Das Buch und die Autorin
Das heutige Buch beschäftigt sich mit dem Thema “Agile Organisationsentwicklung” und reiht sich damit in die Reihe der Bücher ein, die dabei helfen wollen, ein agileres Arbeiten in Organisationen umzusetzen und die hierfür notwendige Transformation zu begleiten.
Die Autorin, Judith Andresen, kommt ursprünglich aus der Pädagogik, war dann bei Sinner und Schrader und ist seit 2012 als agile Organisationsentwicklerin und Coach selbstständig. Als Autorin ist sie keine Unbekannte: Sie hat bereits mehrere Veröffentlichungen zum Thema Agile auf ihrem Konto, unter anderem 2019 das Buch “Agiles Coaching” beim Hanser Verlag. Auch das heutige Buch erschien wieder bei Hanser als Paperback in der IT-Management Reihe. Wie immer bei Hanser mit einem “ebook inside”, der wundervollen Möglichkeit, ein PDF bzw. EPUB des Werks für unterwegs herunterzuladen.
Das vorliegende Buch zielt laut Andresen darauf ab, eine praktische Anleitung für Unternehmen zu bieten, die agile Prinzipien und Methoden einführen möchten. Es soll den Lesern das Wissen und die Werkzeuge, um agile Transitionen effektiv umzusetzen, wobei der Schwerpunkt auf iterativen, inkrementellen und lernbasierten Ansätzen für die Organisationsentwicklung liegt. Letztlich soll das Buch Unternehmen ermutigen, eine Kultur des kontinuierlichen Lernens und der Anpassung zu fördern, um die Komplexität des heutigen Geschäftsumfelds zu meistern. (Andresen, 2024). Das Buch ist hierzu neben einer Einleitung, “Lesehinweisen”, einer Übersicht der Beispiele, Danksagung, Liertaturhinweisen und Links sowie einem Index in 14 Kapitel unterteilt. Alle Kapitel sind in Unterkapitel, einige Unterkapitel auf eine 3. Ebene strukturiert. Insgesamt umfasst das Buch gut 420 Seiten. Definitionen, Erklärungen, Zitate und Beispiele sind mit Symbolen und blauen Kästen im gesamten Text hervorgehoben. Steigen wir nun in die Inhalte genauer ein.
Die Inhalte
- Kapitel 1: Organisationen agil entwickeln: Hier wird der Rahmen zum Buch gesetzt, indem die Notwendigkeit agiler Transformation und der (systemische) Organisationsbegriff näher erläutert werden. Es schließt mit der Definition der Autorin für Agile Organisationsentwicklung: “Agile Organisationsentwickler*innen begleiten Organisationen und Teams ins strategische Lernen” sowie einigen Selbstreflexionsfragen hierzu.
- Kapitel 2: Experimentieren, Changes und agile Transitionen gestalten, Transformationen managen: Dieses Kapitel behandelt verschiedene Ansätze für organisatorische Veränderungen. Hierzu nutzt die Autorin den “Circle of Concern, Influence and Control” und VUCA. Je nach Klarheit von Zielraum und Klarheit der Organisationshebel differenziert sie zwischen Change, Transformation, Agiler Transition und Experimenten als unterschiedliche Formen von Veränderungsprozessen. Zur Untermauerung nutzt sie Ansätze wie die Stacey-Matrix, Cynefin Framework, PDCA Circle, Kotters 8 Phasen der Veränderung oder Nemawashi. Ein Reigen verschiedenster Tools, Konzepte und Methoden aus der Agilen Community, der OE Community und weit darüber hinaus. Auch die Kübler-Ross Kurve oder das SCARF Modell dürfen hier nicht fehlen.
- Kapitel 3: Agiles Manifest einlösen: Dieses Kapitel hebt die Bedeutung des “Agilen Manifests für Softwareentwicklung” als Grundlage für agile Organisationsentwicklung hervor. Es beschreibt die vier Werte und zwölf Prinzipien des Manifests und ermutigt die Leser, sie in ihrem organisatorischen Kontext zu verstehen und anzuwenden. Das Kapitel betont, dass das Manifest Leitlinien und keine starre Blaupause für die Team- oder Organisationsstruktur bietet und für Flexibilität und Anpassung plädiert.
