Change Management (nicht so) leicht gemacht (2): Von Schauspielern, Zuschauern und Regisseuren

Theater spielen?

Im ersten Teil der Serie hatten wir Change Mangement als Heldensage betrachtet. Heute geht’s in die Welt des Theaters. Doch was hat Change mit Theater zu tun?

Nun ja, einige Unternehmen greifen ja bereits rege auf Schauspieler zurück, die auf Firmenveranstaltungen oder im Rahmen von Großgruppen bei Change Projekte agieren und “den Spiegel vorhalten”. Unternehmenstheater soll, so die Idee, über eine Inszenierung durch professionelle Schauspieler die Mitarbeiter mobilisieren, Veränderungen initiieren, beschleunigen oder nachhaltig verankern. Wenn die Mitarbeiter erst einmal sehen, wie sie so im Alltag agieren und was da so alles schief geht, so die Idee, werden sie offener sein, Dinge zu verbessern. Manchmal zeigt man jedoch auch bereits die neue, bessere Welt, und an diesen Gedanken möchte ich vertiefend anknüpfen.

Veränderung ist immer Identitätsverlust

Vielleicht kennen sie diese Situation: Ein Change Management Projekt will und will nicht gelingen. Soziale Systeme verändern sich nunmal nicht so schnell und generell ist das gut so. Denn sie schöpfen ihre Identität primär aus der Vergangenheit. Die Erfolge vergangener Tage, das gewonnene Großprojekt, der erfolgreiche Produktstart, die technische Lösung für die geplante Entwicklungsidee, all dies sind Dinge, die wichtiger, präsenter und greifbarer für die Organisation und ihre Mitarbeiter sind, als die große Zukunftsvision, die geplanten Veränderungen oder die neuen Ziele. Und: In Change Management Projekte und strategischen Veränderungsinitiativen arbeiten die selben Mitarbeiter wie im Unternehmensalltag. Warum sollte es daher dort anders sein? Warum sollten sich die Mitarbeiter hier anders verhalten?

In unserer Beratungspraxis sehen wir fast immer, dass Veränderungsprojekte den Istzustand der Organisation als Ganzes im kleinen abbilden. Wir nennen dies “selbstähnlich” oder “Fraktal”. Das vergangene, als problematisch erlebte Verhalten zeigt sich also immer auch im Projekt selbst.

Beispiele:

  • Eine Organisation wird sehr hierarchisch geführt und will mehr dezentrale Verantwortung und im Veränderungsprojekt definiert die Unternehmensleitung Ziele, Projektleiter, Projektteam und steuert straff den Projektfortschritt.
  • Eine Organisation will mehr Innovationskraft und möchte, dass sich mehr Mitarbeiter mit neuen Ideen beteiligen. Im zugehörigen Veränderungsprojekt wird eine große externe Fachberatung einsetzt, um einen neuen Prozess für die Mitarbeiter zu entwerfen.
  • Eine Organisation hat ein geringes Kostenbewusstsein und möchte die Mitarbeiter hierzu sensibilisieren. Beim Projektstart mit der Unternehmensführung wir als erster Schritt eine dreitägige Klausur mit dem Management Team und ausgewählten Mitarbeitern Offsite in einem Luxusressort geplant.
  • Eine Organisation wünscht eine stärkere Projektorientierung im Rahmen ihrer Forschung und Entwicklung. Im Projekt allerdings werden wichtige Entscheidungen der Führungskräfte nicht gemeinsam im Steering Committee getroffen, sondern in bilateralen Gesprächen und mit Linien-Autorität durchgesetzt.

Zwei Dinge gilt es daher bei Change Management Projekten besonders im Auge zu behalten:

  1. Veränderung ist in gewisser Weise für die Organisation als Ganzes und für den Einzelnen ein mehr oder weniger großer Identitätsverlust. Erfolgreicher Change erfordert immer ein ausreichend attraktives Angebot einer “Lösung”, um vom bisherigen Verhalten zu einem neuen anderen Verhalten zu wechseln.
  2. Veränderungen sind nicht das Ergebnis von Change Projekten, sondern sind bereits von Anfang an in Change Projekten im Kleinen gezielt zu bearbeiten.

Change Management als Theaterstücke – “Wir leben die Lösung!”

Mit diesen beiden Grundideen sind wir zurück beim Theaterstück. So hat sich in der Begleitung unserer Kunden bei kleinen und großen Veränderungsvorhaben die Theatermetapher als sehr nützlich erwiesen:

  • Das Change Management Projekt wird als Theaterstück verstanden, bei dem nicht im Ergebnis die Veränderung steht, sondern die Veränderung bereits im Projekt sichtbar wird. Es geht darum, mit den Führungskräften und dem handelnden Projektteam eine Situation zu schaffen, in der einerseits erkannt wird, dass sich die zu ändernde Situation auch im Projekt selbst widerspiegelt (“Selbstbeobachtung”) und dann dieses Verhalten im Projekt zum gewünschten Zusatand hin verändert wird, nicht nur im Unternehmen ausserhalb des Projektes(“Die Lösung leben”).
  • Das Projektteam übernimmt so die Rolle des Ensembles, bei dem Veränderung sichtbar wird. Während der Rest des Unternehmens noch im Problem verhaftet ist, lebt das Projektteam bereits die zukünftig gewünschten Werte, Haltungen, …
  • Der Rest des Unternehmens kann als Theater-Publikum verstanden werden. Ob man es will oder nicht, ob man es so sieht oder nicht, es “beobachtet” quasi aus dem Zuschauerraum was im Projekt passiert und deutet dies. Das Projektteam muss daher die gewünschten Zielzustände nach Außen deutlich sichtbar machen und den Unterschied zum bisherigen im Projekt und am eigenen Handeln deutlich machen.
  • Der Berater agiert in diesem Bild vorrangig als Regisseur. Er kennt mit der Aussensicht das zu spielende Stück und hilft dem Ensemble dies adäquat umzusetzen. Dabei hat er auch das Publikum im Blick und achtet darauf, wie dieses auf  die Aufführungen reagiert. Er steuert entsprechend in den Pausen nach jedem Akt gezielt nach und schafft so eine ausreichende Öffentlichkeit und die Verbindung zwischen Bühne und Zuschauerraum.

Die Theatermetapher hilft so, uns als Beratern und unseren Kunden, Change Management Projekte einmal ganz anders zu sehen und Wandel und Veränderung mit einer anderen Brille besser zu verstehen. Die Herausforderung liegt allerdings in der konkreten Ausgestaltung im Change-Alltag. Hierbei helfen wir.

Über Kommentare, Anmerkungen, Anregungen, Ideen und Fragen bin ich dankbar.

 

Links zu anderen Teilen der Reihe:

Change Management (nicht so) leicht gemacht (1): Von Helden, Sternenkriegern und Drachentötern

Change Management (nicht so) leicht gemacht (2): Von Schauspielern, Zuschauern und Regisseuren

Change Management (nicht so) leicht gemacht (3): Von Aggregatszuständen, Zeitbegriffen und Selbstähnlichkeiten