Der Autor und das Buch
Das heutige Buch ist kürzlich bei Campus erschienen und trägt den Untertitel: „Mit Mut und gelungener Kommunikation den Wandel gestalten“. Der Autor ist Jakob Lipp, der zunächst als „Mentalist“ auf Bühnen auftrat und inzwischen seine Expertise im Bereich Psychologie, Suggestion und Unterhaltung nun auch Führungskräften anbietet. Er ist bekannt für sein Spiel mit dem Publikum, was sich im Kommunikationsbegriff des Untertitels widerspiegelt.
Das Buch selbst ist 240 Seiten lang. Ein Literaturverzeichnis fehlt, aber dafür gibts ein umfassendes Endnotenverzeichnis mit zahlreichen Quellen.
Das Buch gliedert sich in 17 Kapitel mit keinem bis vier Unterkapiteln, die die 4 Schlüsselthemen des Buches aufgreifen.
Die Inhalte
Das Buch startet mit einer Vorrede. Hier startet der Autor mit dem Thema Mut, den es benötigt, wenn man Veränderung möchte. Er macht auch gleich deutlich, dass die vier Themenkomplexe, die Lipp in diesem Buch anpackt, nicht umfassend in diesem Buch behandelt werden können. Vielmehr möchte er Denkanstöße geben. Bei den Themenkomplexen handelt es sich um Digitalisierung, New Work, Nachhaltigkeit und Transformation. Themen, die wohl alle Menschen interessieren könnten. Und mutig vom Autor zugleich, diese großen und umfassenden Themenblöcke in einem Buch zu adressieren. Ich werde meine folgende inhaltliche Darstellung in eben diese vier Felder aufteilen da mir eine detaillierte Differenzierung in die 17 Kapitel nicht passend scheint.
Digitalisierung – Große Chance oder schöner Schein
Im ersten Teil geht um das große Thema Digitalisierung. Es wird über die veränderte Kommunikation eingeführt, die die Digitalisierung der letzten 40 Jahre und weiter zurück mit sich brachte. Die Kapitel sind unterbrochen von Kästen mit „Takeaways“, die einige Bullet-Points mit weiteren Gedanken des Autors zum Kapitel in kompakter Form enthalten.
Es folgt ein Rand zur Kundenkommunikation via Call-Center und Bot, sowie auf der Positivseite die Erfahrungen während der COVID-Zeit. Weiter gehts mit der eMail Flut in Unternehmen und der digitalen Gesundheit. Der nächste Rand bezieht sich auf die Digitalisierung in Deutschland. Lipp beschreibt anhand von Beispielen und Zahlen das bekannte Bild, dass Deutschland im Thema Digitalisierung in Europa hinterherhinkt und stellt Hypothesen auf, woran dies seiner Meinung nach liegen könnte.
Im nächsten Schritt geht Lipp auf die Frage nach Kommunikation und Führung in der digitalisierten Welt ein. Er differenziert analoge und digitale Kommunikation und führt für erstere das Freud’sche Drei-Instanzen-Modell, das Eisbergmodell und dessen Bezug zur Kommunikation ein. Für digitale Kommunikation referenziert er auf Mherschichtigkeit und Watzlawick, bevor er Vor- und Nachteile der digitalen Kommunikation gegenüber der analogen thematisiert und zieht hieraus Schlüsse für Kommunikation und Führung und die Quintessenz der Empfehlung eines „sowohl – als auch“.
New Work – Mythos oder Megatrend?
