Lev - Die Kunst, Unsicherheit zu lieben - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteDie Autorin und das Buch

Das heutige Buch trägt ein Stichwort im Titel, das auch uns am xm-institute mit unserem Hang zur Forschung und Anwendungsentwicklung im Bereich von VUCA und Führung der Zukunft intensiv beschäftigt. So steht ein Buchstabe im Wort VUCA für „Uncertainty“ – „Ungewissheit“, der sich zwar signifikant vom Begriff der Unsicherheit unterscheidet, aber auch eng mit diesem zusammenhängt. Und so war ich auch auf das Buch der Autorin Jana Lév gespannt. 

Die Autorin ist systematische Beraterin und Inhaberin der „NOEMA Unternehmensgestaltung, Strategie- und Organisationsdesign“, die in Zürich in der Schweiz ansässig ist. Sie arbeitet, ebenso wie wir am xm-institute mit einem Netz an Partnern zusammen. Laut LinkedIn war sie Mitbegründerin von Dark Horse in Berlin und zuvor in den Bereichen Customer Experience, Innovation, Beratung und Unternehmensentwicklung tätig. Doch steigen wir in das Buch ein, das gut sichtbar in einem modernen Cover-Design ganz in rosa daherkommt. Es trägt den Untertitel „Ein Praxisleitfaden für zukunftsgerichtete und wirksame Unternehmensgestaltung“ und ist bei Vahlen erschienen. Auf gut 275 Seiten gibts in 17 Kapiteln, einem Vorwort und einem Nachwort, sowie einem kurzen Quellenverzeichnis die Gedanken und Ideen von Lév, in die wir nun genauer einsteigen wollen.

Die Inhalte

Steigen wir etwas genauer in die einzelnen Kapitel ein:

  • Vorwort:
    Das Vorwort führt in die zentrale Idee des Buches ein: Unsicherheit nicht als Bedrohung, sondern als Innovationskatalysator zu begreifen. Es schildert die Entstehung des Buchs, beschreibt dessen Struktur (Einführung, Beispiele, Methoden) und hebt hervor, dass jedes Kapitel für sich allein verständlich ist. Außerdem wird die praktische Anwendbarkeit durch Methoden, Reflexionsfragen und kreative Hilfsmittel (wie Spotify-Playlisten) unterstrichen.
  • Mittelmäßigkeits-Exodus:
    Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Rückzug aus der Komfortzone der Mittelmäßigkeit. Es beschreibt, warum Unternehmen im Durchschnitt verharren, welche Gefahren das birgt und warum der Schritt ins Ungewisse nötig ist, um Innovation zu ermöglichen. Es stellt das Konzept der VUCA-Welt vor und thematisiert Entscheidungsfindung unter Unsicherheit. Zum Abschluss wird als Methode das Zirkuläre Fragen als Praxistool vorgestellt. Ebenso gibt es Raum für Notizen und Reflexion. 
  • Darwin 2.0:
    Das Kapitel betrachtet den proaktiven Umgang mit Unsicherheit als evolutionäre Weiterentwicklung unternehmerischer Geisteshaltung. Es thematisiert die Illusion von Sicherheit und fordert ein Mindset, das ständige Anpassung und Veränderung nicht nur akzeptiert, sondern strukturell einfordert. Die vorgestellte Methode ist hier „Bird-in-the-hand“.
  • Mut-Ökonomie:
    Hier wird Mut als neue unternehmerische Währung vorgestellt. Angst hemmt Innovation; Mut bedeutet, Unsicherheit zu umarmen und als Entwicklungsmotor zu nutzen. Das Kapitel beleuchtet Strategien, um mutige Kulturen zu fördern, und illustriert anhand realer Beispiele mutiger Entscheidungen. Auch hier wird wieder eine Methode vorgestellt: Das „Tetralemma“.
  • Fehlschlag-Phänomene:
    In diesem Abschnitt geht es um Scheitern als integralen Bestandteil des Innovationsprozesses. Es werden Methoden wie „Build-Measure-Learn“ und das „Jobs-to-be-Done“-Prinzip vorgestellt. Zentral ist der Umgang mit Fehlern: kontrolliertes Experimentieren statt perfektionistische Planung. Scheitern sollte nicht als Gegenteil von Erfolg, sondern als der Weg dorthin verstanden werden (Lév, 2025, 59). Als Tool gibts das „Rapid Prototyping“.
  • Störungskultur:
    Ausgehend vom physikalischen Prinzip „Ordnung durch Störung“ wird beschrieben, wie Unternehmen Störungen produktiv nutzen können. Mit dem Bild einer Orchesterprobe wird ein kreatives Organisationsbild entworfen, bei dem U-Shaped Teams als adaptive Strukturträger fungieren. Diese werden weitgehend als bekannt vorausgesetzt. Es handelt sich um die Idee, Teams nach Otto Scharner’s Theory U zu gestalten. Als Tool wird das „Konsent-Modell“ vorgestellt.
  • Büro-Rebellen:
    Das Kapitel propagiert die Wertschätzung unbequemer Mitarbeiter:innen – Rebell:innen und Diven – als wichtige Treiber:innen von Innovation. Es fordert eine Unternehmenskultur, in der Andersdenken nicht nur erlaubt, sondern aktiv gefördert wird. Methode hier: Die Sokratische Wahl.
  • Innovations-Symphonie:
    Ein Plädoyer für interdisziplinäre Zusammenarbeit statt isolierter Innovationsabteilungen. Das Kapitel fordert „Symphoniefähigkeit“: Die Fähigkeit, gemeinsam neue Chancen zu erkennen und umzusetzen. Es verweist u.a. auf das Modell der Agora-Schulen als Inspirationsquelle. Methode in diesem Kapitel: Design Thinking
  • Vertrauens-Turbolader:
    Vertrauen wird hier als entscheidender Beschleuniger für Innovation betrachtet. Besonders betont wird die Rolle von Führungskräften als „Synergiearchitekt:innen“, die Vertrauen aktiv gestalten. Das Trust Triangle (Authentizität, Logik, Empathie) wird als zentrales Modell eingeführt. Das Tool hier: „Kollegiale Einwandsintegration“.
  • Effektivität schlägt Effizienz:
    Effektivität („das Richtige tun“) wird als wichtiger als reine Effizienz („Dinge richtig tun“) hervorgehoben. Das Kapitel beschäftigt sich mit Teal Organizations, Selbstorganisation, und dem Konzept der „Exnovation“ – dem bewussten Loslassen von Überflüssigen. Tool: „OKR“
  • Outcome-Odyssee:
    Fokus auf Wirkung statt Leistung. Das Kapitel erläutert den Unterschied zwischen Output und Outcome, stellt das Double-Diamond-Modell aus dem Design Thinking vor und zeigt, wie Unternehmen outcome-basiertes Management implementieren können. Die Methode hier: „Skalierungsfragen“
  • Experimentier-Expeditionen:
    Hier wird die Entdeckungsreise des Lernens durch Experimente beschrieben. Kreatives Denken, Mut zum Scheitern und eine Umgebung, die Ausprobieren erlaubt, stehen im Mittelpunkt. Die psychologischen Grundlagen für Kreativität werden diskutiert. Methode: „Lean Startup“
  • KPI-Alchemie:
    Das Kapitel geht auf neue Wege der Innovationsmessung ein, insbesondere auf den „Return on Ignorance“ – die Fähigkeit, produktiv mit Nichtwissen umzugehen. Es plädiert für intelligente KPIs, die Innovationsdynamiken jenseits klassischer ROI-Kennzahlen sichtbar machen. Die Methode des Kapitels: „Value Stream Mapping“.
  • Innovations-Psychonautik:
    Im Zentrum steht der menschliche Faktor in Innovationsprozessen: Emotionen, Denkstile, kognitive Verzerrungen. Es wird aufgezeigt, wie eine innovationsfreundliche Haltung auf individueller und kollektiver Ebene entsteht und kultiviert werden kann. Tool: „Peer Feedback“.
  • Chaos-Surfer:
    Dieses Kapitel beschreibt den Umgang mit Komplexität durch mentale Flexibilität. Es werden kreative Rollenbilder wie der/die „Chaos-Surfer:in“ eingeführt, die lernen, auf der Welle der Unsicherheit zu reiten. Führungsstile werden auf die Innovationstauglichkeit überprüft. Methode am Ende: „Rollenbasierte Governance“.
  • Größenwahn der Innovation:
    Hier werden die Schattenseiten von Wachstum und Innovation reflektiert: Skalierungsdruck, Verlust von Agilität, Überdehnung. Es geht um die Balance zwischen Ambition und Maßhalten – und um die Gefahr, das eigene Innovationspotenzial durch Überforderung zu verspielen. Methode: „Scale-Up Readiness“.  
  • Ethik-Innovatoren:
    Im Mittelpunkt steht die verantwortungsvolle Gestaltung von Innovation. Ethik wird nicht als Einschränkung, sondern als Kompass verstanden. Die Rolle von Unternehmen als gesellschaftliche Akteure wird diskutiert. Methode hier: „Open Space Technology“.
  • Krisen-Alchemie:
    Dieses Kapitel zeigt, wie Krisen als Transformationschancen genutzt werden können. Es liefert praktische Methoden zur Reflexion, zur Musterunterbrechung und zur bewussten Nutzung von Umbruchmomenten. Methode: „Themenzentrierte Einwandsintegration“.

