In der Agilen Community ist sie wohlbekannt, die “Dunbar’s Number”.  In diesem Research Bite geht es um die Frage, was die Dunbar’s Number ist, aber auch, warum hier aktuell die Agile Community nicht immer richtig liegt und teilweise zu sehr vereinfacht.

Dunbar’s “Social Brain”-Hypothese

Die sogenannte Social Brain Hypothese wurde vom Psychologen Robin Dunbar aufgestellt. Sie besagt, dass es eine Art natürliche kognitive Grenze gibt, die für Primaten beschreibt, mit wie vielen anderen Primaten sie auf gute Art und Weise maximal soziale Beziehungen unterhalten können. Diese scheint abhängig von der Größe des Neocortex und wurde von Dunbar bei verschiedenen Primaten wie auch beim Menschen untersucht und nachgewiesen. Es scheint also eine natürliche soziale Netzwerk-Größe zu geben, die sich bei Menschen ausbildet, diese beschreibt die sogenannte “Dunbar’s Number”.

Dunbar’s Number

Die Dunbar’s number beschreibt nun mit der Zahl 150 die Anzahl von Kontakten, zu denen ein Individuum noch eine soziale Beziehung in der Form erhalten kann, dass man sich gegenseitig kennt und weiß, mit wem man es zu tun hat. 

Darüber hinausgehend kann man die Zahl in eine fraktale Reihe einordnen, die weitere Zahlen zu sozialen Gruppengrößen erfasst:

Research Bites - Dunbar's number - xm-institute - Dr. Oliver MackDie Reihe folgt grob dem Gesetz xy+1= xy*3 und damit grob 5 (“loved ones”), 15 (gute Freunde), 50 (Freunde), 150 (bedeutsame Kontakte), 500 (Bekannte), 1500 (Menschen, an die man sich erinnern kann). Die Zahlen scheinen natürliche Attraktionen für soziale Gruppengrößen unterschiedlicher Bindung und Nähe zu sein (n.n., 2019). Auch gibt es Studien, die Dunbar’s Number in sozialen Netzwerken nachweist, wobei einige Studien diese etwas höher als im nicht-virtuellen Leben sehen.

Aus der Dunbar’s Number wurden nun zahlreiche Empfehlungen zur Gestaltung von Organisationen im Rahmen von Team- und Organisationsdesigns abgeleitet. Ein häufiges Beispiel, das immer wieder genannt wird, ist Gore. So wird dieser Organisation nachgesagt, dass sie Gebäude nicht größer als für 150 Mitarbeiter baut (Gladwell, 2006). So ist es nicht verwunderlich, dass die Zahlen Dunbar’s in der Agilen und New Work Community entsprechenden Zuspruch finden.

Häufige Denk-Fehler

Liest man Referenzen zu Dunbar’s Number in der Agile Community, so sieht man häufig Denkfehler, die aus Verkürzungen und Simplifizierungen von Dunbar’s Studien entstehen. Dave Snowden beschreibt diese Denkfehler wie folgt (Dave Snowden in Thurlow, 2020):

  • Dunbar hat sich vor allem auf die Zahl von rund 150 fokussiert. Die Zahl betrachtet ein “egozentrisches Netzwerk”, geht also von einer Person aus. Dies bedeutet, dass eine einzelne Person Neocortex-bedingt ca. 150 Beziehungen aufrechterhalten kann. Dies bedeutet somit NICHT, dass die ideale Größe einer organisationalen Einheit bei 150 liegt, da dies ja bedeuten würde, dass die Menschen außerhalb der Organisation keinerlei weitere engere Beziehunge unterhalten. Die tatsächliche Größe dürfte damit in einer Organisation somit vielleicht bei 75 liegen (Dave Snowden in Thurlow, 2020). 
  • Die Zahl ist auch nicht exakt fix, sondern eine Art Mittelwert. Es finden sich auch Menschen mit deutlich geringeren und deutlich höheren Vernetzungen. Extrovertierte unterhalten tendenziell ein größeres Netzwerk, als Introvertierte Menschen, so dass die Größen je nach Kontext schwanken können.
  • Ebenso kann in professionellen Umfeldern die Zahl deutlich höher liegen als in gesellschaftlichen sozialen Strukturen, wie Stämmen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass man es hier nicht mit der gesamten Persönlichkeit einer Person, sondern “nur” mit ihrer professionellen Identität zu tun hat.(Dave Snowden in Thurlow, 2020) Bereits Luhmann beschreibt diesen Effekt der komplexitätsreduzierenden Wirkung, wenn man auf eine professionelle Rolle und nicht die gesamte Person fokussiert. Diese Reduktion erfordert weniger Kapazität bei der Informationsverarbeitung in der Interaktion und erlaubt damit mehr enge Kontakte.

Dunbar RIM. (1993). Coevolution of neocortex size, group size and language in humans. Behavioral and Brain Sciences 1993; 16: 681–735.

Dunbar RIM. (1998). The social brain hypothesis. Evolutionary Anthropology 1998; 6: 178–190.

Gladwell, M. (2006). The tipping point: How little things can make a big difference. Little, Brown.

n.n. (2019), Dunbar’s number: Why we can only maintain 150 relationships. BBC. https://www.bbc.com/future/article/20191001-dunbars-number-why-we-can-only-maintain-150-relationships. Received: 20.02.2022.

Thurlow, N. (2020). Dave Snowden and friends – Organizational Design – Part 2. https://youtu.be/8jE4kMWhM1g. Received: 20.02.2022.