Weiter gehts im Karussell. Im zweiten Themenfeld behandelt der Autor das Thema „Neues Arbeiten“. Es geht um die Pflicht der Arbeitszeiterfassung in Deutschland, um Kontroll- und Persönlichkeitsrechte und auch ein Satz von Wolfgang Grupp, Ex-Chef von Trigema: „Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig.“, aber auch um die zunehmende Verschmelzung von Arbeits- und Freizeit. Es folgen aktuelle Schlüsselbegriffe, wie Digital Literacy, Sinn-Ökonomie und Work-Life-Blending. Das nächste Kapitel behandelt die Veränderungen, die New Work in Sachen Kommunikation mit sich bringt. Es geht um die Probleme, die das Home Office für den Zusammenhalt der Mitarbeitenden und deren gemeinsame Kreativität mit sich bringt ebenso, wie die Herausforderungen von Führung auf Distanz. Kritisch beschreibt Lipp hierbei auf allen Ebenen die fehlende oder zumindest abnehmende direkte Kommunikation. Im folgenden gehts um das Thema Empathie, bevor der Autor zum Thema Fachkräftemangel und Arbeitgeberattraktivität überschwenkt.
Nachhaltigkeit – Bekenntnis oder Buzzword?
Im 3. Feld gehts um das Thema Nachhaltigkeit und Umwelt. Auch hier zeichnet der Autor ein eher ernüchterndes Bild: Viele Unternehmen nehmen das Thema nicht ernst, verfehlen ihre Klimaziele. Es geht um die Generationenfrage und den Willen, etwas zu verändern. Als nächstes gehts um das Thema Greenwashing und den Begriff der Klimaneutralität. Es geht um die Erläuterung motivationspsychologischer Grundlagen, die uns hindern tätig zu werden bevor Lipp auf sich als Person lenkt: „Als Mentalist und Experte für verbale und non-verbale Kommunikation sehe ich mich auf der Bühne an erster Stelle als Business-Speaker mit »Bildungsauftrag«, der nicht nur eine unterhaltsame und gute Rede abliefern, sondern
auch sein Expertenwissen weitergeben will.“ Und so beschreibt der Autor seine Vorbildfunktion, wie er auf seinem 100 qm großen Landgrundstück Pflanzen und Blumen kultiviert, um einen Beitrag zu leisten und Vorbild zu sein. Doch nicht nur dort, sondern auch bei vielen anderen Nachhaltigkeitsprojekten ist der Autor im Kleinen aktiv und hofft so, auch andere Zuhörer bei seinen Vorträgen zu motivieren, selbst aktiv zu werden.
Transformation – Möglichkeit oder Machbarkeit?
Im vierten Feld geht es dann um das nächste Riesenthema: Die Transformation. Lipp startet mit dem Transformationsbegriff und liefert auch hier seine Gedanken, Beispiele und einige Zahlen und Fakten. Er macht den Deutschen Mut, dass sie sich häufig schlechter darstellen und sehen, als sie tatsächlich sind, sendet aber dennoch einige Take-Aways an die Politik. Der Autor fordert zu proaktivem Transformieren und kreativen Denken auf, macht aber auch deutlich, dass es Entschlossenheit braucht. Schließlich beleuchtet er auch das Thema Künstliche Intelligenz und ChatGPT, an dem man aktuell nicht vorbeikommt. Er zeigt die Veränderungen im Bildungsbereich auf, überträgt dies auch auf den Arbeitsbereich und macht deutlich, dass Transformation nötig ist und kein weiter so wie aktuell. Auch liefert er hier wieder zahlreiche Beispiele und verschiedenste Gedanken zum Thema. Den Abschluss bildet ein Kapitel zur Bedeutung von Mut und wie wichtig es hierzu ist, das Narrativ in Organisationen gut zu Gestalten.
Das Fazit
Ich bin bei diesem Buch etwas zweigespalten: Das Buch wirkt wie eine große Keynote des Autors. Pragmatisch, angenehm zu lesen, viele aktuelle Themen und Probleme, über die alle Menschen aktuell gerne diskutieren, viel Empörung und die Untermalung mit einigen Zahlen und Daten. Dies ist einerseits unterhaltsam zu lesen, andererseits war für mich als Profi inhaltlich nicht viel Neues dabei. Zu breit ist das Themenspektrum und zu komplex die Themenfelder, um sie alle auf 240 Seiten zu behandeln. Einen Pluspunkt geben für mich jedoch die vielen Beispiele, die Lipp immer wieder einflechtet. Ebenso sein angenehmer und keynote-artiger Stil, der das Lesen angenehm macht.
