Der Begriff Anthro-complexity ist noch relativ jung. Er wurde von Dave Snowden, dem Erfinder des Cynefin®-Frameworks geprägt. Dabei ging es Snowden vorrangig um den Umgang mit Unsicherheit und die Frage, wie Menschen “sinn-voll” in einem Umfeld und Alltag handlungsfähig bleiben, obwohl sich viele Aspekte von wahrgenommenen “Systemen” weder durch die Zerlegung selbiger in ihre Einzelteile (auf einer niedrigeren Ebene), noch durch die Möglichkeit einer vollständigen Erfassung des Ganzen (auf höherer Ebene) erklären lassen.[1]

Als besondere Form der angewandten Komplexitätstheorie[2] ist Anthro-complexity somit eine Form, die alltägliche menschliche Interaktion zu betrachten. Vorläufer der Bezeichnung waren für Snowden Begriffe wie social complexity oder cognitive complexity.[5] Anthro-complexity stellt somit die “menschlich-soziale” Seite der Komplexität in den Vordergrund, während andere Komplexitätstheorien eher auf mathematischen Verfahren beruhen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Ästhetik, die menschliche Neigung, etwas anderes zu schaffen, um sich vom Materiellen zu lösen und Innovation zu schaffen.[5] Es geht somit um das Studium der Komplexität menschlicher Systeme.

Hieraus hat Dave Snowden die 3 I’s der Anthro-complexita abgeleitet[3]:

  1. Intelligenz: Menschen können über die Welt reflektieren, mit Abstraktionen arbeiten und die welt sowohl physikalisch, wie auch spirituell gestalten. Dies erlaubt es ihnen, durch Phasenübergänge die Art und Weise, wie sie Dinge wahrnehmen über die Zeit zu verändern. Und so bedarf es in der Anthro-complexity ein Zulassen für alles, was mit Reflexion von Erfahrungen, mit Abstraktion von Erfahrungen sowie allem aus höheren Ebenen der Kognition zu tun hat.
  2. Intentionalität: Menschen können weit über ein Reiz-Reaktions-Schema hinaus handeln. Daher betont Anthro-complexity Zielsetzungen und Prioritäten, da sie die Fähigkeit zur Abstraktion hervorheben und eine bewusste Wahl und Zielsetzung einführen. So ist ein absichtsvolles Handeln zur Gestaltung von Systemen von Bedeutung.[4]
  3. Identität: Menschen können sich in fluide Art und Weise in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich zeigen. So geht es in der Anthro-complexity auch darum, sich mit Begriffen wie Anerkennung, Respekt und Würde in einer Art und Weise auseinanderzusetzen, wie sie außerhalb von Erzählungen nur schwer möglich ist. 

Referenzen

[1] https://cynefin.io/wiki/Anthro-complexity. Received: 24.11.2021.

[2] https://www.art-sciencefactory.com/complexity-map_feb09.html. Received: 24.11.2021.

[3] Snowden, D. (2021). Twelvetide 20:08 Making distinctions. https://www.cognitive-edge.com/twelvetide-2008-anthro-complexity/. Received: 24.11.2021.

[4] Panagiotou, A. (2021). How the elephant got his trunk: what evolution can teach us about complexity. https://www.cognitive-edge.com/what-evolution-can-teach-us-about-complexity/. Received: 24.11.2021.

[5] Snowden, D. (2020). Anthro-complexity & aesthetics. https://www.cognitive-edge.com/anthro-complexity-aesthetics/. Received: 24.11.2021.