Die AutorInnen und das Buch

Die Narzissmus-Bilanz - Thiel - Pietzko - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteUnd wieder ein Buch, das sich mit dem Thema Narzissmus beschäftigt. Wird haben hier bereits zwei weitere Bücher zu diesem Thema rezensiert:

Das Buch das wir heute betrachten trägt den Untertitel “Vom Schaden und Nutzen toxischer Charaktere in Organisationen” und ist kürzlich bei Vahlen als Paperback erschienen. Es ist mit seinen 440 Seiten spürbar umfangreicher als die beiden anderen rezensierten Bücher und so wollen wir sehen, wie sich dieses Buch von den anderen beiden unterscheidet.

Das Buch möchte laut Rückseite das Thema Narzissmus im organisationalen Kontext etwasdifferenzierter beleuchten. Dabei gibt es Personen mit einem gesunden Maß an Narzissmus, die für Organisationen nützlich sein können und die handelnden Personen die Fähigkeit besitzen gut mit diesen umgehen zu können. Sie nutzen das Bild der Gewinn-und Verlustrechnung aus der BWL, aus dem sie Maßnahmen ableiten. Auch stellen sie einen Narzissmus-Test für Teams vor.

Die beiden Autorinnen, Marion Thielen und Sylvia Pietzko haben beide nach eigenen Angaben des Klappentextes traumatische Erfahrungen mit stark narzisstischen Charakteren gemacht und verarbeitet, sich als Narzissmus-BeraterInnen im nicht-therapeutischen Bereich einen Namen gemacht. Beide arbeiten als Business Coach und Consultants. Doch gehen wir gleich in die Details.

Die Inhalte

Das Buch ist neben der Einleitung in 3 Teile mit insgesamt 9 Kapiteln, 3 je Teil und einen Anhang gegliedert.

  • Einleitung: Hier geben die Autorinnen eine vorläufige Definition von Narzissmus und beschreiben die Struktur des Buchs. Auch beschreiben sie die Unterscheidungsmerkmale von anderen Narzissmus-Ratgebern aus ihrer Sicht. So geht es den Autorinnen weniger um Diagnose, die sie in anderen Büchern sehen, als um die Gestaltung eines Arbeitsbuchs mit konkreten Fragen und Handlungsempfehlungen.
  • Teil I – Narzissmus im Individuum
    • Kapitel 1: Macht – die Antriebskraft hinter Narzissmus?: Das Buch startet nicht mit Narzissmus und seiner Beschreibung, sondern bewusst (so die Autorinnen) mit dem Thema Macht. Und so beschreiben sie zunächst, wie Macht verstanden, genutzt, gebraucht aber auch missbraucht werden kann.
    • Kapitel 2: Narzissmus – alles was du (für die Lektüre) wissen musst: Erst in einem zweiten Schritt beschreiben Thiel/ Pietzko dann, was man unter Narzissmus verstehen kann und welche Narzissmus-Arten es gibt. Auch machen sie deutlich, dass es sich bei Narzissmus um ein Spektrum handelt und keine ja/ nein Beschreibung. Ein weiterer interessanter Vertiefungsaspekt ist hier die Frage, wie Narzissten die Wahrnehmungsfilter zwischen Realität und Erleben bei ihren Gegenübern manipulieren und was man in diesem Zusammenhang unter “Gaslighting” versteht.
    • Kapitel 3: Zusammenwirken: Der traumatisierte Mensch: Abschließend zu Teil 1 erläutern die Autorinnen, dass Erfahrungen mit extremen Narzissten traumatisierend sein können und wie Narzissmus selbst als Traumafolgestörung gesehen werden kann. So sind Narzissten häufig durch Erlebnisse in ihrer Kindheit geprägt, die einen Einfluss auf ihren Selbstwert hatten. Ebenso beschreiben sie Komorbiditäten, sogenannte Bündelung von Narzissmus mit anderen Störungen, wie Depression, Burnout oder Bipolare Störungen, die zusammen mit Narzissmus häufig auftreten. Abschließend beschreiben sie die Merkmale von Echoismus, Empahten und Effekte die entstehen können, wenn diese auf Narzissten stoßen. Sie nutzen das Drama-Dreieck, um zu zeigen, wie man im Umgang mit Narzissten handlungsfähig bleibt.    
  • Exkurs: 13 Mythen über Narzissmus: Als Exkurs beschreiben Thiel/ Pietzko dann 13 Mythen zum Narzissmus, die sie beleuchten und zum differenzieren anregen. So z.B. Narzissmus ist schlecht (#1)! Oder Narzissmus ist männlich! (#4). Auch: Narzissten sind selbstbewusst (#5) oder charismatisch (#10).
  • Teil II – Narzissmus im System
    • Kapitel 4: Theorien über Organisationen und andere Systeme: Hier wird zunächst nach den ersten drei Kapiteln mit dem individuellen Fokus der Blick auf die Organisation geweitet. Systemtheorien sollen helfen, einen geeigneten Blick auf Narzissmus im Organisationskontext zu werfen. Es geht um soziale Systeme, das seelische Erleben von Konflikten und die Frage nach Konflikten mir Narzissten. Dann wird zum Thema “traumatisierte Organisation” übergeleitet, zu dem sie den individuellen Traumabegriff auf Organisationen übertragen. Dann geht sum das Thema Führung und psychologische Sicherheit.
    • Kapitel 5: Toxische Wechselwirkungen: Hier geht es um “die toxischen Wechselwirkungen, die entstehen können, wenn Menschen in Systemen aufeinandertreffen.” (S. 143). Dabei nutzen sie die  DISG Persönlichkeitsprofile, um auf das Thema zu schauen.
    • Kapitel 6: Ohne Narzissmus keine Wirtschaft: In diesem Kapitel gehts darum, welche Bedeutung Narzissmus in der Wirtschaft innehat und welche Vor- und Nachteile extremer Narzissmus mit einem unternehmerisch-wirtschaftichen Blick hat. Es endet mit dem Wunsch, zurück zu einer humanen Wirtschaft mit ethischen Grundsätzen zu streben.
  • Teil III – Zieh deine Narzissmus Bilanz
    • Kapitel 7: Der Narzissmus-Bilanz Test für Teams und Organisationen: Dieses Kapitel, auch wenn es von den Autorinnen als “Extra-Beilage zum Buch” (S. 240) bezeichnet wird, so stellt es doch den Titel des Buches. Dennoch wird betont, dass es sich nicht um einen wissenschaftlichen Test, sondern vielmehr ein pragmatisches Tool der beiden Autorinnen handelt. Grundlage ist dennoch der Malkin’sche Test für individuellen Narzissmus. Der Test ermöglicht es, den Narzissmusgrad für Teams, Abteilungen oder Organisationen zu messen.
    • Kapitel 8: Das Narzissmus-Antidot: Praktische Lösungen für deinen Alltag: In diesem Kapitel gehts um Tipps und Empfehlungen mit Narzissten der Stufe 7 und 8 auf der Malkin-Skala umzugehen. Hierbei gilt es, Selbstführungsstärke aufzubauen. Dann gibts in diesem Kapitel zahlreiche Tipps, wenn man als Führungskraft mit Narzissten im Team, als Mitarbeitender mit narzisstischen Peers oder Vorgesetzten umgehen muss oder sogar der/die EigentümerIn der Organisation ein Narzisst ist. Ebenso wie Mediation in Kontexten mit Narzissten funktioniert. In Form eines “Vokabelkastens” stellen Thiel/ Pietzko Situationen mit entsprechenden Handlungsmöglichkeiten vor, wie z.B. Bloßstellen, Drohungen, Empathiefalle, Flying Monkeys, Gaslighting, Ghosting, Grooming/ Grenzen verschieben, Love-Bombing, Rufmord, Schuldumkehr, Triangulation, Versprechungen oder Silent Treatment. Dann gehts auf die Organisationsebene und die Frage, wie sich Organisationen als selbst reflektierende Systeme bauen lassen, bei denen Narzissmus wenig Chancen hat.     
    • Kapitel 9: Wirtschaftsmacht neu denken: Alseine Art Abschluss wird der Blick schließlich nochmals auf das größere Ganze gelenkt. Was kann getan werden und wie muss Wirtschaften aussehen, um in einer gesunden Art und Weise ohne (extremen) Narzissmus auskommen zu können und wie es gelingen kann, eine Wirtschaft zu schaffen, bei der Narzissten durch quasi bessere Karrierechancen gefördert werden.
  • Anhang
    • Beispielgeschichten und deren Analyse: Hier gibts nochmals fünf Beispiele zu narzisstischem Verhalten und eine kurze Analyse zum jeweiligen Beispiel.