Jedes Kapitel endet mit ein paar kompakten „Takeaways“. Diese „Takeaways“ fühlen sich aber für mich allgemein an, mit Weisheiten zum Thema Digitalisierung wie „Definieren sie im Unternehmen unbedingt, was Digitalisierung ist und was nicht.“, „Direkte Ansprachen auf emotionaler Ebene haben in einer Zeit digitaler Informationsflut oberste Priorität.“ oder „Eine offene und ehrliche Bottom-up- sowie Top-down-Kommunikation über die richtigen Instrumente und Kanäle ist zwingend notwendig.“ (Lipp, 2024, S. 35). Oder zum Abschluss eines Kapitels zum Thema New Work: “New Work bedeutet nicht die Abschaffung der Arbeit, sondern ist gleichbedeutend mit neuen Arbeitsformen – mehr Flexibilität, mehr Effizienz, mehr Freiraum.”, “Machen sie sich als Führungskraft immer wieder bewusst: Die Basis für New Work ist Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen” (Lipp, 2024, S. 95) oder “Nehmen Sie die Leistung Ihrer Mitarbeiter und Ihres Teams auch digital bewusst wahr, und kommunizieren Sie Ihre Anerkennung und Begeisterung.” (Lipp, 2024, S. 105), “Machen Sie sich bewusst, dass mit zunehmender Digitalisierung und digitaler Kommunikation die Bedeutung der persönlichen Kommunikation wächst.” (Lipp, 2024, S. 123). Für mich persönlich für Top-Führungskräfte zu oberflächlich. Leider bleiben diese „Takeaways“ das gesamte Buch über auf dieser Ebene und wirken ferner für mich oft wie teils entkoppelt vom vorherigen Inhalt des Kapitels; wie nachträglich ergänzt, um den reinen Beschreibungs- und Erklärungscharakter des Buchs einfach um einige Handlungsempfehlungen zu ergänzen. Sie leiten sich kaum direkt aus den Kapiteltexten ab und lesen sich für mich wie Appelle.
Und so bleibt das Buch für mich das, vor dem der Autor zu Beginn in seiner Vorrede vorab warnt: Ein recht oberflächliches Werk mit für mich zu wenigen konkreten neuen Ansatzpunkten. In einer Keynote mag dies aufrütteln und Zustimmung erfahren und daher äußerst wirksam sein, in Buchform ist es mir ganz persönlich zu wenig tiergehend und zu wenig lösungsorientiert. Wer den Autor kennt und ihn als Speaker mag, findet das Werk sicherlich spannend, ansprechend und interessant. Wer selbst als Speaker arbeitet findet sicherlich das eine oder andere Beispiel und den einen oder anderen Gedanken, der in ähnlicher Form dann in einer eigene Rede Verwendung finden kann.
Laut Vorrede wünscht sich Lipp folgendes: „Dieses Buch soll Denkanstöße geben, es soll Sie motivieren und inspirieren und bis zu einem gewissen Grad informieren, aber nicht lehren und schon gar nicht belehren.“ (Lipp, 2024, 23) Denkanstöße und Informationen liefert der Autor aufgrund der Breite der behandelten Themen und Gedanken sicherlich, ob sie motivieren und inspirieren und freudvoll zum Aufbruch in die Veränderung anregen, muss jeder Leser selbst entscheiden.
Eine kurze Anmerkung zum Schluss: Nachdem ich diese Rezension geschrieben hatte, habe ich einmal auf Amazon nachgesehen: Das Buch hat aktuell 7 Rezensionen mit jeweils 5 von 5 Sternen, so dass meine Wertung vielleicht zu individuell und zu kritisch ist.
Lipp, J. (2024). Alles auf Veränderung. Campus Verlag.
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Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.
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