SySt“Lass uns das doch einfach kurz aufstellen, um Klarheit zu bekommen.” Diesen Satz hört man bei Psychotherapeuten und systemischen Beratern, die Aufstellungsarbeit in ihrem Repertoire haben häufig. Im Business-Kontext stellen systemische Strukturaufstellungen (SySt(r)) jedoch noch recht ungewöhnliche Bearbeitung komplexer Fragestellungen dar. Oft wird es als eine “esoterische Methode” oder “unverständlicher Psychokram” abgetan und das, obwohl das Unternehmen als komplexes sozio-technisches System für diese Methode prädestiniert ist und, wie die Erfinder und auch viele ihrer Schüler täglich bei “mutigen” Führungskräften immer wieder zeigen, effizient und wirksam ist. Doch dies kann sich in naher Zukunft schnell ändern, da auch immer mehr wissenschaftliche Ergebnisse der Neurobiologie die Grundideen der Methode unterstützen und so zunehmend die von “rational agierenden” Managern geforderte Erklärung für die Wirksamkeit naht. Ein kürzlich veröffentlichtes Forschungsergebnis liefert interessante Erkenntnisse.

Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer sehen Aufstellungen als eine Art transverbale Sprache, die eine völlig neue Art Interventionssystem für Berater erlaubt. Die beiden Entwickler,  haben über die letzten Jahrzehnte hierzu eine umfassende Grammatik und zahlreiche Formate entwickelt, die sich universell in Therapie wie Unternehmenskontext einsetzen lassen (Daimler, 2008). Systemische Strukturaufstellungen machen als eine Art Gruppensimulationsverfahren Systeme, wie z.B. die Führungskraft und ihr Team, ein Projekt und seine Beteiligten, das Unternehmen und seine Bereiche, etc.  in ihrem aktuellen Ist-Zustand sichtbar, indem Personen oder Gegenstände als Repräsentanten des realen Systems quasi als Modellabbild im Raum aufgestellt werden. Das Bild kann dann den Auftraggeber auf sonst nicht leicht erkennbare “hidden agendas” aufmerksam machen oder Ideen für neue eigene Handlungsweisen liefern (Daimer, 2008, S. 19). Ein sehr wirksames und ausgefeiltes Verfahren, das von Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer unermüdlich weiterentwickelt und verfeinert wird. Doch auch Menschen, die das Verfahren nicht bewusst gelernt haben, wird es wahrscheinlich bekannt sein und viele haben es bereits unbewusst in der einen oder anderen Art verwendet: Wenn am Stammtisch beim Bier die Bierdeckel ausgelegt werden, um plastisch den Freunden einen komplizierteren Sachverhalt zu erklären, findet genau dies oft statt: Eine einfache Form der Aufstellung.

Doch warum tun wir das bereits intuitiv und warum ist das Verfahren des SySt Instituts so effizient und wirksam? Räumlichkeit scheint ein wichtiges Element für uns als Menschen zu sein, um Dinge zu ordnen. Wir nehmen Abstand von einer Aussage,  Meinungen sind eng beieinander und auch soziale Beziehungen ordnen wir räumlich, z.B. nach Nähe und Macht (oben-unten) (Lehmann, 2015). Eine Wissenschaftlergruppe um Tavares et al. (2015) zeigte nun mit einem Computerspiel und MRT, wobei sie die Aktivität in verschiedenen Gehirnregionen bei Entscheidungssituationen maßen, bei denen sich soziale Beziehungsstrukturen von Relevanz waren die sie mit polaren Koordinaten (Vektorlänge= Nähe, Winkel= Macht) maßen. Dabei zeigte sich im Ergebnis, dass der Hippokampus, die Hirnregion, die für uns im Gehirn eine kognitive Karte der Umwelt bereitstellt, (Wikipedia, 2015), nicht nur diese sondern auch die relativen Beziehungspositionen von Personen kartographiert, wobei hier Macht und Nähe eine wichtige Bedeutung haben (Lehmann,2015; Taveres, 2015). Für mich lag damit auch die Vermutung nahe, dass eine explizite Visualisierung sozialer Strukturen, wie sie mit der Systemischen Strukturaufstellung einher geht, wohl mit dieser Entdeckung von Relevanz ist.

Lehmann (2015) beschreibt den Sachverhalt so, dass der Hippokampus über Platzneuronen nicht nur für die räumliche Orientierung zuständig ist, sondern auch über eine Art räumliche Verarbeitung für die Lanzeitgedächtnisbildung, bei der Erinnerungen quasi als “internalisierter Raum” (Lehmann, 2015) dargestellt werden.

Aufstellungsarbeit könnte nun diese räumlichen abgespeicherten Erinnerungen durch die intuitive Positionierung der Repräsentanten im Raum durch den Auftraggeber sichtbar machen. Wenn die räumliche Speicherung sozialer Beziehungen ein für alle Menschen gültig ist, so wäre es auch denkbar, hiermit Körperempfindungen zu erklären, die bei Repräsentation an bestimmten Positionen einer Aufstellung auftreten. Untersuchungen dieser Gedanken stehen freilich aus, könnten für interessierte Wissenschaftler allerdings ein guter Ansatzpunkt zur weiteren Erforschung sein.


Quellen:

Daimer, R. (2008). Basics der systemischen Strukturaufstellung, Kösel-Verlag: München 2008.

Lehmann, K. (2015). Unser Gehirn kartiert auch Beziehungen räumlich, Telepolis, 19.07.2015, http://www.heise.de/tp/artikel/45/45463/1.html, abgerufen am 29.07.2015

Tavares, R. M., Mendelsohn, A., Grossman, Y., Williams, C. H., Shapiro, M., Trope, Y., & Schiller, D. (2015). A Map for Social Navigation in the Human Brain. Neuron, 87(1), 231–243. doi:10.1016/j.neuron.2015.06.011

Wikipedia (2015), Räumliches Gedächtnis, https://de.wikipedia.org/wiki/Räumliches_Gedächtnis, abgerufen am 29.07.2015