- Kapitel 4: Anders, neu und voraus: Innovativ in der Organisation handeln: Dieses Kapitel konzentriert sich auf das Konzept der Innovationsakzeptanz innerhalb von Organisationen und zieht Parallelen zu Everett Rogers’ Diffusionstheorie. Es beschreibt die fünf Kategorien von Adoptern: Innovatoren, Early Adopters, frühe Mehrheit, späte Mehrheit und Nachzügler. Das Kapitel unterstreicht, wie wichtig es ist, die Bedürfnisse und Anliegen jeder Gruppe zu verstehen und zu berücksichtigen, um eine erfolgreiche Akzeptanz von Innovationen zu ermöglichen. Darüber hinaus wird die Bedeutung von Minimum Viable Products (MVPs) und Design-Thinking-Zyklen hervorgehoben, um die Akzeptanz agiler Methoden zu fördern.
- Kapitel 5: Iterativ, inkrementell, lernend Organisationen entwickeln: Dieses Kapitel beschreibt die Grundprinzipien der agilen Organisationsentwicklung: iterative, inkrementelle und lernbasierte Ansätze. Es plädiert für das Arbeiten in Lernzyklen und beschreibt die Bedeutung des schrittweisen Übergangs zu einer iterativ-inkrementellen Arbeitsweise.
- Kapitel 6: Agile Transitionen designen: Dieses Kapitel bietet einen praktischen Leitfaden für die Gestaltung und Umsetzung agiler Transitionen. Er plädiert für eine eher iterativ-inkrementelle Vorgehensweise in einem komplexen Organisationsumfeld. Wir würden hier im xm-institute von Selbstähnlichkeit des Transformationsprozesses zum gewünschten Zielzustand der Organisation sprechen und dies voll unterstreichen. Sodann durchläuft Andresen unterschiedliche Schritte und beschreibt in diesen die Rolle der agilen OrganisationsentwicklerIn. Zunächst geht es um die Auftragsklärung, die zum Organisationsanliegen führt. Dieses kann, da im Gegensatz zur Auftragsklärung eines Coachings zu Beginn noch widersprüchlich oder unklar formuliert sein, ebenso der Zielraum. Was es dann braucht, ist eine Lernkette. Über ein Transformationsteam muss Verantwortung für die Veränderung übernommen werden und dieses in iterativen Zyklen begleitet werden. Dabei werden auf verschiedenste Weisen Ideen zu Organisationshebeln entwickelt, der Zielraum versucht zu formulieren, und dessen schrittweise Erreichung anzugehen und den Fortschritt hierbei zu messen. Auch gilt es dabei, der Kommunikation in und mit der Organisation ein besonderes Augenmerk zu widmen und die Organisation entsprechend zu involvieren.
- Kapitel 7: Prinzipien der agilen Veränderung folgen: Dieses Kapitel beschreibt zwanzig Prinzipien für eine erfolgreiche agile Organisationsentwicklung und hebt Werte wie Arbeiten auf Augenhöhe, das Akzeptieren von Fehlern als Lernmöglichkeiten, die Konzentration auf die Wertschöpfung und die Förderung einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung hervor. Es unterstreicht die Bedeutung von Einfachheit, von kleinen Anfängen und der iterativen Skalierung erfolgreicher Initiativen. Allerdings steht es an dieser Stelle etwas isoliert.
- Kapitel 8: Als agile*r Organisationsentwickler*in ins strategische Lernen begleiten: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Rolle von Agile Coaches und Beratern bei der Unterstützung von organisatorischen Veränderungen. Es betont, wie wichtig aktives Zuhören, Anleitung und Unterstützung sowie die Befähigung von Unternehmen sind, die Verantwortung für ihren agilen Weg zu übernehmen.
- Kapitel 9: Organisationsmuster erkennen und überwinden: Dieses Kapitel befasst sich mit gängigen Organisationsmustern, die agile Transformationen behindern können. Es untersucht z.B. systemische Überlastung, Abwehrmechanismen, wie “othering”, den “Teufelskreis” nach Schulz von Thun und Pfadabhängigkeiten als potenzielle Hindernisse für Veränderungen. Andresen gibt Einblicke und Strategien, wie diese Muster erkannt und angegangen werden können, um eine reibungslosere Transformation zu ermöglichen.
- Kapitel 10: Lernen neu lernen: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Förderung einer Kultur des kontinuierlichen Lernens und der Verbesserung innerhalb von Organisationen. Es werden Konzepte wie Lernzonen, psychologische Sicherheit und die Bedeutung von Feedback und Reflexion für das Lernen in Organisationen untersucht. Das Kapitel stellt zahlreiche praktische Werkzeuge und Techniken vor, darunter Lernen aus Experimenten, Retrospektiven, Post-Mortem-Analysen und den Feedback, um effektives Lernen und Anpassen zu ermöglichen.
