Das Führen von Projekten – Herausforderung und Handwerk

SySt GPD Schema“Das Budget reicht uns nicht!”, “Wir brauchen dringend neues Equipment, um das Projekt fertig zu stellen!”, “Im Projektteam rappelt es ganz schön – jeder arbeitet nur für sich!”, “Der Projektleiter hat wohl schon länger den Überblick verloren!”. Nur einiges an Statements, die in Projekten keine Seltenheit sind.

Die Führung von Projekten ist in der Regel herausfordernd, das ist keine Frage. Projektleiter stehen nicht selten vor größeren Herausforderungen als Linienmanager, da sie es meist mit knapperen Ressourcen, engeren Zeitfenster, instabileren oder wechselnden Teams oder sich ändernden Zielen und Erwartungen. Um hier erfolgreich zu sein, bedarf es besonderer Skills und Kompetenzen, die gute Projektmanager haben sollten. Doch diese sind nicht nur Begabung, sondern, wie Fredmund Malik auch zu sagen pflegt, “solides Handwerk”. Dieses lässt sich erlernen und zusätzlich ein gutes Werkzeug macht schließlich den Meister.

Das SySt® GPD-Schema als heuristischer Syntax

Ein nützliches Werkzeug, das sich in der Führung von Projekten, und nicht nur diesen, breit und generalistisch einsetzen lässt, ist das sogenannte Glaubenspolaritäten-Dreieck (GPD Schema). Es ist eine bedeutende heuristische Syntax von SySt® zu lebendigen Systemen. Inspiriert von der Religionsphilosophie (Schuon, F. (2007)) sowie beruhend auf der Einteilung von Yoga-Formen nach Patanjali

[1] und der Semiotik von Peirce (Peirce, C. S. (1983)), greift das GPD den Gedanken triadischer Systeme auf und stellt hierarchiefrei vernetzte Aspekte bewusst handelnder, lebendiger Systeme in direkte Beziehung (Daimler (2008)) und stellt somit eine Reflexionsgrundlage für eben diese Systeme dar.

Das GPD hat an den Ecken die zugewiesene Begriffe “Ordnung/ Struktur”,  “Beziehung” und “Erkenntnis”. Hintergrund ist die Idee, dass in jedem System alle drei Qualitäten, repektive Pole (Ecken) hinreichend existent und balanciert sein sollten, da bei Unausgewogenheit Risiken einer langfristigen Dis-Balance entstehen. Positiv formuliert können sie auch als “Kraftquellen” für Systeme verstanden werden, die diese stärken. Doch was heißt dies konkret und ganz “un-esoterisch” für Projektmanager und das erfolgreiche Führen von Projekten?

Die Führung von Projekten mit dem GPD

Der Projektleiter oder auch jede andere Führungskraft sollte versuchen, in ihrem Führungshandeln eine Balance zwischen den drei Polen zu schaffen. So ist direkt einsichtig, dass zu viel Struktur in einem Projekt ebenso hinderlich ist, wie zu wenig oder dass zu viel gemeinschaftliches Miteinander ebenso wenig förderlich ist, wie zu wenig. Welche Möglichkeiten der Gestaltung der drei Zugänge für erfolgreiche Projektführung gibt es?

(1) Struktur/ Ordnung

Durch geeignete Strukturen und Prozesse, sowie Regeln und Verfahrensweisen in einem Projekt wird eine ausreichende Ordnung geschaffen, um nicht immer wieder spontan und aufs Neue entwickeln und entscheiden zu müssen. Zur Ausgestaltung dieses Pols helfen die klassischen Projektmanagement Instrumente und Verfahren. Hierzu gehören z.B. ein formaler Projektauftrag und eine strukturierte Projektplanung, regelmäßige Projekt-Jour Fixes und Steering Committee Meetings, standardisierte regelmäßige Projekt-Statusberichte oder auch evtl. die Zeiterfassung für Projektmitarbeiter. Oft scheitern Projekte an der Vernachlässigung der Ordnung, wenn zu wenig Wert auf Regelmäßigkeit und Formalia gelegt wird. Indikatoren können Dinge sein, wie…

  • Die Projektteammitglieder wirken unorganisiert und haben kein gemeinsames Verständnis wo das Projekt steht.
  • Projektmeetings werden nur Ad-hoc einberufen und die Rollen im Projekt sind nicht oder kaum bekannt.
  • Schriftlichkeit und Dokumentation wird abgelehnt oder nur sporadisch genutzt. Das Reporting wird nicht aktiv gelebt und verwendet. Es wird nicht gelesen und es gibt keine Reaktionen auf kritische Punkte.

(2) Beziehung

Neben dem Ordnungspol ist als zweites der Beziehungspol von Bedeutung. So ist es in einem Projekt besonders die Kommunikation und der Austausch wichtig. So geht es für den Projektleiter darum, ausreichende Möglichkeiten der Begegnung und Beziehung zu schaffen und über den Projektverlauf zu halten. Es geht darum, ausreichend Raum für Diskussion und Zusammenarbeit zu schaffen, um sich gegenseitig besser kennenzulernen und einzuschätzen sowie das Projekt gemeinsam zu erleben. Oft scheitern Projekte an der Vernachlässigung dieser Komponente, wenn zu viel Wert auf reinen Formalismus im Projektmanagement gelegt wird.  Indikatoren können Dinge sein, wie…

