Steffen Elbert - Innere Fesseln lösen - befreit führen - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteDer Autor und das Buch

Die heutige Buchbesprechung beschäftigt sich mit dem Buch von Steffen Elbert, das kürzlich unter dem Titel “Innere Fesseln lösen – befreit führen” bei Schäffer-Poeschel erschienen ist.

Der Autor Steffen Elbert ist promovierter (Bio-)Chemiker, der zunächst als Berater und schließlich Partner bei BCG und Egon Zehnder gearbeitet hat. Elbert und mich verbinden ein ähnliches Aufgabengebiet und zahlreiche ähnliche Methoden und Zusatzausbildungen im Bereich der systemischen Beratung und Therapie und so war ich auch sehr gespannt auf sein Buch. Zielgruppe des Buches sind laut Steffen Elbert vor allem Führungskräften die sich gerne weiterentwickeln wollen und das Gefühl haben, sich irgendwie selbst im weg zu stehen. Er nutzt dabei einen Ansatz, der aus dem Blickwinkel der Traumaforschung/-therapie auf da Thema Führung schaut und so neue Einblicke bietet. Das Buch umfasst rund 220 Seiten und ist mit zahlreichen Abbildungen angereichert. Auf ein Literaturverzeichnis wurde zugunsten umfassender Fußnoten mit Referenzen verzichtet. Ein Stichwortverzeichnis rundet das Buch ab. Doch steigen wir in die Struktur und Inhalte ein.

Die Inhalte

Neben Vorwort und Anhang gliedert sich das Buch in sieben Hauptkapitel:

