Die Autorin und das Buch

Stephanie Borgert - Gemeinsam denken, wirksam verändern - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteDas heutige Buch trägt den Untertitel “Organisationaler Diskurs als Schlüssel zum Change”, umfasst 200 Seiten und ist kürzlich als Paperback bei Vahlen erschienen. Die Autorin ist Diplom-Informatikerin und kam über das IT-Projektmanagement zum Komplexitätsmanagement und zur Systemtheorie. Heute arbeitet sie als Speakerin und Beraterin und forscht im Bereich Komplexitätsmanagement und Organisation. Das vorliegende Buch möchte den organisationalen Diskurs als interaktiven Prozess vorstellen, der wirksam Veränderung in Organisationen voranbringen soll.

Die Inhalte

Das Buch gliedert sich, neben einem kurzen Einleitungskapitel und einem abschließenden Glossar und Literaturverzeichnis, in zwei gleich große Teile. Während sich Teil 1 stärker mit den Grundlagen der Systemtheorie und komplexen Systemen beschäftigt, geht es in Teil 2 um den organisationalen Diskurs. Hier eine detaillierte Übersicht:

  • Das Einführungskapitel trägt den Titel “Denken, Diskurs und Veränderung”. Hier geht es auf 6 Seiten um die Hinführung zum Thema, um die Frage nach dem Widerstand gegen Veränderung und wie dieser stark durch das Menschenbild geprägt ist, von dem man ausgeht. Da man mit klassischen Reorg-Methoden nicht gut weiterkommt, soll hier der organisationale Diskurs als Instrument helfen. Er ist tiefgründiger als das gewohnte “sich Argumente an den Kopf werfen” und “Recht haben wollen” und zielt darauf ab, nicht nur miteinander zu reden, sondern gemeinsam zu denken. Ein kurzer Überblick zum Aufbau des Buches schließt dieses Einleitungskapitel ebenso ab wie eine kleine handskizzierte “Ahnengalerie” der wichtigsten Denker und Einflussgeber des Buchs. Auch die Ameisen werden hier bereits eingeführt, die das gesamte Buch zieren. Sie sollen für das Thema komplexes System stehen.
  • “Eine kurze Geschichte komplexen Denkens” heißt das erste Kapitel des ersten Teils. Hier führt die Autorin in unsere grundlegende Art des reduktionistischen Denkens und den damit verbundenen Fokus auf Ursache-Wirkungs-Relationen ein. Mit Norbert Wiener und Russell L. Ackoff werden Beispiele und erste Denker der Kybernetik zitiert. Die Schlusshypothese dieses Kapitels ist die Notwendigkeit, bei Transformationen Organisationen als komplexe Systeme weniger reduktionistisch zu denken.
  • Im Kapitel “Prinzipien für den Organisationalen Diskurs” geht es um die allgemeinen Grundlagen des Konstruktivismus, der Systemtheorie und der Unterscheidung komplizierter und komplexer Systeme. Auch werden das klassische Kommunikationsmodell von Shannon/Weaver und der modernere Blick von Bateson und Luhmann gegenübergestellt. Als Ergänzung wird die Synergetik von Haken beschrieben, hieraus Führungsprinzipien für Veränderung abgeleitet und die Unterscheidung zwischen Steuern und Regeln dargestellt. In einem weiteren Teil geht es um das Thema individuelles und organisationales Lernen und Argyris/Schön’s Single- und Double-Loop Learning. Auch wird der Einfluss von Menschenbildern auf das Verhalten beleuchtet und die Frage erörtert, dass bei Veränderungen mit einer systemtheoretischen Brille eher die Relationen als die Elemente (Menschen) in den Blick genommen werden sollten. Auch Ashby’s Law wird am Ende des ersten Teils noch kurz erläutert.
  • Der zweite Teil des Buchs startet mit der Überschrift “Organisationaler Diskurs” und beschreibt diesen als “über WAS wird WIE gesprochen und WER darf reden”. Die Einführung liefert ebenso einen ersten Überblick über den weiteren Verlauf des 2. Teils.
  • “Die Wurzeln des organisationalen Diskurses” differenziert dann genauer die Begriffe der Diskussion, der Debatte und des Dialogs und grenzt diese voneinander ab. Dann geht es mit David Bohm und Donald Alan Schön in die Vertiefung des Dialogbegriffs. Dies stellt die Basis für die weitere Darstellung des Diskursbegriffs dar, in der Habermas und Foucault als Basis dienen. Wichtig ist der Autorin hier die Betonung, dass der organisationale Diskurs gemeinsame Sinnsetzung und partizipativen Change ermöglicht.
  • Im Kapitel “Das Wofür (nicht)” differenziert nochmals Veränderung 1. und 2. Ordnung und soll deutlich machen, dass der organisationale Diskurs gerade für den Wandel 2. Ordnung nützlich ist.
  • Es folgt das Kapitel “Der Praktische Diskurs”, in dem es ab Seite 125 um die konkrete Gestaltung eines organisationalen Diskurses geht. Es wird der sogenannte RIDA-Loop eingeführt, der als vier Schlüsselschritte des organisationalen Diskurses “Reflect, Irritate, Declare und Agree” identifiziert und auf rund 50 Seiten näher erläutert und mit praktischen Ideen unterfüttert.
  • In “Das Setting” geht es dann auf 10 Seiten um Form, Rollen und Kontext eines organisationalen Diskurses.
  • Die “Wirkungen und Widersacher” des Organisationalen Diskurses schließen das Buch ab.

