Das Buch und die Autoren

Resilienz in Organisationen - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteDas heutige Buch des Autorentrios aus der österreichischen  Unternehmensberatung Trigon ist neu bei Schäffer-Poeschel erschienen. Sie selbst bezeichnen es im Vorwort als Arbeits- im Gegensatz zum Lehrbuch, so dass man an allen Stellen einsteigen können sollte. Ziel des Buches soll es sein, konkrete Handlungs- und Denkanstöße zum Thema Resilienz auf individueller wie auf Team- und organisationaler Ebene zu liefern. Es ist rund 225 Seiten dick und wird von einem Stichwortverzeichnis ein angemessenes Literaturverzeichnis. Neben dem Inhaltsverzeichnis findet sich zu Beginn auch ein “Übungsverzeichnis”, in dem alle Übungen des Buches aufgelistet sind. Eine tolle und sehr nützliche Idee, gerade für diejenigen, die gezielt später mal nach einer Übung suchen und nicht das ganze Buch durcharbeiten wollen. Ein Vorbild für andere Praxis-Bücher. Nach diesem super Start steigen wir gleich in die Inhalte ein. 

Das Buch gliedert sich in fünf Kapitel, die sich in 3-4 Unterkapitel strukturieren.

Die Inhalte

Kapitel 1 “Die neue Welt und ihre Dynamik” beinhaltet die altbekannten Einstiegsthesen zu VUCA, wobei ich hier die Referenzierung auf den Zusammenbruch der Sowjetunion spannend finde, den ich so bisher noch nie gehört habe und als Experte und Buchherausgeber zu diesem Thema (“Managing in a VUCA World”) eher in die Welt der Mythen packe, zumal auch keine Referenz zu einer Quelle angegeben wurde. Schnell wechseln die Autoren zum neuen Modewort “BANI”. Sie begründen umfassend, warum dieses neuere Akronym besser passt, was ihnen aus meiner Sicht nur teilweise gelingt. Ob nun BANI oder VUCA, Resilienz wird im Anschluss als Konzept näher erläutert, das eine Antwort auf diese Herausforderungen sein kann. Schön hierbei, dass nicht über die Geschichte der KZ Überlebenden, sondern über eine Langzeitstudie auf Kauai eingestiegen wird und auch verwandte Konzepte als Überblick geliefert werden. Auch werden die vier essentiellen Thesen des Buches klar dargestellt und mit denen gehe ich vollständig mit (Haas et al. , 2022, S. 26ff.):

  • Die Steigerung individueller Resilienz von Individuen in Organisationen hat nicht direkten Einfluss auf die Resilienz auf organisationaler Ebene.
  • “Resilienz bedeutet, agil und achtsam stabilisierende und dynamisierende Faktoren so auszubalancieren und zu nutzen, dass eine gesunde, nachhaltige (Über-)Lebensfähigkeit und Wachstum möglich ist.”
  • “Organisationen tragen das Potenzial der Selbstorganisation und Selbststeuerung in sich und haben ein intrinsisches Interesse daran, sich so zu organisieren, dass sie gesund bleiben und langfristig überleben können – wenn wir sie nicht daran hindern.”
  • “Um langfristig überlebensfähig zu bleiben, sollten in einem System der Fokus stärker auf Belastbarkeitsfaktoren als auf Effizienzfaktoren liegen.”

Weiter gehts mit der Frage, wie sich Resilienz in Organisationen erreichen lässt und vier Suchspuren, die den Weg in die weiteren Kapitel leiten.

Kapitel 2 ist mit “Sinn, Purpose und ein attraktives Zukunftsbild” überschrieben. Hierbei geht es um die Grundlage für die Entwicklung persönlicher und organisationaler Resilienz, so wie sie die Autoren verstehen. Dabei steht der Purpose einer Organisation im Zentrum der Betrachtung, der auch als Unternehmenszweck bezeichnet werden könnte und den sie vom persönlich hen Sinn unterschieden. Dennoch nutzen die Autoren eine Analogie zum IKIGAI oder dem Purpose Diagramm, wie es in der letzten Zeit häufig beim Finden des persönlichen (Lebens-)Sinns Verwendung findet. Sie formulieren hieraus vier Leitfragen zum finden des Unternehmens-Purpose. Auch betrachten die Autoren das Thema Werte und identifizieren hierbei spezifische Werte, die aus ihrer Sicht bei Purpose-orientierten Organisationen besonders wichtig scheinen. Als Drittes wenden sich Haas et al. dann noch dem Thema “Mindset” zu. Auch dieses zunächst individuelle Konzept der “inneren Haltung” übertragen die Autoren auf die organisationale Ebene.

