Arbeitswelt im Wandel – Organisationskultur im Wandel: Eine Mitarbeiterperspektive …

von unserem Gastblogger Michael Hanschitz

… “ich bin da glaube ich ein schlechtes Beispiel, weil ich führe mich eigentlich selbst und so etwas wie Führung gibt es bei uns eigentlich nicht”, war die erste Rückmeldung auf meine Gesprächsanfrage bei einem Mitarbeiter eines amerikanischen Herstellers von High-End Konsumgütern (aufgrund der Firmenpolicies bleiben die Namen hier ungenannt). Die Firma ist jetzt schon seit 2 Jahren auch am österreichischen Markt erfolgreich vertreten und will in Zukunft noch präsenter auftreten. Der Firmensitz ist in den USA. In Europa ist das Unternehmen seit mehreren Jahren tätig.

Das Treffen fand dann in einem Kaffeehaus, einem seiner unzähligen Büro’s wie er es bezeichnet hat, statt. Unser Gespräch begann mit der technischen Infrastruktur seines Arbeitsplatzes, die er wie sollte es in einem fixen Anstellungsverhältnis anders sein von der Organisation zur Verfügung gestellt bekommt. Diese besteht aus einem Lap-Top mit Internetanbindung und diversen Softwarapplicationen wie beispielsweise einem CRM-System und einer Spesenabrechnung sowie einem SMART-Phone, fertig ist der “moderne Arbeitsplatz”. Die Kommunikation mit der Organisation läuft zu 95 % über Email und Telefon.

Auf die Frage wie das Miteinander in der Organisation gestaltet wird gibt er an, dass er einmal pro Woche einen Conference Call von 60 Minuten mit seiner Führungskraft und anderen Kollegen in Europa führt. In diesem Conference Call wird die aktuelle Situation jedes einzelnen durchgesprochen, zum Beispiel welche Aktivitäten (Verkäufe, Events, Geschäftsanbahnungen) in dieser Woche anstehen. Es gibt also auch in “modernen Arbeitswelten” eine Führungskraft. Im Unterschied zu herkömmlichen Arbeitsverhältnissen sitzt der Chef eben nicht im Büro nebenan, sondern in diesem Fall eben in London. Persönliche Meetings gibt es hingegen kaum. Seinen letzten Vorgesetzten hat der Mitarbeiter nicht kennengelernt, bevor dieser die Firma verlassen hat.

Den 2ten Conference Call in der Woche organisiert die Marketing Abteilung in den USA. Daran sind wieder alle Kollegen beteiligt und das Ziel ist Best Practice Sharing. Man tauscht sich darüber aus, welche Aktivitäten anderswo gut funktioniert haben. Auch dieser Conference Call dauert 60 Minuten. Am Anfang und am Ende des Jahres gibt es noch ein Mitarbeitergespräch, ebenfalls per Telefon, indem die Entwicklungsperspektiven des Mitarbeiters besprochen werden. Seine Ziele erhält der Mitarbeiter am Anfang des Monats per Mail und sollte die Performance nicht passen dann gibt es auch noch die Möglichkeit einen firmeninternen Mentor (meist ein Kollege mit langjähriger Erfahrung) in Anspruch zu nehmen. Die verbleibende Arbeitszeit teilt sich der Mitarbeiter frei ein.

Im Vergleich zu früheren Anstellungsverhältnissen, er war davor bei einem renommierten Handyhersteller tätig, ist das “Korsett” jetzt nicht mehr so eng, meint er. Das war auch der Grund warum er sich letzten Endes seinen Job gewechselt hat. Die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmtheit sind dafür höher, Familie und Beruf lassen sich so einfach besser miteinander verbinden und er hat auch mehr Freude an der Arbeit. Was ihm im Vergleich zu früher schon fehlt, sei der persönliche Kontakt zu anderen Arbeitskollegen, den er im Büro hatte. In Summe findet er, dass sich seine Arbeitssituation jedenfalls verbessert hat.

