Die Autorin und das Buch

Radical Candor - Kim Scott - Rezension - xm-institute - Dr. Oliver MackDas heute besprochene und bei Vahlen kürzlich erschienene Buch ist eine Übersetzung des gleichnamigen Werks us dem Amerikanischen 2019.

Die Autorin Kim Scott ist Mitbegründerin und CEO der gleichnamigen Firma „Radical Candor“, die Beratung und Trainingsleitungen für Führungskräfte anbietet. Die Autorin lebt im Silicon Valley, wo sie zuvor für Firmen wie YouTube und Google tätig war und dann als Führungskräfte-Coach bei Firmen wie Dropbox, Twitter und Apple arbeitete.

Der Begriff und die zugehörige Methodik, von der das Buch handelt, „Radical Candor“ kann laut Scott mit „Wertschätzender Aufrichtigkeit“ übersetzt und beschrieben werden. Es betont die Bedeutung von beiden Elementen für ein wertvolles Feedback, klar und deutlich zum Handeln und zur Veränderung auffordert ohne dabei übergriffig und abwertend zu wirken. Das Buch umfasst neben Einleitung und Anhang auf rund 380 Seiten acht Kapitel, die in zwei Hauptteile untergliedert sind. Schauen wir uns diese Inhalte einmal genauer an.

Die Inhalte

In der Einleitung und Einführung zum Buch wird zunächst deutlich, dass es sich um eine überarbeitete Version der Erstausgabe des Buches handelt. So macht die Autorin deutlich, dass von einigen LeserInnen die Empfehlungen missverstanden wurden und als Basis für direktes unverblümtes und verletzende Rückmeldungen an Mitarbeitende durch Führungskräfte genutzt wurde. Und so stellt sich deutlich bereits zu beginn heraus, dass mitfühlende Aufrichtigkeit in keinster Weise aggressive Offenheit oder Manipulation Aufrichtigkeit in der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden bedeutet.  

Teil 1 „Eine neue Managementphilosophie“ umfasst dann auf 130 Seiten und 4 Kapiteln zunächst die nähere Beschreibung des Konzepts des Radical Candor:

  1. Wertschätzend aufrichtige Beziehungen aufbauen – Bringen sie ihr ganzes Ich zur Arbeit: Hier gehts zunächst um die Führungsaufgabe an sich und wie sich diese von der Fachaufgabe abgrenzt. Hierzu führt die Autorin ein Modell ein, das die Führungskraft ins Zentrum stellt und durch die Kreise Beziehungen, Verantwortlichkeiten und Kultur umgibt. Die drei Elemente, die für Scott von Bedeutung sind und im Buch immer wieder aufgegriffen werden, sind dann das Team, die Ergebnisse und das Feedback. Dann werden die beiden Elemente von Radical Candor näher erläutert: Wertschätzung und Aufrichtigkeit und wie diese beiden Elemente in der zwischenmenschlichen Zusammenarbeit von Bedeutung sind.
  2. Feedback – Bekommen, geben und fördern – Wie sie eine Kultur der offenen Kommunikation schaffen: In diesem Kapitel geht es zunächst um die Frage, was gutes Feedback ist, das eine Führungskraft einem Mitarbeitenden zuteil werden lassen kann. Die beiden Dimensionen Wertschätzung und Aufrichtigkeit spannen dabei je nach Intensität einen Raum mit vier Feldern auf, die dann im einzelnen näher beschrieben werden: Manipulative Unaufrichtigkeit, schädliche Empathie oder aggressive Offenheit lassen dabei mindestens eine der beiden Komponenten vermissen. Sind beide vorhanden erhalten wir wertschätzende Aufrichtigkeit.
  3. Herausfinden, was jeden Einzelnen im Team motiviert – Wie sie den Menschen helfen, einen Schritt in Richtung der Erfüllung ihrer Träume zu machen: Dieses Kapitel entwickelt zunächst ein Modell zur Mitarbeitendenentwicklung. Es soll das (nicht nur) in den USA gängige McKinsey Modell der 9 Felder und den Dimensionen aktuelle Leistung und Potenzial ablösen. Es ersetzt das Potenzial durch Wachstum und stellt die Frage, ob eine Person im Team persönlich wachsen will oder nicht. Dies belohnt auch Menschen im Team, die eine gutr Arbeit leisten, aber (aktuell) kein Interesse an einer Weiterentwicklung haben und so für die Stabilität im Team einen wichtigen Beitrag leisten. Die so entstehenden 6 Felder Leistung (gering, durchschnitt, hoch) und Wachstum (steile Kurve, flache Kurve) werden dann schritt für Schritt mit Ideen zur Nutzung erläutert.    
  4. Gemeinsam Ergebnisse erzielen – Menschen vorzuschreiben, was sie tun sollen, funktioniert nicht: Dieses Kapitel liefert zunächst Beispiele von Steve Jobs und Google, warum es nicht funktioniert, Menschen vorzuschreiben was sie tun sollen. Im Anschluss daran stellt Scott dann ihren 7-stufigen Prozess, das “Get Stuff Done”-Rad vor, das helfen kann, Dinge zu erledigen ohne Vorschriften zu machen. Auch diese 7 Schritte werden mit Beispielen und weiteren Gedanken vertiefend vorgestellt.  

