Der Autor und das Buch

New Work Utopia - Carsten Schermuly - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteDas Buch von Carsten C. Schermuly trägt den vollständigen Titel “New Work Utopia – Zukunftsvisionen einer besseren Arbeitswelt” und ist im Mai 2022 bei Haufe erschienen. Der Autor ist seit 2012 Professor an der Berliner Fachhochschule SRH und leitet dort das Institut für New Work und Coaching. 2021 wurde er zu einem der 40 führenden HR Köpfe vom Personal Magazin gewählt.

Das Buch handelt vom fiktiven Unternehmen “Stärkande”, einer Vision eines Unternehmens, das verschiedene New Work Praktiken einsetzt. “Stärkande” ist schwedisch und bedeutet “stärkend, kräftigend” und spielt somit auf die stärkere Wirkung von New Work auf die Mitarbeitenden von Unternehmen an. Das Buch ist rund 170 Seiten lang und beinhaltet neben einem knappen Literaturverzeichnis auch ein Glossar für die wichtigsten Begriffe. Dies ist auch nötig, wie wir noch sehen werden.

Die Inhalte

Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile. Nach einer kurzen Vorbemerkung des Autors führt eine eMail, die der Professor in seiner Rolle als Beiratsmitglied an der Unternehmen schreibt, in das Buch ein. Es ist zu lesen, dass er in einem Buchprojekt versucht, die besondere Arbeitsweise des Unternehmens “Stärkande” in 22 Axiomen zusammenzufassen. Und dann geht es auch schon los.

Im Teil I des Buchs erfolgt als Rahmen eine kurze Beschreibung des mittelständischen Unternehmens, mit seinen rund 1100 Mitarbeitenden und seinen vier doch sehr außergewöhnlich anmutend diversifizierten  Geschäftsfeldern Software for HR, Schreinerei, Organizational Consulting und Online-Coaching. Auch werden die Gründerinnen und deren Hintergrund etwas näher beschrieben. Dies schafft somit einen guten Einstieg, sich besser auf das Kommende einzulassen.

Im Teil II werden dann die 22 Axiome der neuen Arbeit bei “Stärkande” näher erläutert. Für die Axiome stellt der Autor gleich zu Beginn klar: “Bei den Axiomen handelt es sich um elementare Grundsätze der Zusammenarbeit, die sich erprobt haben. Sie sind, das ist wichtig, keine Regeln, sondern eher Prinzipien. Regeln sind kleinteilige Vorschriften (z. B. Verkehrsregeln oder Spielregeln), deren Einhaltung überprüft wird und bei denen die Missachtung zumeist sanktioniert wird. Axiome sind viel globaler ausgerichtet. Sie schaffen wie ein Leuchtturm Orientierung im manchmal rauen New-Work-Ozean und fassen eine erfolgreiche Bewältigung eines Problems bei den Stärkanderinnen zusammen.” (Schermuly, 2022, S. 29) Die Axiome beschreiben praxisnah, wie die Mitarbeitenden im utopischen Unternehmen zusammenarbeiten. Um dies ein wenig greifbarer zu machen hier ein paar der Axiome als fast zufällige Auswahl:

  • Axiom 1: New Work dient Stärkande – nicht Stärkande New Work
  • Axiom 2: Stärkande ist ein lebendiges System und keine Maschine
  • Axiom 3: Psychologisches Empowerment als Ziel von New Work
  • Axiom 6: New Time – Sinnenhafte Aufteilung von Arbeitszeit
  • Axiom 8: Die magischen 150 – Kommunikation und Kooperation in Phylen
  • Axiom 9: Die Organe des lebendigen Systems: eine holokrtische Hierarchie oder eine hierarchische Holokratie? Stärkande arbeitet mit einer Holohier
  • Axiom 15: New Pay – Bezahlung auf Augenhöhe
  • Axiom 17: Meilensteine haben die Römer aufgestellt – Stärkande arbeitet in Schleifen
  • Axiom 21: Räumliche Gestaltung – Stärkande ist ein guter Gastgeber für seine Mitarbeitenden
  • Axiom 22: Kein Team-Meeting ohne Sinn

Viele der Axiome bilden aktuell diskutierte und in einigen Unternehmen zumindest teilweise umgesetzte Ansätze und Prinzipien ab; andere sind eher neu, abgewandelt in ihrer Wortwahl oder ihrer konkreten Ausgestaltung. Allen Axiomen gemeinsam ist, dass sie schön beschrieben sind und ein sehr konkretes Bild eines “New Work” Unternehmens zeichnen, wie es sich der Autor als idealen Zustand vorstellt.