Ein Index und Literaturverzeichnis schließen das Buch ab.

Das Fazit

Das Buch stellt das Thema Narzissmus umfassend und praxisnah dar. Auch wenn die Autorinnen schreiben, ihre Selbsterfahrung verarbeitet zu haben, wird im Buch aus meiner Sicht deutlich, dass ihnen das Thema noch immer oder gerade deshalb ein persönliches Anliegen ist und nicht nur ein rein professionelles. Auch zeigt sich die professionelle Erfahrung der Autorinnen an den vielen praxisnahen Beispielen und guten Tipps. Gut fand ich auch, dass Thiel/ Pietzko das Thema nicht nur kritisch betrachten, sondern über das Spektrum auch die positiven Seiten von Narzissten mit Blick auf unser aktuelles Wirtschaftssystem betrachten. Die Autorinnen erwähnen bereits zu Beginn des Teils 2, dass sie sich mit seiner Strukturierung schwer getan haben und ihn mehrmals umgestaltet haben. Dies wird zwar immer noch deutlich, auch wenn sich für mich ein gewisse Lesefluss gut ergeben hat. Mit seinen “Das gibt’s zu lernen”-Seiten am Ende eines jeden Kapitels lädt das Buch auch zum Querlesen ein. Mit seinen Unterüberschriften innerhalb der Kapitel ermöglicht es beim mehrmaligen Lesen das schnelle Auffinden der gewünschten Themen.

Betrachten wir noch die Relation zu den anderen beiden rezensierten Büchern: Jedes der drei Bücher beleuchtet das Phänomen “Narzissmus” auf andere, eigenständige Art und Weise. Wenn es um das Thema Praxisnutzen geht, würde ich dieses Buch von Thiel/ Pietzko den anderen beiden vorziehen, auch wenn es deutlich länger ausfällt. Die vielen Praxisbeispiele und Tipps liefern viele Ideen.

So sei das Buch vor allem Praktikern und Betroffenen empfohlen, die Rat suchen und sich tiefer mit dem Thema beschäftigen wollen. Auch der Test ist eine interessante Ergänzung. Ich habe ihn leider noch nicht testen können, werde es aber vielleicht einmal in einer geeigneten Situation tun. Alles was dazu nötig ist findet sich im Buch bzw. Auf der Vahlen Website.

Thiel, Marion/ Pietzko, Sylvia (2024). Die Narzissmus-Bilanz. Vahlen: München.    

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Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.