Ambidextrie - Frey Töpfer - Rezension - Dr. Oliver Mack - xm-instituteIn der heutigen Buchbesprechung geht es um ein weiteres Buch zum Thema “Ambidextrie” oder Beidhändigkeit in Unternehmen. Wir haben ja an anderer Stelle bereits zwei Bücher zu diesem Thema vorgestellt:

Das neue Buch zu diesem Thema, das wir nun etwas genauer unter die Lupe nehmen, wurde von Christoph Frey und Gudrun L. Töpfer geschrieben und ist soeben im Schäffer-Poeschel Verlag erschienen. Die Autor*Innen sind beide selbstständige Organisationsberater und haben sich dem Thema auf rund 130 Seiten gewidmet.

Der lockere und angenehme Schreibstil der beiden Autor*innen wird bereits im Vorwort sichtbar. Auch wird hier der Rahmen für das Buch gesetzt: “Mit diesem Buch möchten wir Ihnen nicht nur das theoretische Konzept der organisationalen Ambidextrie näherbringen, sondern in einem nächsten Schritt auch ganz praktisch ein Instrument an die Hand geben, das Sie bei der Ambidextrie-Arbeit in Ihrem Unternehmen unterstützen kann.” (S.7) Wir sind also gespannt und steigen ein:

Das Buch gliedert sich nach einer Einleitung mit der Schlussbemerkung in 14 Kapitel. Abgerundet wird es noch mit einen Literaturverzeichnis und einem Stichwortverzeichnis.

Gleich zu Beginn in der Einleitung verweisen die Autor*innen auf die anderen aktuell erschienenen Bücher zu diesem Thema, was durchaus zeigt, dass sich Frey und Töpfer bewusst sind, dass auch andere Autoren versuchen, dieses Feld greifbar zu machen. Und so setzen sie sich den Anspruch, über die Theorie hinaus zu gehen und “den großen und damit anspruchsvollen Schritt vom theoretischen Phänomen in die Unternehmenspraxis zu vollziehen und aus dem Konzept ein Instrument zu machen, mit dem Akteure in Unternehmen etwas anfangen können”.(S. 15)  

In Kapitel 1 gehts um den Begriff und das Konzept der Ambidextrie als solches und die Herausforderung, den Begriff konkreter greifen zu können. Es wird in einer charmanten Art und Weise eine Definition und die beiden Begriffe Explore und Exploit eingeführt. Kapitel 2 nutzt dann die Metapher von Fussballvereinen, dem “Exploit-Club: FC Bewahren” und dem “Explore-Club: Vorwärts Erkunden” um in unterhaltsamer Art und Weise die beiden Konzepte praktisch zu erläutern.

Im Kapitel 3 gehts dann umfassender um den “Exploit Modus”. Hier wird zunächst anhand plastischer Beispiele aus der Unternehmenswelt dieser Modus etwas konkreter erläutert. Es folgen dann systematischer gelistet die wichtigsten Merkmale von Exploit. Von den Grundannahmen, über einen zugrundeliegenden Organisationsbegriff, das Entscheiden und Verantworten, Wissen und Lernen, bis hin zu Umgang mit Fehlern. Für Kenner der Materie nicht viel Neues, aber für Leser, die sich zum ersten Mal mit diesem Thema auseinandersetzen wollen, sehr kurzweilig und gut aufbereitet. Zum Abschluss des Kapitels 3 wird dann nochmals alles kurz in einem “What3” zusammengefasst und die Frage behandelt, warum ein Wandel oder Switch zum anderen Modus für Organisationen eher schwierig ist. Kapitel 4 macht dies dann in gleicher Art und Weise nochmals mit dem “Explore”-Modus und die Autor*innen beschreiben am Ende des Kapitels, warum auch Organisationen in diesem Modus häufig scheitern.

Das fünfte Kapitel mit der Überschrift “Sequenz-Struktur-Kontext: Die Synthese” beschreibt die aus der Wissenschaft bekannten Arten von Ambidextrie, wie im Titel vermerkt. Diese sind, wie in anderen Veröffentlichungen auch, einfach, sachlich und gut verständlich erläutert.

