Zielvereinbarungen I: Was Zielvereinbarungen und Hollywood Drehbücher gemeinsam haben

Von unserem Gastblogger Michael Hanschitz

Für Führungskräfte gehören Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern ja bekanntlich zum daily-business.  Jedes Jahr startet mit dem obligaten, nennen wir es hier Zielvereinbarungsgespräch, wo entweder von der Führungskraft vorgegeben oder auch vom Mitarbeiter selbst gewählt die Ziele für das kommende Jahr festgelegt werden. In der Vertriebsabteilung der Bank XY sind dies dann womöglich folgende:

Verkaufen sie heuer 20 Wertpapieransparverträge, 100 Bausparverträge, 50 Lebensversicherungen und vergeben sie Kreditvolumen in Höhe von € 2.000.000,–

Der Mitarbeiter gibt zu Bedenken, dass wir uns derzeit gerade in einer Krise befinden und es wahrscheinlich schwierig wird, die Vorgaben heuer auch zu erreichen. Die Führungskraft nickt dazu mehrmals verständnisvoll antwortet darauf entweder, dass er die Zielvorgaben auch nur von „oben“ bekommt und weitergibt oder, dass das Umfeld heuer eben besonders herausfordernd sei und der Mitarbeiter sich deshalb ganz speziell beweisen kann oder eben heuer „einfach“ nur mehr Anstrengung notwendig sein wird, als dies in den letzten Jahren der Fall war. Bestenfalls wird dem Mitarbeiter von seiner Führungskraft noch Unterstützung in Form eines Verkaufseminares angeboten.

Und so trennen sich beide und treffen sich zur Jahresmitte zum „Standortgespräch“ wieder, um sich anzusehen inwieweit Korrekturbedarf besteht und zwar im Sinne von, kann die getroffene Vereinbarung auch eingehalten werden, waren die Ziele zu hoch bzw. unrealistisch gesteckt oder besteht die Notwendigkeit eventuell neue Ziele hinzuzufügen, da bereits zur Jahreshälfte der Großteil erreicht wurde. Egal ob die Vorgaben erhöht werden, weil zu niedrig angesetzt oder gleich bleiben, weil noch genug „Herausforderung“ da ist. Der Mitarbeiter verweist nochmals darauf, wie schwer es doch im derzeitigen Umfeld fällt, das Gewünschte zu erfüllen. Die Führungskraft hört entweder zu oder spricht einige „motivierende“ Worte oder stimmt sogar in das Klagelied mit ein. Tja, und am Jahresende folgt das, nennen wir es „Zielerreichungsgespräch“. In diesem wird überprüft, inwieweit wurden die gesteckten Ziele auch erreicht? Dabei stellt sich dann heraus, dass einige Ziele eben nicht erreicht wurden, was am Gesprächsbogen für Mitarbeiter vermerkt und begründet wird. Oftmals hilft die Führungskraft auch beim Schreiben der Begründung, da sie ja besser Bescheid darüber weiß, was als Begründung andernorts (zB Personalabteilung) akzeptiert wird. Beide arbeiten Seite an Seite und legen hier somit den Fokus zum Abschluss darauf, warum es im letzten Jahr nicht geklappt hat die Ziele zu erreichen. Geschafft! Der Gesprächsbogen wandert danach in die Personalabteilung und diese berechnet dann den eventuellen Bonus für das abgelaufene Jahr. Das nicht Erreichte wird entweder einfach ins nächste Jahr mitgenommen oder ist aus aufgrund einer Strategieänderung von „oben“ eh schon längst obsolet geworden. Im Jänner nächsten Jahres beginnt das ganze Spiel sowieso von „Neuem“ und zwar mit einem Zielvereinbarungsgespräch mit oder ohne „Altlasten“ aus dem Vorjahr.

Offen bleiben hier Fragen wie: Inwieweit hat sich für den Mitarbeiter im abgelaufenen Jahr etwas verändert in puncto Lernen und Entwicklung? Welche neuen Verhaltensweisen hat er erlernt? Inwieweit ist diese Form der Zielvereinbarung bzw. des Zielvereinbarungsgespräches überhaupt sinnvoll und nützlich für den Mitarbeiter, die Führungskraft, die Organisation? Welche Alternativen gibt es?

