Buchbesprechung: Harry Gatterer – Future Room

Harry Gatterer ist Zukunftsforscher und Geschäftsführer des Zukunftsinstituts in Frankfurt und Wien. Mit dem Buch “Future Room”, das Mitte Januar 2018 erschienen ist, stellt er eine gleichnamige Methode bzw. ein Produkt des Zukunftsinstituts der breiteren Leserschaft vor.

Generell bergen Bücher dieser Form i.d.R. folgendes Problem: Gibt der Autor zu viel über die Methode preis, läuft er Gefahr, dass Dritte diese ohne Beratungsleistung selbst durchführen können. Gibt er zu wenig von der Methode preis, bleiben die Bücher oberflächlich und für den Leser enttäuschend.

Im vorliegenden Buch schafft Gatterer m.E. sehr gut diesen Spagat hinsichtlich der Tiefe und Konkretheit des Inhalts. Offen und sehr freigiebig beschreibt er eine Methode, von der der Autor behauptet, dass Unternehmen hiermit “ihre verborgenen Kräfte [erkennen …] und daraus die richtigen Konsequenzen für die Zukunft [ableiten können].” Ob dies gelingt, bleibt dem Leser selbst überlassen, was das Buch hierzu jedoch anbietet, sind viele nützliche Anregungen und eine detaillierte Schrittweise Anleitung zur Vorgehensweise zur Erkundung von Trends und der Schärfung des Blicks auf die Zukunft im Innen und Außen des eigenen Unternehmens.

Die Methodik wird detailliert mit jedem einzelnen Schritt dargestellt und mit Templates, die auch auf der Website (https://futureroom.network) zur Person und zum Buch verfügbar sind, unterstützt. Jeder Schritt wird erläutert und am Ende jedes Schritts mit vier Beispielunternehmen aus dem Tankstellengeschäft, dem Immobilienmarkt, Der Medizintechnik und der Telekommunikation konkretisiert. Das Buch wird damit sehr konkret praktisch anwendbar.

In einem dreiphasigen Prozess wird der aktuelle Ist-Zustand, Zukunftsbilder und ein gemeinsames Big Picture abgeleitet, das Führungskräften oder Führungsteams dabei helfen kann dann schließlich Konsequenzen und Ansatzpunkte für das eigene Handeln abzuleiten. Bei lesen wird klar, wie bei der Methode vorzugehen ist. Da es sich um ein Praktikerbuch handelt, bleibt die theoretische Fundierung leider etwas zu kurz. Es wird zwar auf die eine oder andere sehr anspruchsvolle Referenz, wie Dirk Baeckers “Form of the Firm” Modell, die Systemtheorie verwiesen, was aber weniger zur Klärung als zu mehr Fragen beiträgt, wenn man als Praktiker die Konzepte nicht kennt. Hier hätte ich mir entweder ein umfassenderes Kapitel oder einen Anhang zur Theorie oder aber einen mutigen Verzicht hierauf gewünscht, da das aus meiner Sicht sehr gute Konzept m.E. diese Verweise nicht benötigt, um im Anwendung zu kommen. Der Autor betont ferner die Bedeutung einer systemischen Arbeitsweise in der Zukunftsforschung und in der Arbeit in Workshops, was ich als systemisch geprägter Forscher und Berater voll unterstreichen kann. Die systemische Arbeitsweise blitzt in Fragestellungen und Vorgehen im Buch zumindest ein wenig immer wieder auf, was mir äußerst gut gefällt.

Das Buch ist sehr stylisch und ansprechend aufbereitet. Der Murmann Verlag seht hier für ein tolles Design. Was das Lesevergnügen für mich ganz persönlich etwas geschmälert hat, war teils die verwendete Begriffswelt und Sprache.  Ob es für die einzelnen Schritte des Modells den Begriff “Buttons” und für die Templates den Begriff “Holo-Screens” braucht, möchte ich dem interessierten Leser überlassen. Weitere Begriffe im Buch scheinen dem Kernmetier des Autors, der Zukunftsforschung, entliehen, wie Wildcards, White Spots, etc. mit denen sich versierte Berater wohl fühlen werden, welche auf Führungskräfte in mittelständischen oder traditionellen Unternehmen als Leserschaft eher befremdlich wirken könnten und die überaus nützliche Toolbox an ihrer Anwendung hindern.

Alles in allem jedoch ein sehr lesenswertes und nützliches Buch mit einer pragmatischen systematischen Methodik für einen klareren Blick in die Zukunft. Beratern sei das Buch ohne Einschränkungen wärmstens empfohlen. Praktiker hingegen benötigen m.E. zur selbstständigen Umsetzung ein wenig Erfahrung, mehr Zeit und Hintergrund-Wissen. Dies sollte jedoch auch sie nicht vom Lesen abhalten, da das Buch viele pragmatische Hinweise enthält und durch die Unternehmensbeispiele die Methode durchaus greifbar macht.

Harry Gatterer, Future Room, Murmann: Hamburg 2018

Anmerkung zur Transparenz: Das Buch wurde dem Autor dieses Artikels vom Verlag kostenlos zur Rezension zur Verfügung gestellt. Die Meinung des Autors ist hiervon jedoch nicht beeinflusst.