Im Kapitel 6, geht es dann um ein kleines Alienkind Imup. Es soll die Voraussetzung dafür bieten, dass ab Kapitel 7 dann ein eigenes Umsetzungsmodell zur Beidhändigkeit beschrieben werden kann. Mit IMUP beschreiben die Autor*innen in einer unterhaltsamen Geschichte von Aliens und heißem Karamelpudding ein generelles Problemlösungsvorgehen.

Kapitel 7 beschreibt dann das von den Autor*innen so bezeichnete “Ekvilibro” Modell zur ambidextren Organisation. Hierzu werden zunächst ein paar generelle Aspekte erläutert (7.1), dann der Begriff des ambidextren Potenzials und der ambidextren Kompetenz eingeführt (7.2, 7.3), bevor dann das Modell erläutert wird (7.4). Das Modell stellt, soweit ich es verstehe, eine Art praktische Umsetzung der Kombination aus den Ambidextrie-Modi dar. Es ist sehr knapp gehalten und konnte mich persönlich nicht gänzlich überzeugen. Oder zumindest stellten sich bei mir einige Fragen, bei denen ich neugierig war, ob sie sich in den Folgekapiteln noch lösen würden.

Kapitel 8 “Ambidextrie trifft auf Organisation” beschäftigt sich mit den drei Unterkapiteln Kultur, Bereitschaft für Change und Führung knapp mit drei weiteren Aspekten zur Umsetzung von Ambidextrie. Im folgenden, neuen Kapitel werden dann die sogenannten “Ambidextrielotsen” behandelt. Eine Idee des Modells der Autor*innen, bei der eine spezifische Rolle in der Organisation die Einführung des Ekvilibrio-Modells unterstützen soll. Darauf folgen in den Kapiteln 11 und 12 detailliertere Erläuterungen zu den beiden Säulen des Modells “Säule 1: Management strukturelle Ambidextrie” und “Säule 2: Management kontextueller Ambidextrie”. Schön finde ich an den beiden Kapiteln, dass hier sehr hands-on Ideen und Herangehensweise, wie z.B. ein Diagnoseraster entwickelt werden, die helfen, Ambidextrie in der Organisation etwas stärker ins Blickfeld zu bekommen. Ohne dass sie gleich in einem vollständigen Modell, wie hier dargestellt implementiert werden müssen, bieten sie doch viele punktuelle Ideen, die auf die eine oder andere Art von Führungskräften und Berater im Alltag oder anderen Projekten verwendet werden können. Auch die Sprache oder Metaphern sind hier wieder sehr pragmatisch und schön, wie z.B. “Bubbles aus Beton, als Tee-Ei oder Seifenblase”. Kapitel 12 schließt das Modell mit einer Schlussbetrachtung ab.

Das folgende Kapitel 13 ist mit dem Titel “Praxisteil mit Arbeitshilfen” überschrieben. Hier werden verschiedene Arbeitsformate, Agendabeispiele oder Fragendsten zu unterschiedlichsten Aspekten zusammengestellt. Auch diese eine schöne Konkretisierung einiger Ideen der vorherigen Kapitel.  Kapitel 14 schließt das Buch mit einer Schlussbemerkung ab.

Alles in Allem ein schönes Buch zum Thema Ambidextrie. Es gab zwar im Vergleich zu den anderen Beiden bereits rezensierten Büchern nicht viel grundlegend Neues und das vorgestellte “Modell” als Kombination verschiedener Aspekte der Ambidextrieforschung hat zumindest mich persönlich nicht vollständig überzeugt. Dennoch hat sich das Lesen für mich voll und ganz gelohnt. Der Schreibstil war unterhaltend und kurzweilig, das Material lehrreich und schön aufbereitet und immer einen Schmunzler wert. Daher sei das Buch vor allem Praktikern aus dem Mittelstand empfohlen, die sich mit der Materie einführend und pragmatisch für eine Umsetzung auseinandersetzen wollen. Auch für Berater ist durch die sehr pragmatische Art und viele konkrete Ideen im Buch viel geboten, so dass ich auch hier das Buch allen Organisationsentwicklern, HR Profis und systematischen Beratern durchaus ans Herz legen kann. Seinen Untertitel “Das Praxishandbuch für eine beidhändige Zukunft” hat es in seiner Knappheit und mit seinem Charme durchaus verdient.

Frey, Christoph/ Töpfer, Gudrun L. (2021). Ambidextrie in Organisationen. Schäffer-Poeschel: Stuttgart.

 

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.