Ein Ziel (griechisch τέλος

[telos], lateinisch finis, englisch objective, goal) ist ein in der Zukunft liegender, gegenüber dem Gegenwärtigen im Allgemeinen veränderter, erstrebenswerter und angestrebter Zustand (Zielvorgabe). Ein Ziel ist somit ein definierter und angestrebter Zustand innerhalb einer Ereignisfolge, meist einer menschlichen Handlung zu einem Zweck. ‘Ziel’ benennt häufig den Erfolg eines Projekts bzw. einer mehr oder weniger aufwendigen Arbeit. (Quelle: Wikipedia, 15.3.2012)

Unser Beispiel:

Verkaufen Sie heuer 20 Wertpapieransparverträge, 100 Bausparverträge, 50 Lebensversicherungen und vergeben Sie Kreditvolumen in Höhe von € 2.000.000,–

entspricht in diesem Fall wohl eher dem zweiten Teil dieser Definition. Mitarbeiter und Führungskraft verfügen über einen zuverlässigen und angestrebten Endpunkt, der auch, leicht messbar für beide Seiten, den Erfolg des abgelaufenen Jahres erkennen lässt oder auch nicht. Die einzelnen Messpunkte haben die Qualität von Zielpunkten- oder -linien. Hilfreiche Veränderungen im Verhalten des Mitarbeiters sind darin nicht implizit enthalten, ohne dies deshalb auszuschließen. Selbst wenn die Ziellinie überschritten wurde, ist vielleicht gar nicht bewusst, welche Veränderung beim Mitarbeiter dazu geführt haben könnte bzw. was im letzten Jahr an neuen hilfreichen Verhaltensweisen dazugelernt wurde. Im Unterschied dazu sind Zustandsvereinbarungen konkrete Beschreibungen von Verhaltensweisen, vorrangig von solchen, die für Mitarbeiter im jeweiligen Zeitraum neu hinzukommen sollen, also im Sinne von erlernt werden sollen. Je konkreter diese Verhaltensweisen beschrieben werden, desto wirkungsvoller ist die Vereinbarung und desto klarer wird dem Mitarbeiter auch wie er sie umsetzen kann. Zustandsvereinbarungen unterscheiden sich demgemäß also auch in der Art und Weise wie sie beschrieben werden. Die Beschreibungen sollten, damit sie hilfreich und wirkungsvoll sind, “drehbuchartig konkret“ ausfallen. Drehbuchartigkeit bedeutet, dass jeder Mitarbeiter, der das Skript (=Zustandsbeschreibungen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft) in die Hand bekommt, ähnlich wie in einem Hollywoodspielfilm die Rolle des Mitarbeiters xy übernehmen kann, um es gegebenenfalls unter Anweisung des Regisseurs (Führungskraft) nachspielen zu können. Wie könnte im obigen Fall eine Vereinbarung aussehen, die neben Ziellinien auch Zustände enthält?  Beispiel für eine Zustandsvereinbarung eines Mitarbeiters in der Bank XY:

“Im Jahr 2012 rufe ich wöchentlich 10 Neukunden an und vereinbare mit 30% davon einen Gesprächstermin. In der telefonischen Terminvereinbarung stelle ich verstärkt offene Fragen und lege heuer besonderen Wert auf das aktive Zuhören. Vor dem Verkaufsgespräch nehme ich mir 15 Minuten Zeit die Kontoverbindungen meines Kunden anzusehen. Im Zuge meiner Verkaufsgespräche nutze ich das Computersystem „Hilfe“ als integrativen Bestandteil. Durch die tägliche Nutzung (mindestens 10 Minuten) unseres Online Wertpapiertools verbessere ich meine Kenntnisse im Aktien- und Anleihenfondsbereich und besuche den monatlichen Wertpapierstammtisch gemeinsam mit meinen Kollegen. Meinen Kollegen gegenüber zeige ich meine Wertschätzung, indem ich einmal am Tag positive Rückmeldung zu gut Gelungenem gebe. Einmal täglich stelle ich einem meiner Kollegen eine Frage über mir noch Unbekanntes etc …”

So in etwa könnte ein nächster Schritt in Richtung drehbuchartige Beschreibung in einem Zustandsvereinbarungsgespräch, kurz ZVG, zwischen Mitarbeiter und Führungskraft aussehen. Tja, und wie so ein ZVG jetzt genau ablaufen könnte und welche Haltung dafür als Führungskraft hilfreich ist, davon mehr im Teil II von Ziele wirkungsvoll vereinbaren. Viel Spass beim Nachdenken und Ausprobieren wünscht das Organisationslabor.

Michael Hanschitz ist Berater, Trainer und Coach in Wien und Gastblogger auf Projektwelten.at

Dieser Artikel ist der 1. Teil einer Serie von Beiträgen zum Thema Zielvereinbarungen auf www.projektwelten.at