Das Fazit

Das Buch beschäftigt sich mit einem wichtigen Thema der heutigen Zeit: Unsicherheit, Change und Innovation. Es ist klar strukturiert und adressiert viele Aspekte von Innovation. Jedes Kapitel im Buch ist gleich aufgebaut und hat ein klares Thema: Hauptkapiteltext, positive Unternehmens- und Personen-Beispiele zum Thema, ein zusammenfassendes Fazit des Kapitels, ein Tool oder eine Methode, die zum Thema passt, sowie bei einzelnen Kapiteln ein spezifisches Konzept oder Framework (z.B. VUCA-BANI, Dreiklang Mensch-Technologie-Wirtschaft, Growth-Mindset, Teal Organization, etc.). Bei den Beispielen greift die Autorin vorwiegend auf die gängigen veröffentlichten Organisationsbeispiele zurück, wie Apple, Valve, Semco, Toyota, Buurtzorg u.v.a.m. Diese sind passend platziert und spiegeln gut das jeweilige Thema wider. Auch die Tools und Methoden sind weitestgehend bekannt, passen aber ebenso perfekt zu den jeweiligen Kapiteln und laden aufgrund der ausführlichen praxisorientierten Beschreibung zum Ausprobieren ein.

Alles in allem ein schönes Buch, wenn auch für mich der Kern des Themas Unsicherheit über das Ganze Buch hinweg etwas zu kurz kommt und das Thema Innovation und Veränderung die Oberhand gewinnt. Dennoch ist es sehr gut aufbereitet und lädt sowohl zum mitmachen, als auch zum Nachdenken ein. Es sei vor allem allen Fachexperten im Bereich Change und Innovation sowie allen Führungskräften, die sich mit der Frage nach dem Neuen beschäftigen, empfohlen. Berater-Profis und Wissenschaftler finden nicht allzuviel Neues.

Lév, Jana. (2025). Die Kunst, Unsicherheit zu lieben. Vahlen.

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Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.