Was in dieser Organisation schon tagtäglich gelebt wird, das steht heute vielen anderen Organisationen noch bevor, nämlich sich in einer flexibler gewordenen Arbeitswelt neu zu orientieren. Die Gründe, die einen solchen Veränderungsprozess notwendig machen sind unterschiedlich und mannigfaltig. Die Palette reicht von der Steigerung der Attraktivität  als Arbeitgeber, über Produktivitätssteigerungen bis hin zur Erfüllung von Flexibilitätsansprüchen der Kunden. Was auch immer der Anlass für die Veränderung sein mag, was größtenteils unterschätzt wird ist, dass solche Veränderungsprozesse immer auch eine Veränderung der Unternehmenskultur mit sich bringen. Eine aktuelle Studie 
[1. Flexible Working 2012] besagt, dass die flexiblere Gestaltung von Arbeit in Organisationen zu 65% am unterschätzten bzw. nicht wahrgenommenen Veränderungsbedarf und zu 44% an einer für flexibles Arbeiten hinderlichen Unternehmenskultur scheitern.

Eine Veränderung der Unternehmenskultur braucht Begleitung und die Beteiligung von Top Management, Führungskräften und MitarbeiterInnen einer Organisation. Entscheidend für den Erfolg im Wandel sind die Beteiligung und ein ausgewogenes Zusammenspiel dieses Triangels.

  1. Die MitarbeiterInnen sollen die Kulturveränderung annehmen und in Zukunft auch leben. Deshalb erhalten sie im Veränderungsprozess die Gelegenheit das neue “Drehbuch (siehe Blogpost vom 10.10.2012: Was Ziele und Hollywood Drehbücher gemeinsam haben) ihres Miteinanders”  in der Organisation mitzuschreiben. Hier sind sogenannte “Teamgespräche” hilfreich. In diesen Gesprächen können sich die Mitarbeiter von jahrelang eingeübten Verhaltensweisen mit Hilfe eines externen Begleiters verabschieden und sind dazu aufgefordert ihr “Miteinander” selbst neu zu erfinden.
  2. Für die Führungskräfte bedeutet dieser Wandel sehr oft eine radikale Veränderung ihres eingeübten Führungstiles. Sie brauchen Unterstützung beim Reflektieren und gegebenenfalls verändern ihrer Werthaltungen. Das Thema gewinnt in “modernen Arbeitswelten” vermehrt an Bedeutung, während Kontrolle durch die klassische Anwesenheit am Arbeitsplatz eher abnimmt. Diese Umstellung fällt anfangs oft schwer. Auch im Bereich “wirkungsvolle Zielvereinbarungen” ist verstärkt Kompetenz gefragt. Coachings helfen in dieser Zeit, um gute erste Schritte zu gehen.
  3. Basierend auf den Werten der Organisation gibt das Top Management die Richtung vor und noch viel wichtiger kommuniziert sie auch. Das Kommunikationsvolumen sollte sich im Veränderungsprozess verdreifachen. Je nach Unternehmensgröße sind unterschiedliche Formate wie beispielsweise Kulturkonferenzen und Road Shows geeignet. Wichtig ist auch hier wieder die Beteiligung von MitarbeiterInnen und Führungskräften.

Erst wenn dieser Prozess gut durchdacht und ausgewogen durchlaufen wurde kann es gelingen, dass neue Arbeitsweisen (Mobile Working, Home Office) und die dazu notwendigen technischen Hilfsmittel integriert werden und die Organisation gut in der “modernen Arbeitswelt” ankommt. Viel Vergnügen beim Lesen und Nachdenken wünscht das Organisationslabor.

Quelle:

1. [Flexible Working 2012]

 

Michael Hanschitz ist Berater, Trainer und Coach in Wien und Gastblogger auf Projektwelten.at