültige Verantwortung trägt und sicherstellt, dass die Aufgabe abgeschlossen wird; “Consulted” sind Personen, deren Meinungen und Ratschläge eingeholt werden müssen; und “Informed” sind diejenigen, die über den Fortschritt und die Entscheidungen informiert werden müssen. Das Ziel des RACI-Modells ist es, klare Verantwortlichkeiten festzulegen und Kommunikationswege zu strukturieren, um Missverständnisse und ineffiziente Arbeitsprozesse zu vermeiden. Das klingt gut, doch gibt es auch eine Kehrseite?

Ein Relikt aus der Vor-VUCA-Zeit

Die Methode entstammt aus einer Zeit, in der vorhersehbar geplant werden konnte und ein starkes “Command & Control”-Modell an der Tagesordnung war. Dabei unterstellt RACI, dass…

  • … sich die Situation und Bedürfnisse über die Zeit nicht verändern und damit die Entscheidungsrechte stabil bleiben sollten. Dies erleichtert die Stabilisierung der Organisation und schafft (vermeintlich) Klarheit. In der Realität finden jedoch sinnvollere Entscheidungen häufig in anderer, nicht formalisierter Weise statt.
  • … jede Art von Entscheidung (wenn keine differenzierten RACIs für unterschiedliche Entscheidungsarten vorliegen) die gleichen Abläufe benötigt.
  • … die Dokumentation des Entscheidungsprozesses ein probates Mittel darstellt, um eine gute Entscheidung sicherzustellen.

Doch nicht nur aus VUCA-Sicht, sondern auch darüber hinaus kann RACI an der einen oder anderen Stelle kritisch gesehen werden:

  • In den meisten RACI-Charts finden sich das R/A bei (oft höherrangigen) Führungskräften, was häufig der Idee dezentralerer Entscheidungen in volatilen und ungewissen Umfeldern widerspricht und einen reinen Top-Down-Blick stärkt.
  • Alleine die Festlegung und Entscheidung der RACI benötigt Zeit und Ressourcen, ohne dass eine operative Entscheidung getroffen wird.
  • Die RACI-Begrifflichkeiten sind teils verwirrend und unklar:
    • Besonders “Accountable” und “Responsible” werden von Organisation zu Organisation unterschiedlich verstanden und gedeutet. Aber auch innerhalb der Organisation interpretieren Personen die Begriffe unterschiedlich und richten ihr Entscheidungshandeln danach aus.
    • “Informed” verlangsamt Entscheidungsprozesse, da Personen ergänzend informiert werden sollen. In transparenten modernen Organisationen haben die relevanten Personen in der Regel Zugriff auf alle notwendigen Informationen und Entscheidungen über eine gemeinsame Ablage oder ein Wiki, sodass dieser Schritt eigentlich nur greifen sollte, wenn von der Person tatsächlich etwas benötigt wird. Dann wäre jedoch “Consulted” besser!?
    • “Consulted” erzeugt auch Unklarheiten, da nicht geregelt ist, was dies bedeutet. Ziehe ich eine Person zu Rate, muss ich dann ihren Rat befolgen oder kann ich ihn ignorieren? Wie spielt das mit dem Recht auf Entscheidung zusammen?

Eine interessante und darüber hinausgehende Zusammenfassung trifft Mike Arauz im august Newsletter vom 10. Juli 2022:

THE HONEST RACI

Responsible

“Wer sollte verantwortlich sein, ist es aber nicht?

Accountable

Wer ist “in charge”?

Consulted

“Wer ist wirklich “in charge”?

Informed

Wer ist für nichts “in charge” und dennochvon allen Auswirkungen betroffen?

Dennoch gibt es nützliche Aspekte

Die RACI beinhaltet wichtige Aspekte formaler Organisation, die es auf alle Fälle zu erhalten gilt: Die Festlegung der klaren Entscheidungsautorität ist Grundlage einer erfolgreichen Organisation. Bereits Luhmann weist auf die Bedeutung von formalen, entschiedenen Entscheidungsprämissen hin. Auch ermöglicht eine RACI die klare Delegation von Entscheidungsbefugnissen, was in dieser Form allerdings selten passiert und der Top-Down-Blick bei RACI dominiert.

Einfach umdrehen!

Alles ist erlaubt, außer es ist explizit verboten! In seinem Blogbeitrag schlägt Sather (2022) vor, den Gedanken der RACI umzudrehen. Während die RACI eher alle Entscheidungsmacht “verbietet”, außer sie wird über A/R explizit erlaubt, so könnte man ein System aufbauen, das jede Entscheidung zulässt, außer sie ist explizit verboten. Neben Top-Down-Entscheidungen stünden dann Entscheidungen in Form verteilter Autorität, wie Consent, Safe to Try oder Einzelentscheidungen mit kollegialer Konsultation, etc. Als Ersatztools kommen dann anstelle der RACI-Matrix zwei Tools zum Einsatz: Die Delegation Poker Matrix und die Entscheidungsarten-Übersicht

Delegations-Poker-Matrix

Mit dem von Jurgen Appelo (2010) bekannten Delegation Poker lassen sich die unterschiedlichen Stufen der Entscheidungsverlagerung auf die Teamebene klar für verschiedene Themenkomplexe oder Entscheidungen festlegen. Dabei besteht im Gegensatz zur RACI aus unserer Erfahrung eine höhere Wahrscheinlichkeit Verantwortung dezentral zu verorten. Auch hilft die Differenzierung mit den sieben Delegationsstufen im Gegensatz zur RACI dabei, die Entscheidungsrechte zwischen Team und Führung und damit das Zusammenspiel zwischen R,A,C,I eindeutiger und nuancierter festzulegen.

Delegation Poker - Jurgen Appelo.

Team-Entscheidungsarten-Übersicht

Diese hilft in einem Team sich schrittweise nützlichen Entscheidungsstrukturen zu nähern, ohne zu viel dezentrale Befugnisse in selbstorganisierten Teams zu nehmen. Ich nutze dies häufig als 3-Spalten-Struktur auf digitalen Collaboration-Boards, um konkrete Entscheidungssachverhalte zu sammeln und zwischen Team und Führung verhandeln zu lassen. So können auf einen Blick die Entscheidungen, die im Team getroffen werden (grün) mit entsprechenden kollegialen Entscheidungsverfahren beschrieben werden. Besondere Entscheidungen, die einer intensiveren Abstimmung oder anderer Entscheidungsbesonderheiten bedürfen finden sich in der 2. Spalte. Die klare Grenzziehung von Außen, also welche Entscheidungen der Führung klar vorbehalten sind, wird in der roten Spalte gelistet.

Dabei geht es in agilen Organisationen weniger darum, gleich zu Beginn eine vollständige Übersicht zu bekommen. Vielmehr können die Spalten schritt für Schritt, auch im Rahmen der Reflexion in Retros weiter gefüllt werden.

Team-Entscheidungs-Matrix - xm-institute - Dr. Oliver Mack

Quelle: xm-institute

Weitere Quellen

Sather, M. (2022). Why RACI doesn’t work, and the decision-making models we should use instead. August Insights. https://www.aug.co/insights/raci-doesnt-work received: 31.05.2024

Appelo, J. (2010). Management 3.0. Addison-Wesley Professional.