  • Kapitel 1 beschreibt zunächst auf rund 9 Seiten “Worum geht es in diesem Buch?” Dabei betont Elbert die Auswirkungen innerer Fesseln, wie bspw. Das Gefühl zu haben, nie zu genügen oder “Workaholismus” zu betreiben. Diese Fesseln sind seiner Analyse nach oft hartnäckig und schwer zu ändern, beruhen sie doch häufig auf fundamentalen Erfahrungen in unseren frühen Lebensjahren. Hier möchte der Autor im Folgenden mit Modellen der Psychotraumatologie ansetzen. Er weist auch darauf hin, dass es hier bei den Betroffenen schnell zu Abwehrreaktionen und Zweifel kommen kann, da man Traumatisierungen ja eher mit “schweren Symptomen, wie Flashbacks, Alpträumen, massiven Ängsten o.ä. in Verbindung bringt (Elbert, 2022, S. 18). Er macht ebenso deutlich, dass es bei seiner Betrachtung nicht darum geht, “das täglich im Führungsalltag Erlebte als »pathologisch« zu klassifizieren. Das wäre nicht zieldienlich, weil eine solche Einordnung eine Hinwendung und Bearbeitung der Inneren Fesseln eher verhindern oder zumindest erschweren könnte. »Kranksein« ist im Unternehmens- und Organisationskontext oft mit reduzierter Leistungsfähigkeit assoziiert und entspricht in den seltensten Fällen unserem Selbstbild.” (Elbert, 2022, S. 19) Das Einleitungskapitel schließt mit einem Überblick zum Buch sowie einem Nutzen-Plädoyer und einigen Lesehinweisen für das Buch ab.  
  • Kapitel 2 schafft den Referenzpunkt zum Thema Führung und beschreibt die Basis von Führung aus einer systemischen Brille. Hierzu geht es zunächst um die systemische Sicht auf Organisationen und sodann aus dieser Sicht heraus um die Aufgaben von Führung in diesem Kontext. In weiterer Folge bespricht der Autor die Kompetenzen, die (Top-)Führungskräfte hierzu haben sollten und schließlich nach der “idealen Führungskraft”. Elbert leitet dann über, dass die Entwicklung dieser Kompetenzen nicht nur kognitiv theoretisch erfolgen kann, sondern vor allem auch eine Umsetzung nötig ist. Hier können innere Blockaden oder “Innere Fesseln”, wie er es nennt im Wege stehen. “Es zeigt sich eine Inkongruenz: Wir handeln nicht so, wie wir es bei neutraler Betrachtung als sinnvoll oder zielführend erachten würden. Handeln wollen und handeln können sind nicht deckungsgleich, obwohl wir mit allem ausgestattet scheinen, was notwendig ist.” (Elbert, 2022, S: 38) 
  • Im Kapitel 3 geht es um das Lernen von Führung und die Entwicklung von Führungskompetenzen. Besonderes Augenmerk legt der Autor dabei auf die Ausbildung von Beziehungskompetenzen und beschreibt die Bedeutung der frühen persönlichen Entwicklung im Herkunftssystem und über die “Reifung” on und off the job. Auch geht es um die Ursachen für mögliche Entwicklungsverzögrungen oder um Ursachen für Entwicklungsstillstände. Hier sieht Elbert eine Chance, “die Zukunft (…) in der Vergangenheit” (Elbert, 2022, S. 47)  zu suchen. Dies geschieht im folgenden Kapitel. 
  • Kapitel 4 “Die ‘gefesselte’ Führungskraft” beschreibt die verschiedenen Erscheinungsformen Innerer Fesseln und ihre  Charakteristika als frühe Traumatisierungen. Es geht um Perfektionismus, geringe Fehlertoleranz, “Workaholismus”, “Datenfetischismus” oder Mikromanagement, Selbstüberschätzung oder Blackouts und Dissoziation, um nur einige zu nennen. Auch hilft Elbert, die Inneren Fesseln besser zu erkennen. Auch beschreibt der Autor in Kap. 4.2 dann den Preis, der mit diesen Inneren Fesseln verbunden ist und in Kap. 4.3 dann die Hintergründe zu Entwicklungstraumata, die er mit den Inneren Fesseln in Verbindung bringt. Die Grundlagen Psychotraumatologie, die er sodann etwas tiefer beschreibt, könnten interessante Hinweise zu Inneren Fesseln geben. Und schließlich macht Elbert auch klar, dass Innere Fesseln als Trauma-Überlebensstrategien nicht in den Bereich einer “Erkrankung” gerückt werden sollten, wie dies bei stark manifestierten Traumafolgestörungen und PTBS der Fall ist. 
  • Im Kapitel 5 widmet sich der Autor dann dem “Ent-fesseln” und damit Ideen zu Lösungsstrategien für innere Fesseln. Dabei macht der Autor gleich zu Beginn des Kapitels noch einmal deutlich, dass das Buch für Führungskräfte, also für Betroffene und nicht für Beratende, also Berater, Coaches und Helfende geschrieben ist. Es geht ihm daher mehr um das, was man in einen Ent-Fesselungsprozess mitbringt und was man mitnimmt und weniger um das wie des Prozesses selbst. So geht es dem Autor vor allem darum, Betroffenen Mut zu machen, sich auf die Rede zu begeben und hierzu Unterstützung anzunehmen. So gibt er auch Hinweise auf Kriterien zu “passenden” Begleitenden da gerade bei Inneren Fesseln die Beziehung stimmen muss. Auch geht es um einzelne Schritte bzw. Stufen, die Betroffene bei der Entfesselung erleben können. Und wozu dies letztlich im Ergebnis führen kann.  
  • Kapitel 6 schließlich ist mit “Wofür das alles?” überschrieben. Es ist eine Art Vor-Plädoyer dafür, inwiefern sich die Reise lohnt. Sich mit den inneren Fesseln zu beschäftigen, kann Führungskräften helfen, exzellente Führung zu leben,  so Organisationen besser zum Erfolg zu führen bis hin zu einer Humanisierung des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.
  • Im Kapitel 7 findet sich dann das persönliche Abschlussplädoyer und im Anhang weitere Modelle zur Traumaforschung, wie das Ego-State Modell, das Modell der strukturellen Dissoziation, das Modell der inneren Familiensysteme und das Modell der Dysregulation des autonomen Nervensystems.

Das Fazit

Das Buch greift ein heute noch immer häufig verschwiegenes oder ignoriertes Thema im Führungsumfeld auf und bearbeitet es auf eine klare, informative und unaufgeregte Art und Weise. Es richtet sich dabei primär an betroffene oder interessierte Führungskräfte, die etwas mehr über sich erfahren und über mögliche “Innere Fesseln” reflektieren möchten. Doch auch wenn statt konkreten Coaching- und Therapiemethoden eher Hintergrundwissen und motivierende Aspekte für Betroffene im Vordergrund stehen, so bietet das Buch dennoch auch für Berater und Coaches viel Spannendes. Mir hat das Thema wie auch das Buch von Inhalt und Schreibstil sehr gefallen, so dass ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung für Führungskräfte abgebe. Gerade die Traumabrille bietet auch aus unserer xm-institute Sicht noch viel Potenzial, um mit ihr auf Wirtschaft und Organisationen zu schauen.

 

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Elbert, Steffen (2022). Innere Fesseln lösen – befreit führen. Schäffer-Poeschel: Stuttgart.

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.