Dies ist der erste Beitrag einer geplanten Reihe zum Thema Strategische Projekte, die in losen Zeitabständen erscheinen wird. In Zeiten zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit,  Komplexität und Ungewissheit stellen strategische Programme ein interessantes Tool für das Top Management dar, um proaktiv, wirksam und nachhaltig die Zukunft von Unternehmens gestalten zu können. Im ersten Schritt führe ich in wichtige Merkmale und Arten von Programmen und deren Steuerung ein.

Strategische Programme – ein wichtiges Tool des Top Managements zur Zukunftssicherung von Unternehmen

Die “Kunst des Projektmanagements” hat sich in vielen Unternehmen inzwischen etabliert. Doch erst schrittweise nutzt auch das Management auf Top-Führungsebene gezielt Instrumente und Tools dieser Profession, um wirksam und nachhaltig strategische Veränderungen im Unternehmen umzusetzen.

Klassische Strategieimplementierung orientiert sich i.d.R. noch immer am Kalender. Jährlich vor der Budgetierung finden strategische Planungskonferenzen mit dem Top Management oder Strategie-Updates statt, um den strategischen Plan der kommenden oft 3-7 Jahre festzulegen. Hieraus leiten sich dann die wichtigsten Investitionen ab, die dann im Rahmen der mehrjährigen Investitionsplanung verabschiedet werden und mit der kurzfristigen Kosten- und Erlösplanung ins Jahresbudget eingehen, wie an der Universität im Rahmen der Controlling Vorlesung gelernt und seit Jahren eingeübt.

Doch das Unternehmensumfeld hat sich in vielen Branchen in den letzten Jahren signifikant verändert und ist von zunehmender Komplexität und Ungewissheit des Umfelds geprägt. Viele Planungen müssen unterjährig adaptiert werden oder neue Themen größeren Umfangs mit signifikanten Budgettöpfen finanziert werden. Eine sichtbare Reaktion, insbesondere in Großunternehmen stellt die verstärkte Beschäftigung mit strategischer Vorausschau dar, um von zukünftigen Veränderungen nicht überrascht zu werden. Ein anderer Ansatz ist die verstärkte Nutzung strategischer Programme zur Strategiegestaltung und -umsetzung. Dieser Ansatz ist nicht an einen zyklischen Kalender gebunden und ermöglicht dem Management daher eine höhere Flexibilität und schnellere Reaktionsfähigkeit in dynamischen Märkten (Menz et al. (2011)). Das Top Management hat so die Möglichkeit, Veränderungen in einer Organisation zeitnah und schnell herbeizuführen. Ferner ermöglichen strategische Programme eine klare Veränderungskommunikation nach innen (Mitarbeiter) und aussen (Stakeholder, Eigentümer/ Aufsichtsrat).

Strategische Programme für Wachstum oder Krisenbewältigung

Strategischen Programme bündeln ein oder mehrere zeitlich befristete komplexe Vorhaben, die sich über das gesamte Unternehmen erstrecken und von hoher strategischer Relevanz sind, unter einer gemeinsamen temporären Struktur und formalen Steuerung. Sie haben haben das Potenzial einen signifikanten Einfluss auf die strategische Entwicklung des Unternehmens zu nehmen und werden als strategisches Steuerungsinstrument vom Top Management gezielt eingesetzt. (Menz et al. (2011), Remington (2011), Mack/Paul (2012))

Mit strategischen Programmen können umfassend folgende Themen bearbeitet werden:

  • Ergebnisverbesserung oder Kostensenkungsprogramme: Programme helfen im Krisenmodus eines Unternehmens oder bereits prophylaktisch bei der Fokussierung auf das Heben von Effizienzpotenzialen als Wettbewerbsvorteil oder dem Erreichen einer Wettbewerbsfähigen Kostenposition.
  • Wachstums- und Innovationsprogramme: Auf der Umsatz-/Absatzseite können Programme gezielt eingesetzt werden, um Wachstumspotenziale und Innovationsportenziale im Unternehmen zu aktivieren.

Insbesondere in dynamischen Umfeldern mit hoher Komplexität ist die Fähigkeit strategische Programme erfolgreich zu gestalten eine unternehmerische Kernkompetenz. Ähnlich wie in M&A umkämpften Branchen die Fähigkeit des Post Merger Integration eine wichtige Kernkompetenz darstellen kann, kann die Fähigkeit, strategische Programme besser zu managen als die Konkurrenz, den entscheidenden Vorteil bringen, wenn Strategien zwischen Wettbewerbern inhaltlich immer ähnlicher werden. “Execution” wird wichtiger als “Conception” und Top Management Verantwortung endet immer weniger auf der strategischen Konzeptionsebene.

Entscheidend ist dabei einerseits die intensive Einbindung und Steuerung durch das Top Management selbst. Andererseits kann nachhaltiger Know-how Aufbau und aktive Unterstützung durch spezifische Stäbe oder Abteilungen erreiocht werden. Ein temporäres Program Management Office kann hier ebenso wertvolle Dienste leisten, wie eine mit entsprechender Erfahrung und Kompetenzen ausgestattete Strategieabteilung oder eines strategisch ausgerichteten PMO’s.

