SyStSchon früher einmal habe ich über die Wirksamkeit von systemischer Aufstellungsarbeit im Familien- und Business-Kontext geschrieben, die ich bei Matthias Insa Sparrer, Varga von Kibéd und Elisabeth Ferrari am Syst(r)-Institut in München kennenlernen durfte. Noch heute begeistert mich die Leichtigkeit und die Pragmatik, mit der diese Form der Arbeit nutzbar ist.

Und immer beschäftigt mich die Frage wie so etwas funktionieren kann. Was wissen wir hierzu heute aus den verschiedenen Bereichen der Hirnforschung, Medizin, Biologie, Psychologie, etc. So läuft auch immer diese Frage mit, wenn ich auf neue Literatur stoße.

Kürzlich bin ich, angeregt durch Dave Snowden auf das Buch “Being There: Putting Brain, Body, and the World Together Again” von Andy Clark (1997) gestoßen. Er beschreibt in faszinierender Art und Weise, wie die traditionelle These getrennter Wahrnehmung, Bewußtsein und Handlung und der dominierenden Rolle des Gehirns als wichtigste Schaltzentrale nicht mehr haltbar ist.

Wir wissen heute aus der Hirnfoschung und haben dies auch im Rahmen der “Artificial Intelligence” durch “Deep Learning Algorithmen” gezeigt, dass unser Denken in Form von Mustererkennung auf verschiedenen, voneinander lernenden und lose gekoppelten Ebene abläuft. Die auf oberster Ebene sichtbare Wahrnehmung, Bewusstsein und Handlung sind kaum voneinander trennbar und werden durch die neuronale Vernetzung innerhalb und zwischen darunterliegenden Ebenen erzeugt. So ist es für mich hieraus immer weniger verwunderlich, warum Aufstellungen, die Wahrnehmung, Bewusstsein und Handlung sehr integriert betrachten, so wirksam werden können.

Ein anderer Punkt stellt die Externalisierung dar, die mit einer Aufstellung einhergeht. So stellen wir mentale Modelle als Strukturen im Raum auf. Wir nutzen damit das Umfeld quasi als Speichererweiterung für unser Gehirn. Auch dies ist eine übliche Vorgehensweise, die wir auch im Alltag beobachten können und die entsprechend erforsht wurde. So haben Kirsh/ Maglio (1994) herausgefunden, dass gute Tetris Spieler z.B. ihre Steine auf dem Bildschirm drehen, um ihre Form schneller erfassen zu können und deren Passung schneller und sicherer zu erruieren. Da wir als Lebewesen immer auf Energieeffizienz aus sind, scheint die externe Bearbeitung der Thematik mit weniger Energieaufwand verbunden als eine abstrakte Denkleistung der Drehbewegung der Steine im Gehirn selbst. Wagt man den Transfer auf die systemische Aufstellungsarbeit, so könnte man sagen, dass die Visualisierung des Themas durch Repräsentanten im Raum hilft, die Verarbeitung im Gehirn des Anliegenbringers durch diese Externalsierung zu erleichtern, so dass einfacher neue Sichtweisen entstehen und wirksam werden können. Verknüpft diese These mit den von mir aufgezeigten Ergebnissen meines letzten Beitrags, wird zumindest für mich persönlich dieser Aspekt noch klarer.
Auch das Stellen des Auftraggebers am Ende der Aufstellung an die Position des entsprechenden Repräsentanten hilft diesem quasi im Sinne eines “Uploads” des aufgestellten “Extended Memories” bei der zukünftigen bewussten und unbewussten Verarbeitung des neuen Wissens.
Über weitere Anregungen und Diskussion zu den Ideen würde ich mich freuen.

Quellen:

Clark, A. (1997). Being there: Putting brain, body, and world together again. MIT press.
Kirsh, D., & Maglio, P. (1994). On distinguishing epistemic from pragmatic action. Cognitive science, 18(4), 513-549.