Am Ende des zweiten Teils wird nochmals die Bedeutung von technischen HR Tools in Form der Künstlichen Intelligenz “Thufir” bei Stärkande herausgehoben. Sie unterstützt in positiver Art und Weise bei der Sitzplatzwahl im Office ebenso wie bei der Vernetzung oder bei der effizienten Gestaltung von Meetings, indem sie auf Wunsch Geschrächsaufzeichnungen aufzeichnet und analysiert oder Meetingkalender auswertet – datenschutzkonform und betriebsratsadäquat versteht sich. Hier zeigt sich, wie auch an man anderer Stelle, der versteckte Humor des Autors, der mit dem Namen vermutlich auf den Mentaten “Thufir Hawat” des Hauses Atreides aus Dune anspielt.

Teil III rundet dann die Geschichte mit einer Antwort-Email des Archont für Personal und Empowerment Raphael Hythodeus an den Herrn Professor ab und leitet zu einem angehängten kurzen Erklärteil über, in dem die Herkunft der teils fremdartig anmutenden Bezeichnung der Rollen bei Stärkande, wie Phylarchen, Phylen, Archona, Archontin, oder das Boule-Meeting seine Erklärung findet. So war der Autor von einer Utopie des idealen Staates von Thomas Morus inspiriert. Dieser veröffentlichte 1516 sein Buch “De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia – Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia”. Abschließend appelliert der Autor an die Leser, endlich radikalere Veränderungen in Organisationen zu versuchen, die HR Prozesse tiefreifend zu digitalisieren und mehr Diversität in Organisationen zuzulassen.

Das Fazit

Carsten Schermuly ist ein schönes Buch gelungen, das weniger in Reality-Romanform als vielmehr in konkreten praktischen Beschreibungen die Utopie eines New Work Unternehmens schafft, wie wir es uns in der heutigen aktuellen HR und Management-Diskussion vorstellen würden. Es integriert alle zentralen aktuellen Elemente der New Work Bewegung zu einem konsistenten Ganzen, das sich im Unternehmen “Stärkande” zeigt. Die 22 Axiome sind dabei weitestgehend nicht neu, sondern großteils aus vielen anderen aktuellen Büchern zum Thema “New Work” bekannt. Dennoch ist es ein großes Verdienst des Autors diese so praxisnah und integriert vorzustellen, dass beim Leser ein konkretes mögliches Bild im Sinne eines “so könnte es sein – so könnte es sich anfühlen – dort will ich hin” oder aber auch ein “um Gottes willen, wo kämen wir denn da hin” entsteht. Einige Aspekte, insbesondere zur Organisationsstruktur sind, nicht zuletzt aufgrund der fremdartigen Bezeichnungen, gefühlt neu. Doch bilden sie zumindest aus meiner Sicht  vorrangig demokratischere Organisationsstrukturen ab, wie sie in anderen Modellen des New Work diskutiert werden. Hier die Begrifflichkeit des Thomas Morus zu übernehmen ist charmant, schließt es sich die Klammer der Geschichte gut ab, auch wenn die Begrifflichkeit an der einen oder anderen Stelle etwas holprig daherkommt. Doch auch hier finde ich die vom Autor bewusst gewählte und betonte Unterscheidung zu heutigen Begriffen sehr gelungen, da sie den neuen Weg betonen, den fast alle Unternehmen in Richtung der New Work Utopie noch vor sich haben. Ob sie ihn gegen wollen und ob er der richtige ist, können wir pauschal nicht klären. Dies müssen die Verantwortlichen in den einzelnen Organisationen entscheiden, denen dieses Buch als plastische Inspiration dienen kann. Ich kann es als kurzweiliges, spannendes und schönes Buch für alle HR Verantwortlichen, Führungskräfte und Berater empfehlen. Es scheint es mir für Unternehmen ähnlicher Größenordnung wie “Stärkande”, also für den Mittelstand, besonders andockfähig. Somit eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Schermuly, Carsten C. (2022). New Work Utopie. Haufe: Freiburg.

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Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.