Herausforderung Setup und Programm-Design

Zahlreiche Faktoren spielen bei der richtigen Ausgestaltung von strategischen Programmen eine Rolle, so dass pauschale Empfehlungen hier fehl am Platz wären.Vielmehr ist jedes Programm individuell an der Unternehmenskultur, den Zielsetzungen des Programms, am Industrie- bzw. Branchenumfeld auszurichten. Generell lässt sich sagen, dass je stärker die Vertrauenskultur im Unternehmen, je wachstumsorientierter die Zielsetzung und je volatiler das Umfeld ist, desto dezentraler und kontextorientierter sollte ein Setup und Steuerung durch das Top Management erfolgen. (auch ähnlich Menz et al. (2011))

Die Programm Ausgestaltung erfolgt abgestuft auf zwei Ebenen:

  • Programm-Ebene: Auf Programm-Ebene definiert das Top Management die Programm-Ziele sowie entsprechende Prozesse und Verantwortlichkeiten, wie Programm Manager, Programm Office und individuelle Projektmanager. Neben den Gesamtprogrammzielen wird auf dieser Ebene das Projektportfolio des Programms definiert und systematisch koordiniert und gesteuert. Dies umfasst nicht nur die inhaltliche und prozessuale Abstimmung, sondern ebenso das Risikomanagement des Projektportfolios. Ebenso wird die Implementierung von Maßnahmen nachgehalten sowie das Benefit-Tracking durchgeführt. Die Gesamt-Steuerung erfolgt durch ein gezielt besetztes Programm Steering Committee, an das der Programm Manager berichtet. Aufgabe des Programm Managers ist es, mit operativer Hilfe des Programm Office und strategischer Unterstützung des Programm Steering Committees die Einzelprojektebene des Programms zu steuern. Dies erfolgt i.d.R. mit mehr oder minder engen Freiräumen durch Reporting- und Prozessvorgaben, sowie durch die Gestaltung von Einzelprojekt-Steering Committees. Ferner erfolgt auf Programmebene die Kommunikation an interne und externe Stakeholder.
  • Einzelprojekt-Ebene:  Auf Einzelprojektebene arbeiten Project Manager mit ihren Teams an den individuellen Projektthemen im vom Programm vorgegebenen Rahmen. Der Project Manager berichtet in der Regel einerseits an ein Einzelprojekt-Steering Committee, andererseits an den Programm Manager. Die Ausgestaltung dieser Reporting Lines ist von der Gesamtgestaltung des Programms abhängig.

Die Steuerung eines Strategischen Programms erfolgt i.d.R. in zweierlei Hinsicht: Im Rahmen einer inhaltlichen Steuerung wird konkret in die inhaltliche Gestaltung des Programms eingegriffen und diese gezielt gesteuert. So werden neben Zielen auch Bereiche und Themen festgelegt und im Rahmen von Steering Committees gestaltet. Die prozessuale Steuerung legt lediglich die Rahmenbedingungen fest, in denen das Programm abläuft, wie etwas Meilensteine und Phasendauer für alle Projekte, Reportingformate, etc. (Menz et al. (2011) Je nach Situation ist eine unterschiedliche Gewichtung beider Dimensionen zielführend.

Unabhängig davon ist eine enge Verflechtung der beiden Ebenen ein wichtiges Erfolgskriterium. Dabei sind die Ebenennicht hierarchisch, sondern geschachtelt zu betrachten, so dass ein selbstähnliches “fraktales” System entsteht. Angedeutet wurde dies in der Ebenenbeschreibung bereits durch die ähnlichen Rollen und Strukturen (Programm-SC – Programm Manager, Projekt-SC – Project Manager). Die Systemtheorie, Kybernetik und insbesondere das Viable System Model von Stafford Beer können hier wertvolle Beiträge leisten, um ein Programm als System im System “Unternehmen” wirksam und zielorientiert zu gestalten. (Beer (1972))

Basis für Diskussion und Entwicklung

Dieser Beitrag soll lediglich einen Anstoss zur Diskussion darstellen, der hier direkt erfolgen kann. In folgenden Beiträgen werden einzelne Aspekte erfolgreichen Managements strategischer Programme von meiner Seite vertieft und so verschiedenen Verantwortlichen in Strategischen Programmen Anhaltspunkte für die Gestaltung aber auch zur weiteren Diskussion zu geben.

Quellen:

  • Beer, S., Brain of the Firm, Hardmondsworth 1972
  • Mack, O./ Paul, M., Risikofaktor Projekt – ein Thema für Aufsichtsräte, in: Aufsichtsrat aktuell, 2012 (im Druck)
  • Menz, M./ Schmid, T./ Müller-Stewens, G./ Lechner, C., Strategische Initiativen und Programme, Wiesbaden 2011
  • Remington, S., Program Types: Categorization and Its Benefits, in: The PMOSIG Program Management Office Handbook, ed.  Letavec, C./ Bolles, D., Fort Lauderdale 2011

 

Weitere Beiträge dieser Serie:

Strategische Programme (1) – Unternehmenswandel gestalten

Strategische Programme (2) – Über wahre Ziele