Bart xm-institute Change Dr. Oliver MackVielleicht erinnern sie sich an den Beginn der Pandemie, als viel mehr Männer als sonst in den Videokonferenzen mit Bärten auftraten, obwohl sie im Büro immer rasiert waren? Fragte man nach Begründungen war meist zwei besonders häufig auf der Tagesordnung: Entweder die Befragten sagten, sie hatten keine Zeit, sich zu arssieren oder sie seien ja nicht im Büro. Beide Aussagen sind eher fragwürdig: Meist gewinnt man durch das Homeoffice an Zeit, zumindest weil man sich den Fahrweg spart und in Videokonferenzen hat das Gesicht eine noch größere Bedeutung. Was steck also dahinter? (Tett, 221)

Eine mögliche Deutung bringt Kilian Tett in Ihrem Buch “AnthroVision”, indem sie mit der Brille einer Anthropologin auf den Sachverhalt schaut: Man kann den Übergang vom Office ins Homeoffice während der Pandemie als einen massiven Einschnitt und einen Übergang zwischen zwei Zuständen sehen, ähnlich wie in einigen Stammesvölkern noch immer der Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein. Zur Unterstützung und Betonung dieser Übergänge finden in der Regel Rituale und deutlich sichtbare Handlungen statt, die diese Abgrenzung betonen – Haare schneiden, Masken oder Gesichts-Bemalungen oder rituelle Tänze. So könnten auch die Bärte gedeutet werden. (Tett, 2021)

Doch was kann uns dies beim Thema Change und Transformation helfen?

Auch im Change gibt es diese Bereiche des Übergangs von einem Zustand zu einem anderen – sogenannte “liminal spaces”. Diese finden sich auch in Snowden’s Cynefin Framework. Übergangsphasen haben im Change eine entscheidende Bedeutung beim Wechsel von alt zu neu. Dabei geht es nicht so sehr nur um das formale Einlernen neuer Verfahren und Prozesse auf der Wertschöpfungsebene (Tooltraining), auch wenn diese je nach Gestaltung des Changeprozesses als Übergangsrituale dienen können. 

Vielmehr geht es um ein gutes und klar gefühltes Separieren zwischen Alt und Neu. Hierzu können, gerade auf der emotionalen Ebene, Rituale Sicherheit geben und eine Unterscheidung deutlich machen. Für einen erfahrenen Changeberater lassen sich diese Erkenntnisse nutzen, um entsprechende Übergänge zu inszenieren und entsprechend wirksam zu gestalten. Dies schafft bei den Betroffenen Mut, stärkt die handelnden Personen und erleichtert ihnen so den Übergang im Sinne eines Loslassen des Alten und ein offenes Annehmen des Neuen. Gerade in liminalen Übergangsräumen herrscht viel Unsicherheit (wer kennt das nicht aus der Pubertät ;-) ) und es bedarf gezielter Maßnahmen, diese Ungewissheit des zukünftigen Zustands durch eine Stabilisierung im Prozess des Übergangs auszugleichen. Man könnte sagen, dass auch wenn die Zukunft ungewiss bleibt, man sich  auf dem Weg dorthin dennoch sicher fühlen kann. Und wenn gemeinsame Rituale oder Handlungen, wie im Homeoffice-Fall das Unterlassen des Rasierens in ähnlicher oder gar gleicher Art und Weise von vielen Betroffenen ausgeübt werden, dann schafft dies die notwendige Gemeinschaft und Sicherheit, die es für einen selbst braucht, um handlungsfähig zu bleiben und “dazu zu gehören”.

Sources:

Tett, G. (2021). Anthro Vision. Penguin-Random House: London.