- Kapitel 11: Prozesse modellieren: Dieses Kapitel bietet einen praktischen Leitfaden für die Modellierung und Anpassung von Organisationsprozessen, getreu dem Motto: “Im Agilen erst die Prozesse, dann die Strukturen!”. Es werden zahlreiche agile Methoden und Werkzeuge kurz vorgestellt, z. B. Scrum, Kanban, Extreme Programming (XP), Design Thinking, Design Sprints, Minimum Viable Products (MVPs) und das St. Galler Management-Modell. Das Kapitel betont, wie wichtig Flexibilität und die Anpassung dieser Methoden an die spezifischen Bedürfnisse und den Kontext des Unternehmens sind.
- Kapitel 12: Führung an Teams ausrichten: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die sich wandelnde Rolle der Führung in agilen Organisationen. Es betont die Notwendigkeit eines Wandels von traditionellen, hierarchischen Führungsmodellen hin zu kollaborativeren und ermächtigenden Ansätzen im Sinne einer Lernunterstützung. Das Kapitel befasst sich mit wichtigen Führungspraktiken wie dem Setzen einer klaren Richtung, der Förderung von Autonomie und Selbstorganisation, der Ermöglichung effektiver Entscheidungsfindung und der Förderung von Transparenz und Kommunikation.
- Kapitel 13: Sich organisieren und die Organisation strukturieren: Dieses Kapitel befasst sich mit verschiedenen Organisationsstrukturen und -modellen, die für agile Organisationen geeignet sind. Es werden die Grenzen traditioneller hierarchischer Strukturen erörtert und alternative Modelle wie selbstorganisierte Teams, flache Hierarchien und Netzwerkorganisationen vorgestellt. Das Kapitel betont, wie wichtig es ist, die Organisationsstruktur an den Prinzipien der Agilität auszurichten, wie z. B. Kundenorientierung, Flexibilität und Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen.
- Kapitel 14: Stolperfallen auslassen: Dieses Kapitel beleuchtet häufige Fallstricke, auf die Unternehmen bei agilen Transformationen stoßen können, und gibt Hinweise, wie diese vermieden oder abgeschwächt werden können. Judith Andresen stellt 33 Fallstricke vor, die bei Agilen Transfomationen auftreten können.
Das Fazit
Judith Andersen liefert mit diesem Buch ein umfassendes Werk zum Thema agile Organisationsentwicklung, das sich gut ins Gesamtprogramm zum Agilen Management bei Hanser einpasst und dieses gut ergänzt. Es versucht dabei möglichst vollständig alle wichtigen OE Konzepte und Ansätze in den agilen Kontext zu stellen und so eine umfassende Hilfestellung hin zu agileren, in ihrem Sinne strategisch lernenden Organisationen zu geben. Dies ist einerseits ein Vorteil, da die Autorin umfassend viele Ideen und Konzeote der traditionellen und agilen Welt integriert. Andererseits könnte es für Neueinsteiger schwer sein, den roten Faden zu behalten und eine gute EInordnung der gesamten Konzepte hinzubekommen. Selbst für alte Hasen wie mich war dies teilweise schwer. Und doch sind im Buch zahlreiche nützliche Ideen und Gedanken enthalten, die über ein “Abschreiben und Zusammenfassen aus anderen Büchern” weit hinausgehen. Und so gelingt es das Autorin auch, ein eigenständiges Gedankenmodell agiler Organisationsentwicklung aufzubauen, das wenn man sich gut darauf einlässt, auch sehr viele neue Gedanken und Ideen liefern kann, auch wenn man mit der einen oder anderen Einordnung nicht immer mitgehen muss. Gut gefallen haben mir somit viele Teile in diesem umfangreichen Buch. Anregungen aus dem der Autorin originären OE-Modell, einzelne praktische Tools, wie auch die “Organisationsmuster” aus Kapitel 9 sowie die vielen vielen Stolperfallen in Kapitel 14 bieten dem/der agilen OE-EntwicklerIn Anker für die Praxis.
Als Zielgruppe des Buchs würde ich so vor allem OE’ler der Agile Community, Agile Coaches aber auch klassische OE Experten sehen, die einen agilen Blick auf die Materie aus den Augen der Autorinwerfen wollen. Sie finden zahlreiche Anregungen. Ich fand das Buch nützlich und werde es sicherlich hie und da mal wieder zur Hand nehmen.
Andresen, Judith (2024). Agile Organisationsentwicklung. Hanser.
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Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.
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