Im 3. Kapitel, dem Hauptteil des Buchs, widmen sich die Autoren dann den “vier Gestaltungsfeldern am Weg zur residierten Organisation”. Dabei differenzieren sie zwischen den vier Ebenen “Ich”, “Team”, “Organistion im inneren” und “Organisation am Markt”. In jedem der vier Gestaltungsfelder werden vier Elemente beschrieben, die als Voraussetzungen für mehr Resilienz der Organisation angesehen werden. Die Elemente selbst sind meist nicht neu, aber gut zusammengestellt und mit Beispielen und Übungen untermauert. Es finden sich Elemente, wie Sinn und Achtsamkeit, Fehler- und Experimentierkultur, Teamdiversität oder Netzwerkbildung, Kundennähe oder schwache Signale.

Kapitel 4 handelt dann klassisch nach der Beschreibung der Gestaltungsfelder von der Frage nach der Umsetzung unter dem Titel “Transformation als Prozess verstehen”. Wie sonst, fragt man sich. Zunächst gehts um die Hebel für eine Transformation, die zunächst bei Donella Meadows’ “Leverage Points” gesucht werden. Die Autoren identifizieren hierzu in ihrem Buch “Vertrauen und Achtsamkeit” als einen solchen. Dann gehts in Anlehnung an Trigons Basisprozesse der OE weiter mit 10 Transformationsprinzipien.

Im zweiten Unterkapitel gehts um die notwendigen Führungsapsekte, die Transformation unterstützen können. Abschließend werden noch verschiedene Formate beschrieben, mit denen die Resilienz gezielt weiterentwickelt werden kann. Beispiele aus den Bereichen Diagnostik, Großgruppe (die “Real Time Strategic Change Conference”), längerfristige Transformationsformate sowie Formate auf Teamebene.

Das abschließende Kapitel 5 heißt “Den Umgang mit Krisen lernen” und fokussiert auf den Aspekt, dass trotz mehr Resilienz einer Organisation noch immer Krisen auftreten können. So geht es zum Abschluss um die “Resiliente Reaktion” im Krisenfall. Es werden Krisen als Chance beschrieben und Handlungsfelder der Stabilisierung und Dynamisierung in diesem Kontext aufgezeigt. Das zweite Unterkapitel vertieft die systematische Vorbereitung auf Krisen mit den Eskalationsstufen Fehler, Störung und Krise. Abschließen wird der Bogen zum eigenen Modell geschlossen und die vier Perspektiven des Hauptteils abschließend in die Betrachtung einbezogen.  

Neben dem Haupttext beinhaltet das Buch zahlreiche unterstützende Grafiken, abgesetzte Textblöcke mit Definitionen, fast 30 Übungen, zahlreichen Fallbeispielen und Reflexionsfragen.  

Das Fazit

Alles in allem hat mir das Buch sehr gut gefallen. Es orientiert sich am klassischen “systemischen Beraterbuch-Dreisprung”, wie ich ihn nenne: 

1. Systemische Brille aufsetzen, 

2. Theoretisch fundiertes Modell schaffen, 

3. konkrete Tools und Übungen konkretisieren und ggf. die Umsetzung adressieren. 

Dies ist dem Buch sehr gut gelungen. Auch wenn für mich nicht viel Neues dabei war, integriert das Buch auf schöne, klare, strukturierte und fundierte Art und Weise verschiedenste Aspekte moderner Transformation. Dabei steht Resilienz für mich als Gegenpol zur reinen Effizienz einer Organisation und trifft somit viele aktuelle Reorganisationsvorhaben. Auch viele Bücher aus der agile Ecke versuchen dies aufzugreifen. Hier gefällt mir das vorliegende Buch aber besser, da es unaufgeregt und unspektakulär dort, wo es angebracht ist, auch traditionelle Ansätze, Gedanken und Vorgehensweisen nutzt, ohne auf Wirksamkeit für die neue Aufgabenstellung zu verzichten.

Das Buch nimmt auch ausreichend Bezug auf die Herkunft der Berater aus dem Trigon-Hintergrund und integriert das Gedankengut von Glasl entsprechend.

Strukturell ist das Buch klar gegliedert und hilft mit seiner “beraterischen Struktur der 3er-4er Hierarchie”, sich schnell und einfach einzulesen und zurechtzufinden: Zu jedem Oberpunkt gibt es hierarchisch gegliedert immer 3-4 Unterpunkte.

Alles in allem ein schönes Buch, das ich so für OE Experten, Berater und HR-Profis empfehlen kann, die sich in die nicht-effizienzgetriebene Transformation etwas näher einlesen wollen.     

Eine kleine ungewöhnliche abschließende Anmerkung zum Papier des Buches: Es ist seit langem wider einmal ein Buch, bei dem beim Durcharbeiten mein Leuchtmarker durch das Papier “durchgenässt” hat. Da mir das ansonsten bei Schäffer-Poeschel noch nicht passiert ist, nehme ich an, ich hatte hier ein “Sonderexemplar”. Ansonsten wäre es ärgerlich für alle, die gerne noch “analog” in ihren Büchern “malen” und schön, sich hier Anpassungen zu überlegen.

Haas, Oliver/ Huemer, Brigitte/ Preissegger, Ingrid. (2022). Resilienz in Organisationen: Erfolgskriterien erkennen und Transformationsprozesse gestalten. Schäffer-Poeschel: Stuttgart. 

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.