Das Fazit

Das Buch verleugnet nicht, dass sich Borgert gerne mit Forschung und Theorie beschäftigt. Alle Gedanken sind fundiert und basieren auf wichtigen Eckpfeilern und Vertretern der klassischen und modernen Systemtheorie, Lerntheorie und Philosophie. Gut zwei Drittel des Buches fokussieren auf Herleitung und Fundierung, sind aber gut zu lesen und kontextspezifisch adaptiert. Viele nützliche Ideen und Inspirationen lassen sich bereits aus diesem Teil mitnehmen. Doch bei so viel Theorie kommt die Vorgehensweise zu einem praktischen organisationalen Diskurs dennoch nicht zu kurz. Die Beschreibung umfasst hier viele Ideen und konkrete Ansätze, diesen in die Tat umzusetzen. Für Kenner der Systemtheorie und erfahrene systemische Berater mag der Theorieteil etwas lang sein, für Praktiker und Change-Experten ist er aber aus meiner Sicht eine schöne Zusammenstellung der Systemtheorie als Antwort auf das Thema Komplexität und die Herausforderungen, die komplexe Systeme wie Organisationen bei der Veränderung und Transformation bereithalten. Der Teil zum praktischen organisationalen Diskurs ist ebenso keineswegs leichte Kost und einfach umzusetzen. Trotz guter praktischer Tipps liest er sich anspruchsvoll und voraussetzungsvoll und ist sicherlich keine simple Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Umsetzung für Einsteiger. Doch dies will er laut Borgert auch nicht sein. Für erfahrene Organisationspraktiker und Berater hält er allerdings viele Ideen bereit, den organisationalen Diskurs als ein Instrument in den Methodenkoffer aufzunehmen und an geeigneter Stelle auszupacken.

Alles in allem war für mich sehr erfreulich, dass das Buch kein “klassisches Beraterbuch” war, sondern mit Tiefe und Fundierung aufwarten konnte, auch wenn die Gewichtung für einen Praktiker vielleicht zu theorielastig sein könnte. Und so sei das Buch auch all denjenigen PraktikerInnen und BeraterInnen empfohlen, die sich mit dem Instrument des organisationalen Diskurses im Rahmen von Transformationen und Change mit hoher Fundierung auseinandersetzen wollen. Durch den Umfang des Hinführungsteils eignet sich das Buch aber auch, einen systemtheoretischen Blick auf das Thema Veränderung von Organisationen als komplexe Systeme an sich zu werfen.

Borgert, Stephanie (2024). Gemeinsam denken, wirksam verändern. Vahlen: München. (Amazon Affiliate Link)

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Mit dem Klick und der Bestellung über die Affiliate Links helfen Sie uns mit einer kleinen Unterstützung, diesen Blog auch zukünftig weiter aufrechtzuerhalten. Es kostet Sie nichts zusätzlich und wir erhalten bei Bestellung über diesen Link eine kleine Provision, die wir für den Betrieb und die Weiterentwicklung der kostenlosen Services nutzen. Danke.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.