Teil 2 „Tools und Techniken“ beinhaltet auf gut 130 Seiten die restlichen 4 Kapitel. Hier kommt Scott auf ihr Führungsmodell der konzentrischen Kreise zurück, greift alle wichtigen Elemente in einzelnen Kapitel auf und stellt dabei konkrete Tools und Techniken vor.

  1. Beziehungen – Ein Ansatz zum Aufbau von Vertrauen bei ihren direkten Mitarbeitern: Als Grundlage gehts zunächst um Selbstführung. Dann gibts praktische Tipps zum Thema Freiheit bei der Arbeit, soziale Kontakte bei der Arbeit und Grenzen.
  2. Feedback – Ideen, um Lob und Kritik entgegenzunehmen/ zu äußern/ zu fördern: Dieses Kapitel liefert Beispiele und Ideen zum Feedback geben, Feedback nehmen und eigenes Feedback bewerten, mit vielen praktischen Tipps.
  3. Team – Wie Sie Langeweile und Burnout vermeiden: Dieses Kapitel widmet sich Tipps zum Thema Teammanagement, wie Entwicklungsgesprächen, Personalgewinnung, -förderung und Entlassung. Es geht auch  darum, wie man als Führungskraft nicht gefühlt abwesend ist ohne gleich ins Mikromanagement einsteigen zu müssen. Hierzu findet wieder die 6-Feldermatrix aus Kapitel 3 Anwendung.
  4. Ergebnisse – Wie sie gemeinsam mehr erreichen – und schneller: Hier wird der 7-stufige Prozess aus Kapitel 4 wieder aufgegriffen und vertiefend besprochen. Den einzelnen Schritten werden Tools, wie Einzelgespräche, Teammeetings, Nachdenk-Zeit, Diskussions- und Entscheidungsmeetings sowie Mitarbeiterversammlungen thematisiert. Auch meetingfreie Zonen, Kanban Boards, Rundgänge a la Gemma Walks. Abschließend erfolgt ein kleiner Blick in Richtung Kultur.

Im Nachwort zur überarbeiteten Auflage gehts dann um die Frage nach der Einführung von Radical Candor. Neben das Autorin haben hier auch Jason Rosoff und Amy Sandler am Kapitel mitgewirkt. Das Kapitel beschreibt abschließend auf nochmals gut 30 Seiten, in welcher Reihenfolge man bei der Umsetzung vorgehen sollte.

Zum Schluss wird noch ein “Bonuskapitel” nachgereicht, das auf das Thema wertschätzend aufrichtige Leistungsbeurteilung eingeht. Aus meiner Sicht zum Schluss nochmals ein kleiner Schatz, da es sich im Groben um die auch von uns unter anderem Namen empfohlene Methodik zur skalenorientierten lösungsfokussierten Leistungsbeurteilung handelt.

Das Fazit

Das Buch ist aus meiner Sicht heraus aus einer stark amerikanisch – Silicon Valley geprägten Sicht verfasst. Dies ist nichts Schlechtes, doch sollte man sich dessen gewahr sein. Vieles, was in der rauen und schnellen Welt der Technologie und des Venture Capitals des Valleys betont werden muss, ist bei uns in Europa oft inzwischen Standard. So sind viele Tipps gut, aber nicht sehr überraschend und neu und auch in europäischen Büchern zu finden. Sehr gut hingegen fand ich auf der anderen Seite den Hintergrund und die Arbeitserfahrung der Autorin im Valley. Immer wieder bringt Scott Beispiele von bekannten Silicon Valley Größen, wie Steve Jobs von Apple oder den beiden Google Gründern Sergej Brin und Larry Page und anderen Unternehmen ein.

Teil 2 würde ich weniger als Tools und Techniken denn als Tipps und Tricks Kapitel bezeichnen, da es eine Vielzahl praktisch anwendbarer Kniffe beinhaltet, die auf den Modellen aus Teil 1 beruhen.

Alles in allem ein schlüssiges Buch mit einem Führungsmodell, das bewusst trotz Wertschätzung die Ergebnisorientierung und klare Erwartungsäußerung nicht außer Acht lässt. So ist es für mich eine Leseempfehlung, die gut neben anderen europäischen Büchern zu Wertschätzung und Neuer Führung bestand haben kann, da sie bewusst und gleichwertig den Leistungsgedanken und die klare Rückmeldung zur Mitarbeitendenleistung betont. Allzuhäufig scheuen sich Führungskräfte zunehmend davor, diese klare Rückmeldung zu geben, um Konflikte mit Mitarbeitenden zu vermeiden. Nützlich wäre im Buch noch ein Teil zum Umgang mit der Gen Z und alpha und welche Auswirkungen dieser Kontext auf die Modelle hätte. Auch die Übersetzung scheint gut gelungen, auch wenn ich das Original nicht zum Vergleich gelesen habe. Die deutsche Fassung ließt sich flüssig und gut. 

Und so sei das Buch aus meiner Sicht vor allem an jungen und angehenden Führungskräften und solche, die international oder im Valley arbeiten oder arbeiten wollen, empfohlen. Aber auch Führungscoaches und -beraterInnen die ihr Ideen- und Toolrepertoire erweitern wollen, werden sicherlich fündig.

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Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.