In einer aktuellen Umfrage von EY unter rund 300 Personalleitern und Geschäftsführern von Unternehmen über 200 Mitarbeitern in Deutschland sehen 42% eine bedingungsloses Grundeinkommen als nicht sinnvoll an. Weitere 42% denken, dass sich Vor- und Nachteile die Waage halten. Nur 14% sehen das Grundeinkommen als sinnvoll an. Dies deckt sich mit der Meinung der Kanzlerin, die bereits im letzten Jahr sehr deutlich gemacht hat, in einem bedingungslosen Grundeinkommen kein Modell zu sehen, das für eine Leistungsgesellschaft geeignet scheint.

Schaut man auf die Gründe der Ablehnung, so sorgen sich 37% der Befragten darum, dass die Einführung eines Grundeinkommens zu einer abnehmenden Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter im eigenen Unternehmen kommen würde.

Diese Aussage zeigt m.E. zweierlei:

Einerseits scheint des derzeit um die Sinnorientierung aus Sicht der Führungskräfte und HR Verantwortlichen noch recht schlecht bestellt. Viele Verantwortliche vermuten eher das für den Lebensunterhalt notwendige Gehalt als Haupttreiber der Beschäftigung als eine sinnvolle Erfüllung. Es scheint hier also noch Luft nach oben zu geben, wobei mir auch bewusst ist, dass eine Sinnstiftung nicht überall gleichermaßen möglich und machbar ist. So kann es für das Toilettenreinigen an Bahnhöfen gleichsam schwieriger sein, Sinnstiftung zu vermitteln, als dies bei Entwicklung und Bau einer Wasserentsalzungsanlage zur Trinkwassergewinnung der Fall ist.

Andererseits scheint bei den Verantwortlichen der Glaube vorzuherrschen, dass Lohn und Gehalt noch immer der stärkste und beste Anreizmechanismus für Mitarbeiter ist. Betrachtet man zahlreiche Studien und praktischer Anwendung zum Thema Motivationspsychologie und Gamifikation, so zeigt sich ein anderes Bild, das hier kurz zusammengefasst werden soll:

  • Die „Flow-Theorie“ von Mihaly Csikszentmihalyi beschäftigt sich mit der Ide von Glück und Kreativität von Menschen. Diese sind dann im Flow, wenn sie bei ihrer Tätigkeit ein mittleres Level zwischen Gelangweilt-sein und Überforderung erleben und so der Anforderungsgrad der Aufgabe den eigenen Fähigkeiten einigermaßen entspricht. In der Flow-Zone konzentriert man sich selbst-motiviert auf seine Aufgabe bis hin zum Vergessen von Zeit und Raum.
  • Setzt man dennoch auf die Verstärkung von Motivation durch äußere Anreize, so zeigt sich in zahlreichen Studien, dass ein gleichmäßiger Reiz in fixen Intervallen (wie dies beim monatlichen Gehalt der Fall ist), sehr geringe bis langfristig keine echte Anreizwirkung zeigt. Studien der Pioniere Skinner und Pavlov bis in neuerer Zeit hin zu Dan Ariely zeigen, dass externe Anreize dann am Besten funktionieren, wenn sie unerwartet in Zeitpunkt und Höhe in unregelmäßiger Art und Weise erfolgen.
  • Wenn rein intrinsische Motivation nicht ausreicht, so können intelligent gestaltete komplexere Anreizsysteme, die den „Spieltrieb“ nutzen (Gamification) zu besseren Ergebnissen für alle Beteiligten führen.

Insgesamt scheint damit hier in den Antworten der EY Befragung weniger die Sorge nach der Motivation der Mitarbeiter als solche im Mittelpunkt der Antwort, sondern vielmehr die offene Frage nach und Vorstellungskraft zu notwendigen Anpassungen und Veränderungen, die die Digitalisierung und damit der signifikante Wegfall bestimmter Jobs mit sich bringen wird.