  • Es wird ausschließlich über Reportings kommuniziert. Weder der Projektmanager, noch die Projektauftraggeber oder das Steering Committee sprechen ausreichend miteinander.
  • Es gibt keine oder kaum Meetings. Weder persönliche, noch über Video-Konferenzen bei verteilten Teams.
  • Die Projektteammitglieder kommen nur selten alle zum Jour Fixe oder wenn entsteht eher eine “hierarchische” Kommunikation zwischen Projektleiter und Projektteam.
  • Wichtige und/ oder kritische Themen werden nicht oder kaum besprochen. Es gibt keine Diskussionskultur. Themen werden nicht ausdiskutiert, es scheint keine kontroversen Meinungen zu geben.
  • Eine emotionale Stimmung ist in Meetings nicht warnehmbar.
  • Jedes Projektteammitglied fühlt sich nur für sein eigenes Thema, nicht für das Gelingen des Gesamtprojektes verantwortlich.
  • Es gibt keine gemeinsamen Aktivitäten des Projektteams mit dem Projektleiter.
  • Es gibt keine Feiern wichtiger Meilensteine, weder offiziell, noch inoffiziell.

(3) Erkenntnis/ Wissen

Als drittes ist der Erkenntnis- oder Wissenspol von Bedeutung. Hierbei geht es darum, gemeinsam im Projektteam zu neuen Erkenntnissen zum Ziel und zu Lösungen zur Erreichung dieses Ziels zu kommen. Hierzu gilt es seitens des Projektleiters ausreichend Gelegenheiten zu schaffen, dass das Projektteam wirklich gemeinsam an der Sache arbeitet und nicht jedes Teammitglied einzeln an einem kleinen Teilbereich. Wichtige Ansatzpunkte sind hier bereits zu Projektbeginn ein gemeinsames Verstehen der Projektaufgabe und Erkennen eines gemeinsamen Lösungsweges über Projekt-Kickoff Meetings. Im Projektverlauf geht es dann darum, ausreichend gemeinsame Workshops oder Workgroups zu initiieren und einzuplanen, die den gegenseitigen Austausch gezielt fördern. Oft scheitern Projekte an der Vernachlässigung dieser Komponente, wenn zu wenig Wert auf gemeinsamen inhaltlichen Austausch gelegt wird und das “Gemeinsame” primär als “Socializing” und “Feiern” verstanden wird. Indikatoren können Dinge sein, wie…

  • Das Projektteam versteht sich privat super, diskutiert aber wenig die Probleme und Schnittstellen des geplanten Projektergebnisses.
  • Die Projektteam-Mitglieder haben keine oder lediglich bilaterale Abstimmungsmeetings zu Projektthemen und verstehen das “big picture” des Projektes nicht.
  • Der Projektleiter organisiert keinerlei inhaltliche Abstimmungsmeetings und überlässt die übergeifende Koordination völlig den Projekttrammitgliedern.
  • Es kommt in Projektmeetings und Jour Fixes immer wieder zu Missverständnissen. Im mittleren und späteren Projektverlauf kommt es immer wieder zu eigenartigen Fragen, die bereits in früheren Phasen geklärt wurden oder aber hätten bereits in diesen gestellt oder geklärt werden müssen.
  • Die Steering Committee Mitglieder oder der Projekt-Auftraggeber stellen keinerlei kritische Fragen in den Steering Committees oder Meetings, zeigen nur oberflächliche Kenntnis oder kaum Interesse an den Inhalten.
  • In Meetings werden ausschließlich “Meta-Informationen” des Projektmanagements, wie Zeitplan, Ressourcen oder Budget diskutiert. Inhaltliche Fragen werden nie angesprochen und völlig ausgeblendet.

 Balancieren im GPD

Führung kann im GPD nun als ein Ausbalancieren der drei Komponenten betrachtet werden. Wie in den Beispielen bereits deutlich wurde, lassen sich Aktivitäten nicht immer eindeutig den drei Pole zuordnen. Dies liegt an der fraktalen Struktur des GPD Schemas. Alle Aktivitäten einer Führungskraft beinhalten immer alle 3 Pole des GPD Schemas. Das GPD Schema hilft dem Projektmanager dabei, bei allen Aktivitäten immer alle 3 Pole im Auge zu behalten und damit eine gute Balance für der Projekt zu schaffen. Ungleichgewichte können somit schneller erkannt werden.

Erfahrungen

Wir nutzen das GPD Schema sehr intensiv in unseren Beratungs- und Coaching-Projekte und haben damit außerordentlich gute Erfahrungen gemacht. Gerade aufgrund seiner Einfachheit, die oft zunächst als Trivialität missverstanden wird, schafft es eine Basis, die bei jeder Anwendung eine situative Tiefe erreichen kann, die oft verblüffende Ergebnisse und Wirkungen liefert.

Literatur

Daimler, Renate (2008), Basics der systemischen Strukturaufstellungen, München 2008

Ferrari, E. (2011a), Führung im Raum der Werte – Das GPA Schema nach SySt®, Aachen 2011

Peirce, C. S. (1983), Phänomen und Logik der Zeichen, Suhrkamp Verlag 1983

Schuon, F. (2007), Von der inneren Einheit der Religionen, Verlag Maurer, Hans J., 2007

 

 


[1] Bhakti-Yoga betont die Liebe, Mitgefühl und Vertrauen, Jnana-Yoga eher Wissen und Einsicht sowie Karma-Yoga Ordnung, Handlung und Verantwortung.