Gunther Dueck hat wieder zugeschlagen. Viele seiner Bücher habe ich schon gelesen und war immer wieder begeistert von seiner Art und wie diese Bücher mich zum Nachdenken anregten und zu neuen Ideen inspirierten. Umso gespannter war ich auf sein neues Werk, das ich im folgenden kurz beschreiben und rezensieren möchte.

Das Buch “Heute schon einen Prozess optimiert?” beschäftigt sich mit den Veränderungen in der Arbeitswelt und wie sich diese auf Mitarbeiter, Führungskräfte und ganze Unternehmen auswirken.

In einem ersten Teil leitet Dueck die These her, dass unser Arbeitsleben zunehmend eher von “Menschmaschinen” als von “Zukunftsbauern” geprägt sein wird. Dies führt er nicht zuletzt auf die Digitalisierung wie auch die Fokussierung vieler Führungskräfte auf Effizienzsteigerungen zurück.

In einem zweiten Teil geht es dann um verschiedene Ausprägungen der neuen “Menschmaschinen”: es geht um die McDonaldisierung der Arbeit und McJobber und die Idee, dass die Standardisierung der Produkte gleichsam zur Gleichförmigkeit der Mitarbeiter führen muss. Es geht um die Uberisierung und Liquidation der Arbeit. Erstere vereinfacht über Plattformen den Zugang zur standardisierten Arbeit und damit zu einem steigenden Wettbewerb am Arbeitsmarkt für einfache Tätigkeiten. In der Liquidation sieht Dueck die konsequente Fortsetzung der Uberisierung und diese führt dazu, dass nicht nur immer mehr Produkte, sondern auch immer mehr Dienstleistungen standardisiert und normiert werden und immer weniger Raum für Qualität und Individualität besteht. Wie von “No-Name”-Produkten gelernt, werden Kunden dies immer mehr auch von Dienstleistungen erwarten. Am Ende steht, so Dueck, der “LEAN HUMAN”, ein Mitarbeiter oder gar Mensch ohne unnötige Eigenschaften, da standardisierte Arbeit keine denkenden innovativen Menschen, sondern standardisierte und möglichst effizient arbeitende Mitarbeiter braucht.

Dies hat Auswirkungen nicht nur beim Kunden und den Mitarbeitern, sondern auch beim Management und dem gesamten Unternehmen, wie der Autor in folgenden Kapiteln herausarbeitet. Viele der aktuellen Probleme führt er auf die beschriebenen Phänomene zurück, wie die Baufälligkeit von Schulen und Universitäten, Lohndumping, die Klimakrise, den Niedergang der deutschen Automobilindustrie oder die weitreichende Probleme des öffentlichen Sektors und der Politik.

Zusammenfassend konstatiert Dueck: “In der aktuellen Situation (…) muss das Management, wie es selbst so bildhaft formuliert, »zu viele Bälle in der Luft halten«, also mit zu vielen Zielen jonglieren. Das Gewinnstreben über grenzwertige Effizienz kollidiert mit den Regulierungen und Kontrollen sowie den »aufgeklärten Kunden«, die über die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten im Netz immer mehr Macht gewinnen. Es wird immer schwieriger, Unternehmer zu sein.” (Dueck, 2020, S. 189)

In den letzten Teilen des Buches mit den Überschriften “Die Systemneurose der Unternehmenspsyche” und “Systemtherapie zum offen-innovativen Unternehmen” stellt der Autor einerseits die zusammenfassende Diagnose, dass Unternehmen in Analogie zur menschlichen Psyche wohl unter einer Art “Persönlichkeitszwangsstörung” leiden, die er als narzistische, zwanghafte Systemneurose nennt. Auf Basis der Theorie X und Y von McGregor beschreibt er die Dilemmata der Leistungsträger und der Führungskräfte, sich immer stärker auf Standardisierung und Effizienzsteigerung zu konzentrieren.

Es geht um die das triggergesteuerte Verhalten von Individuen nach Damasio und die Rastlosigkeit von Mensch und Unternehmen im Sinne einer Überaktivierung, di zu Hektik und Versagensängsten führen kann. Diese Somatischen Marker transferiert Dueck auf die Unternehmensebene und schildert das Zusammenspiel der Führungskräfte in ihren Rollen als Teil einer größeren Unternehmenspersönlichkeit. So ist es auch kaum verwunderlich dass Dueck konstatiert, dass viele Führungskräfte Tendenzen in ihrem Verhalten haben, die dem Diagnosebild klinischer Persönlichkeitsstörungen entsprechen (hierfür zitiert er als Grundlage wissenschaftliche Studien). Und dies kann auf Systemebene zu einer “narzistischen und zwanghaften Systemneurose” führen. Doch was wäre eine gute Therapie? Der Autor schlägt heir verschiedene Therapiemaßnahmen vor, die diesen Teil des Buchs konstruktiv abrunden. Sie machen meines Erachtens viel Sinn: Es geht weniger darum, die Aspekte der Neurose zu verstärken, sondern vielmehr nach einem “was ist anders” zu fragen. Aus meiner Brille eines systemischen Beraters kann ich diese Sicht voll und ganz unterstützen, auch wenn ich noch in vielen Unternehmen tagtäglich die Tendenz sehe, den einfachen Weg zu gehen und mit Patentrezepten im Sinne von “mehr vom Gleichen” das eigene Glück zu versuchen. Brauchen würde es wohl ein anders, das sich dennoch bei etlichen meiner Kunden dann doch auch zeigt und nun mit der New Work Bewegung zumindest in einigen Bereichen immer mehr in Schwung kommt. So schlägt auch Dueck eine umfassende “agile Organisierung” von Unternehmen vor, bei der nicht zuletzt auch Techniker und Experten stärker in Entscheidungsrollen wandern sollten. Auch wenn Dueck skeptisch ist, dass es vollständig gelingt, in die von ihm beschriebene Richtung zu kommen, bleibt er doch optimistisch und hofft auf einen “Ruck” in Deutschland.

Alles in allem ein sehr schönes und wie immer interessantes Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann. Versierte Dueck Leser werden den einen oder anderen Gedanken aus vorherigen Büchern oder aktuellen Vorträgen erkennen und wiederfinden. Dies tut dem Buch jedoch keinen Abbruch, da sich diese wundervoll zu einem großen Ganzen zusammensetzen und die bisherigen Gedankengänge von Gunther Dueck weiterentwickeln. Wer diese Gedankengänge also mag oder sich darauf einlässt, ist wieder bestens aufgehoben.  Auch dieses Buch ist aus meiner Sicht wieder als tiefgründiger Appell zu einer “artgerechteren Haltung von Menschen in ihrer Arbeitsumgebung”, wie es vielleicht Gunther Dueck ausdrücken würde, zu sehen. Wer verstehen will, warum wir uns gerade selbst wegrationalisieren, auf Arbeitsebene wie auf Führungsebene, ist mit diesem Buch in einer unterhaltenden Art und Weise und einem tiefgründigen Kern bestens aufgehoben.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.

Gunther Dueck. Heute schon einen Prozess optimiert. Campus 2020.