200Traditionell fokussieren wir als Menschen gerne auf die Objekte und Lebewesen, die uns umgeben. In der Architektur diskutieren wir die Fassaden und Räume, im sozialen schreiben wir Menschen gerne Eigenschaften zu und im Business diskutieren wir Stellenprofile, Aufgaben, Verantwortlichkeiten einzelner Personen und Gruppen. Im sozialen Miteinander wissen wir seit den Durchbrüchen der systemischen Therapie, dass es weniger auf die Eigenschaften einer Person ankommt, sondern vielmehr auf die Beziehungen zwischen den Personen, die für ein Wohlbefinden und eine gute Passung von Personen den Ausschlag geben. Ein Mensch kann im Kontext seines Freundeskreises ruhig und gefasst sein, während er im Umfeld seiner Familie bei kleinsten Anlässen aggressiv und laut reagiert. Er kann in einem Umfeld eine sehr gute Performance bringen, während der in einem anderen Team oder Projekt bei gleicher Aufgabe deutlich schlechter performed. In der Architektur sind wir uns ebenso selten bewusst, wie wichtig die Übergänge sind, um einen lebendigen Lebensraum zu schaffen. Christopher Alexander in seiner Theorie lebendiger Systeme und Pattern Language weist uns darauf hin, dass es die Höfe, Gänge, Randstreifen bei Straßen sind, die von enormer Bedeutung für Ästhetik und Stimmigkeit sind. Auch in der Natur sind die Übergänge oft entscheidend für Leben und Wachstum, wie der Strand zwischen Meer und Land oder das Seeufer eines Waldsees.

So sollte es nahe liegen, sich auch bei Organisationen deutlich mehr mit den Schittstellen zu beschäftigen. Doch in der Tradition des klassichen Qualitätsmanagements und des linear-kausalen Paradigmas fokussieren wir primär auf die Objekte und Personen:

  • Im Marketing geht es traditionell mehr um die Zielgruppe und deren Eigenschaften, als um die Interaktion und Beziehung zwischen Unternehmen und Kunde.
  • In HR/ OE geht es weniger um die Verknüpfungen und sozialen Netzwerke als um die Eigenschaften oder Kompetenzprofile einer Person und deren individuelle Weiterentwicklung.
  • Im Qualitäts- und Prozessmanagement geht es mehr um die Produkte und Zwischenprodukte, als die Verknüpfung dieser Aktivitäten und die Schnittstellen zwischen den Arbeitsbereichen und Arbeitsschritten.

Dabei sind es genau die Interfaces, die hier einen Unterschied ausmachen und rücken erst jüngst etwas mehr in den Mittelpunkt der Betrachtung. So geht es weniger um die Perfektionierung des Handelns an sich, weniger um den Prozess an sich, als um die Schnittstellen zwischen Aktivitäten und Prozessen. Dies nimmt immer mehr Bedeutung ein, je mehr wir das Zusammenspiel in Organisationen als Netzwerke und weniger als lineare Prozesse begreifen.

Doch der Blick auf Interfaces nimmt auch eine strategische Rolle ein: Salim Ismail (2014) sieht in der Gestaltung der Interfaces einen von neun zentralen Punkten erfolgreicher hochskalierender Organisationen der neuen Art im Informationszeitalter (Exponential Organizations), bei denen nicht zuletzt eine zielgerichtete Gestaltung der Schnittstellen zum Kunden und zur den Mitarbeitern und Kooperationspartnern für den Erfolg und ein schnelles Wachstum entscheidend sind. Diese werden zunächst noch manuell und analog bearbeitet, werden aber bei zunehmendem Wachstum automatisiert und sind somit ein wichtiger Enabler für schnelles Wachstum. Beispiel Amazon: Während früher Hosting-Dienstleistungen teils manuell verkauft, eingerichtet und abgerechnet wurden, steuert bei AWS heute ein vollautomatisches Userinterface die komplette Schnittstelle zwischen Kunde und Unternehmen vom ersten Kontakt über die Leistungserbringung und Abrechnung bis zur Beendigung der Inanspruchnahme.

Am xm-institute haben wir Methoden entwickelt, die es uns ermöglichen, gerade an den Schnittstellen genauer hinzuschauen und diese zu optimieren. Hierzu bedarf es nicht immer einer Exponential Organization um für ein Unternehmen einen signifikanten Unterschied zu machen.

Welche Erfahrungen gibt es bei Ihnen mit Schnittstellen und deren Bearbeitung?


Literatur:

Ismail, S. (2014): Exponential Organizations, Diversion Books 2014