Unternehmen tendieren zum Leben in der Vergangenheit aber brauchen den Fokus in der Zukunft

Innovationen in Unternehmen scheitern oft an eingefahrenen Strukturen und an etablierten Vorstellungen aus der Vergangenheit. Eine Erklärung hierfür: Organisationen können als “fortgesetzte Kommunikation” zwischen ihren Mitgliedern und der Umwelt verstanden werden. Sie definieren sich über ihre Vergangenheit, die immer wieder auf verschiedenste Weise weitergegeben wird und sich damit verfestigt. Wer kennt das nicht: Man unterhält sich meist häufiger über vergangene Erfolge, die guten Verkaufsabschlüsse, die großen und schwierigen Projekte, die bewältigt wurden, nicht über die neue Strategie oder das, was kommen wird. Dies schafft die Kultur und Identität einer Organisation. Innovationen sind daher für Unternehmen neben dem Fortschritt auch immer Bruch mit der Vergangenheit und Loslassen und Verändern der eigenen Identität.

Nicht nur organisationales Lernen, sondern auch gezieltes Vergessen ist wichtig

In sich immer schneller verändernden Umwelten, ist Wandel und Erneuerung überlebensnotwendig. Nicht nur unternehmensweites Lernen, sondern auch Vergessen ist entscheidend für erfolgreiche Innovationen. Dies schafft Raum für Neues und ermöglicht es, Entscheidungen in der Vergangenheit nun anders zu treffen. Doch mit zunehmend lückenlosen Speicherung aller wichtigen Informationen und Daten in Unternehmen wird Vergessen immer schwieriger. Mit Risikobewertungen, Absicherungsanalysen und Überdokumentation in Wissensdatenbanken, Wikis und anderen Informationsquellen ist ein zufälliges Vergessen der Organisation umso schwieriger. Zunehmend sind hierfür umfassende Lern- und Informationsverarbeitungskonzepte für Organisationen gefragt, die neben der Wissensspeicherung und Verarbeitung auch ein systematisches Entlernen beinhalten. Drei Ebenen gilt es hierbei anzusprechen:
1. Organisationsstruktur und -infrastruktur:
Auf Ebene der Gesamtorganisation gilt es, Strukturen und Prozesse zu etablieren, Lernen wie Entlernen gezielt fördern. Wichtige Fragen hierzu sind die richtige Adressierung der verschiedenen Funktionsbereiche, Lern- und Entlernzyklen und -strategien.
2. Netzwerk-/Teamstrukturen und -interaktion:
Auf der Ebene von Teams gilt es die von Gesamtunternehmensseite vorgegebenen Strukturen und Strategien zu konkretisieren. Daneben gilt es auch eine entsprechende Wahrnehmungs- und Verständnissituation zu schaffen, die Mut und Bereitschaft zu Neuem fördert.
3. Führungskräfte:
Starke Führungskräfte können Entlernen und Innovation gezielt mit ihrem Verhalten fördern und steuern. Daher gilt es, bei der Einführung von integrierten Lern-/ Entlernstrategien wichtige Führungskräfte zu begleiten und ihren Möglichkeiten aufzuzeigen, diesen Prozess systematisch zu verstärken.
Die Bedeutung von Führungskräften in diesem Prozess wird besonders in Großunternehmen meiner Erfahrung nach heute deutlich unterschätzt. Organisationales Lernen wird hier oft mit starkem Fokus auf Tools und Prozessen betrachtet. Ein gutes Beispiel für die Bedeutung der Führungsebene ist das Flip-Flopping von Steve Jobs, Apple.

Steve Jobs’ Flip-Flopping – das gelebte Vergessen als Innovationsmaschine

Neben weiteren Faktoren ist wohl ein sehr wichtiger Charakterzug von Steve Jobs für Apples Innovationskraft der letzten Jahre verantwortlich. Kollegen und Mitarbeiter berichten von einem Charakterzug vom Apple Chef, der als “Flip-Flopping” bezeichnet wurde. Steve konnte seine Meinung zu einem Thema von einen auf den anderen Tag ändern. Lehnte er zunächst noch vehement die Idee eines Mitarbeiters ab, konnte er am nächsten Morgen in einem Meeting mit ein und denselben Mitarbeitern eben diese Idee als seine eigene Idee einbringen und diese euphorisch vertreten. Man sprach auch von einer Art “Reality Distortion Field”, das Steve umgab und das es ihm ermöglichte, die Realität seinen Vorstellungen anzupassen. Dieses Verhalten trägt nicht wirklich zur wertschätzenden Interaktion mit Mitarbeitern bei, ist aber hinsichtlich der Innovationskraft ein hervorragendes Mittel, um täglich Entscheidungen in Frage zu stellen und völlig neu zu denken, da die sonst “bremsende” Kraft der fortgesetzten Kommunikation in Organisationen so außer Kraft gesetzt werden kann.
Nicht alle Führungskräfte sind und werden wie Steve Jobs sein können und wollen, doch lassen sich Elemente dieses Ansatzes gezielt in Organisationen einbauen, um die Innovationskraft des Unternehmens nachhaltig zu steigern.