BANI vs. VUCA - xm-institute - Dr. Oliver MackIn der heutigen Geschäftswelt ist es unerlässlich, dass Führungskräfte die Dynamik und Unsicherheit der Umgebung verstehen und bewältigen können. Zwei Konzepte, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben, sind VUCA und BANI. Während VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) schon seit einiger Zeit ein fester Bestandteil des strategischen Managements ist, hat BANI (Brittle, Anxious, Nonlinear, Incomprehensible) als neueres Konzept Aufmerksamkeit erregt. Auf Basis unserer langjährigen Beschäftigung mit dem VUCA Konzept und der fast 30 jährigen Erfahrung als Wissenschaftler und Berater bin ich der Meinung, dass VUCA als Konzept völlig ausreicht und BANI unnötig ist. Hier ist eine kritische Analyse beider Ansätze.

Das Bewährte: VUCA

VUCA wurde ursprünglich vom U.S. Army War College entwickelt, um die Welt nach dem Kalten Krieg zu beschreiben. Seitdem hat es sich als äußerst nützliches Modell erwiesen, um die Herausforderungen moderner Organisationen zu analysieren und Strategien zu entwickeln. Die vier Komponenten von VUCA – Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit – decken ein breites Spektrum an Herausforderungen ab, denen Führungskräfte heute gegenüberstehen:

  1. Volatilität: Schnelle und unvorhersehbare Veränderungen sind in vielen Branchen an der Tagesordnung.
  2. Unsicherheit: Zukünftige Ereignisse und Entwicklungen sind oft schwer vorhersehbar.
  3. Komplexität: Zahlreiche miteinander verbundene Faktoren erschweren die Entscheidungsfindung.
  4. Mehrdeutigkeit: Situationen und Informationen sind oft mehrdeutig und erfordern interpretative Fähigkeiten.

Wir haben uns am xm-institute bereits 2016 intensiv mit dem VUCA-Begriff auseinandergesetzt und nutzen ihn noch immer in unseren Leadership Development Programmen und Workshops als Grundlage, um mit Führungskräften an den Herausforderungen der Führung in der nächsten Gesellschaft zu arbeiten.

Der Neue Herausforderer: BANI

BANI, eingeführt von Jamais Cascio, versucht, die Herausforderungen der modernen Welt durch eine neue Linse zu betrachten. Die vier Komponenten von BANI – Brüchigkeit, Angst, Nichtlinearität und Unverständlichkeit – bieten eine andere Perspektive, aber ist diese wirklich notwendig?

  1. Brüchigkeit (Brittle): Hier wird die Anfälligkeit scheinbar stabiler Systeme betont. Dies könnte jedoch als Teil der Volatilität in VUCA gesehen werden.
  2. Ängstlichkeit (Anxious): Die Angst und der Stress, die durch Unsicherheit entstehen, sind reale Phänomene. Allerdings beschreibt Unsicherheit in VUCA bereits die Wurzel dieser Ängste.
  3. Nichtlinearität (Nonlinear): Diese Komponente hebt hervor, dass Veränderungen oft nicht linear sind. Auch dies kann unter Komplexität in VUCA subsumiert werden, da komplexe Systeme selten linear agieren.
  4. Unverständlichkeit (Incomprehensible): Die Unfähigkeit, bestimmte Phänomene zu verstehen, ist ebenfalls ein Aspekt der Mehrdeutigkeit in VUCA.

Kritische Analyse: Warum VUCA ausreicht

Während BANI interessante und relevante Punkte anspricht, ist es im Wesentlichen eine Redundanz. Die meisten der Herausforderungen, die BANI beschreibt, können bereits durch die Komponenten von VUCA erklärt werden. Die Einführung eines neuen Akronyms könnte mehr Verwirrung stiften als Klarheit schaffen. Ein besonders starkes Argument für die Beibehaltung von VUCA ist die zentrale Bedeutung der Komplexität. Komplexität umfasst viele der Herausforderungen und Merkmale, die in BANI aufgeführt werden.

Die vier Komponenten von VUCA sind nicht isoliert voneinander, sondern interagieren miteinander und lassen sich oft auf die zentrale Idee der Komplexität zurückführen:

  1. Volatilität ist eine Form der Dynamik, die komplexe Systeme oft charakterisiert, da sie auf viele Variablen reagieren müssen.
  2. Unsicherheit ist ein direktes Ergebnis der Komplexität, da komplexe Systeme schwer vorhersehbar sind.
  3. Mehrdeutigkeit entsteht aus der Vielzahl der miteinander verknüpften Elemente und den unterschiedlichen Interpretationen, die komplexe Systeme zulassen.

Somit kann argumentiert werden, dass VUCA als zentrales Konzept die Komplexität der modernen Welt angemessen widerspiegelt und die anderen Elemente (Volatilität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit) detailliertere Merkmale und Charakteristika der zugrunde liegenden Komplexität darstellen. Ein weiterer Aspekt, den wir bei unserer Arbeitsweise an BANI kritisch sehen, ist die fehlende Ressourcenorientierung einiger Begriffe. So sind Brüchigkeit, Ängstlichkeit und Unverständlichkeit häufig sprachlich negativ belegt. Geht es Führungskräften darum, mit ihren Mitarbeitenden “ins Tun” zu kommen, kann eine eher neutrale oder positive Begrifflichkeit nützlicher und wirksamer sein. Dies ist bei VUCA aus unserer Praxiserfahrung eher der Fall.

Schlussfolgerung

Obwohl BANI als neues Konzept einige interessante Ideen und Aspekte bietet, bleibt VUCA das bewährte und ausreichend umfassende Modell, um die Herausforderungen der modernen Welt zu beschreiben. Die Neueinführung des Begriffs von BANI und dessen Differenzierung zu VUCA scheint unnötig und redundant zu sein, da die meisten seiner Aspekte bereits in VUCA enthalten sind. Führungskräfte sollten hier weiterhin auf das bewährte VUCA-Modell setzen. VUCA bietet die Klarheit und Flexibilität, die notwendig sind, um in einer sich ständig verändernden Welt erfolgreich zu navigieren. Durch die zentrale Bedeutung der Komplexität und die detaillierte Betrachtung ihrer Merkmale durch Volatilität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit, bleibt VUCA aus unserer Sicht das überlegenere Konzept.

Quellen

Cascio, Jamais (2020). Facing the Age of Chaos. https://medium.com/@cascio/facing-the-age-of-chaos-b00687b1f51d. Received: 31.05.2024.

Mack, O., Khare, A. et al. (2015). Managing in a VUCA world. Springer.

Stöttinger, B. (2022). BANI statt VUCA: So geht Führung in der Welt von morgen. https://executiveacademy.at/de/news/detail/bani-statt-vuca-so-geht-fuehrung-in-der-welt-von-morgen. Received: 31.05.2024.