Wenn ich mit HR Verantwortlichen zu dieser Frage arbeite, um Unternehmen gut auf die Zukunft vorzubereiten, so fehlen zu Beginn oft Mut und auch Kreativität, um über völlig neue Szenarien nachzudenken. Nach einiger Zeit entstehen jedoch dann immer komplexere Bilder zu differenzierteren Anreiz- und Gestaltungssystemen. Die Ursprünge der heute überwiegend noch immer gelehrten und gelebten Sicht von unselbstständiger Arbeit als Austausch von Arbeitsleistung gegen Geld stammen aus Adam Smith‘s „The Wealth of Nations“ von 1776, wo er im Stecknadel-Produktionsbeispiel beschreibt, wie Unternehmer durch Arbeitsteilung und Spezialisierung die Gewinne durch ungelernte Arbeitskräfte signifikant steigern können. Zum Glück ist der Großteil der heute für den Unternehmenserfolg wichtigen Kompetenzen nicht mehr bei ungelernten Arbeitskräften zu suchen, sondern mehr bei kreativen Talenten, um die bereits heute ein Kampf der besten Arbeitgeber entbrannt ist, der morgen noch an Brisanz zunehmen wird. In meiner Arbeit mit Geschäftsführern und HR Verantwortlichen zeigt sich immer wieder die Freude, wenn es gelingt, eine eher durch „Pflichtgefühl“ und „Top-Down-Push“ geprägte Kultur zumindest schrittweise hin zu einer mehr energiereichen und von Eigeninitiative getragenen Kultur der Augenhöhe weiterzuentwickeln. Gerade bei familiengeführten Unternehmen geht es häufig auch darum, die einzelnen Mitarbeiter nicht als Mittel zum eigenen Unternehmerzweck zu benutzen, sondern diese vielmehr für ihre Kreativität und Intelligenz zu respektieren und zu wertschätzen. (Ariely, p. 36)    

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde sicherlich die Möglichkeit geben, generell eine höhere Sinnorientierung bei der Arbeit zu erzeugen. Sei es durch Wanderbewegungen zwischen verschiedenen Jobs („Ich tu was, das mir richtig Spass macht!“ oder der Entscheidung nicht mehr zu arbeiten („Mir reicht mein geringes Grundeinkommen und ich kümmere mich um mich und andere Themen.“). Bei eher schwer mit Sinn anreicherbaren Aufgaben könnte sich zweierlei ergeben: Viele der sinnentleerten Aufgaben werden zukünftig automatisiert ablaufen können. Dies betrifft unter anderem Aufgaben von Arbeitern im Fertigungskontext, deren Aufgaben immer mehr von Fertigungsrobotern übernommen werden kann. Bei Aufgaben, bei denen keinerlei Automatisierung stattfinden kann (z.B. Pflegeberufe), sehe ich zwei Szenarien als möglich an: Bei fehlendem bedingungslosen Grundeinkommen und steigender Automatisierung werden die Löhne weiter fallen und der Wettbewerb am Arbeitsmarkt um die knappen Arbeitsplätze steigen. So werden Arbeitnehmer zu geringen Löhnen gezwungen sein, diese Aufgaben zu erledigen. Mit abnehmender Sinn- und innerer Überzeugungskomponente entsteht die Herausforderung einer abnehmenden Qualität der Leistung, der durch immer mehr Kontrollmechanismen und Standardisierung begegnet werden wird. Das zweite Szenario unterstellt eher steigende Löhne bei diesen Aufgaben, um (z.B. Bei vorhandenem Grundeinkommen) Mitarbeiter zu finden, die für diesen Lohn gerne diese für viele unangenehmen, aber für wenige vielleicht für einen höheren Preis attraktiven Aufgaben erledigen. Hierdurch würde die Qualität der erbrachten Leistung eher steigen und gezielt die Mitarbeiter anziehen, die die Aufgabe nicht nur des Geldes wegen, sondern der Aufgabe wegen erledigen und sich durch den höheren Lohn ausreichend in ihrer Aufgabe gewertschätzt sehen. Dies entspricht auch Erkenntnissen von Dan Ariely, der Anerkennung und Wertschätzung als wichtigen Motivator erforscht hat. Er zeigt in Experimenten vor allem auch, dass, auch wenn es nicht gelingt, Sinn und Bedeutung in eine Tätigkeit zu legen, es andererseits jedoch möglich ist, mit geringsten Mitteln jeden noch so kleine Enthusiasmus im Keim zu ersticken. 

Umso wichtiger scheint mir die Aufgabe von Hochschulen, Forschungsinstituten wie dem xm-institute, Beratern und Trainern gleichermaßen, in ihrer Arbeit die neuesten Forschungsergebnisse zum Wohle und Nutzen der Unternehmer in die Realität zu bringen. Und vielleicht gelingt es damit dann auch, vor dem bedingungslosen Grundeinkommen ein wenig die Angst zu nehmen.

Weiterführende Literatur z.B.

Dan Ariely, Payoff: The hidden logic that shapes motivation, TED Books: New York et al. 2016. (https://amzn.to/2Fy5x9Z)

EY, Führungskräfte besorgt über wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland, 29.4.2018, (http://www.ey.com/de/de/newsroom/news-releases/ey-20180429-fuehrungskraefte-besorgt-ueber-wachsende-kluft-zwischen-arm-und-reich-in-deutschland)